Es gilt das gesprochene Wort

​Liebe Festgemeinde von Staad, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Heute feiern wir den 1. August … unseren Nationalfeiertag. Was gibt es Schöneres, als dass möglichst viele Menschen zwischen der Staader Hafenmole und dem Genfer Jet d’eau sowie dem Monte Generoso bei Chiasso und dem Basler Rheinknie ein paar ungezwungene, fröhliche und glückliche Stunden verbringen dürfen?

Der Duft von Grilladen vermischt sich mit schwefligem Geruch von Feuerwerk; es knallt hie und da und am Himmel strahlt im Idealfall die Sonne. Ein Tag, den alle von uns mit ganz eigenen, persönlichen Erinnerungen verbinden. Für manche ist es der Sommertag der Kindheit schlechthin.

Wir brauchen keine Truppenparade und kein Politikerdefilée, keine verrückten Airshows und wir brauchen vor allem kein Riesenspektakel. Unsere Liebe zur Schweiz ist und bleibt volksverbunden, individuell und dadurch vermutlich auch viel authentischer.

Die Welt scheint sich immer schneller zu drehen und oft sind in diesen Tagen Übersicht, Klarheit und Ruhe rar.

Politische, ökonomische und soziale Umwälzungen beschäftigen unsere Gefühlswelt. Eine Vielzahl von Politikern, Wissenschaftlern, Künstler und Unternehmer bemüht sich, den permanenten Wandel verständlicher und seine Auswirkungen nachvollziehbarer, beherrschbarer oder sogar fruchtbarer zu machen. Viele Menschen sehnen sich zurück in eine Zeit, die vermeintlich stabil, überschaubar, transparent und sicher war.

Wer ihnen die Rückkehr dieser imaginierten Welt verspricht – die Bürger also bei ihren Ängsten packt – gewinnt demokratisch an Einfluss, selbst wenn die angebotenen Konzepte in Tat und Wahrheit alles andere als erfolgsversprechend sind.

Was ist all dem entgegen zu setzen? Demut und Dankbarkeit!

Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Wir haben heute einmal mehr allen Grund zur Freude und ehrlicher Dankbarkeit. Wir können und dürfen uns glücklich schätzen, in einem Land wie der Schweiz zu leben.

Wenn anderswo um das nackte Überleben gewaltsam gekämpft wird, leben wir hier in Wohlstand und wo in andern Ländern Konflikte eskalieren, tragen wir unsere Unstimmigkeiten auf vergleichsweise konstruktiv-respektvollem Niveau aus.

Ja, wir haben Glück! Wir gehören zu den Glücklichen, die zufällig in diesem Land geboren worden sind oder hier in der Schweiz leben können. Wir pflegen verschiedene Sprachen, Kulturen und Traditionen. Wir wohnen in einem Land, das auf kleinem Raum eine wunderbare und bemerkenswerte Vielfalt hervorbringt: Fruchtbare Landstriche und karge, majestätische Felswände sowie saubere Seen und Flüsse prägen die Landschaft.

Unser Klima ist gemässigt und die Jahreszeiten lassen uns effizient arbeiten. Das Sozialsystem und die Gesundheits-Versorgung sind nach wie vor intakt und das Verkehrs- und Transportwesen funktioniert.

Unser Bildungssystem bringt auf allen Ebenen kluge und hervorragende Fachleute hervor. Dies ist mit ein Grund, dass wir von der globalen Wirtschaftskrise lediglich am Rand betroffen waren und sind.

Unsere politischen Verhältnisse sind Gott sei Dank stabil: Wir können wählen, abstimmen und vor allem können wir aktiv und aus freiem Willen mit entscheiden.

All diese genannten Faktoren sind mitverantwortlich für unsere hohe Lebensqualität, welche dazu führt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz – nach dem World Happiness Report 2017 – weltweit mit Norwegen, Dänemark und Island zu den glücklichsten Menschen gehören.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
Sehr geehrte Gäste

Berge, Flüsse und vieles mehr wurden uns geschenkt. Das Miteinander sowie die unterschiedlichen Lebensbereiche werden hingegen von Generation zu Generation aktiv gestaltet, verändert und dadurch jeweils auch neu geprägt. Dabei wird uns einmal mehr klar vor Augen geführt: Die Zukunft eines Landes lebt aus seiner Geschichte!

Mitte des 19. Jahrhunderts haben unsere Vorfahren eine Nation gestaltet, die damals buchstäblich revolutionär war: Eine kleine, mehrsprachige, kulturell unterschiedliche Willensnation, die auf Gleichberechtigung und bewusste Rücksichtnahme beruhte.

Sie haben ein Land geprägt, in dem das Volk bei Entscheiden das letzte Wort haben kann und wo gelebte Solidarität und Hilfestellung eine wichtige Grundlage – ja die eigentliche Basis – der Gesellschaft bilden.

Über 150 Jahre lang haben wir uns diese Errungenschaften bewusst und willentlich erhalten. Wir haben sie weiterentwickelt und laufend an die neuen Herausforderungen, an die neuen Zeiten angepasst. Daraus sind über die Jahrzehnte starke, gewachsene Säulen entstanden, auf denen unser Erfolg, unsere Beständigkeit und unser Wohlstand beruhen.

Darauf dürfen wir – speziell auch am heutigen Nationalfeiertag – stolz sein und nicht laufend in das Klagelied um eine ausschließlich negativ gefärbte Zukunft vieler oft selbst ernannter «Untergangs-Propheten» einstimmen.

Im Gegenteil: Wir haben allen Grund für einen optimistischen, positiven Zukunftsglauben! Denn wir – Jede und Jeder von uns - tragen das Glück wortwörtlich in den eigenen Händen.
Als Redner habe ich diesbezüglich nicht nur das Privileg, heute mit Ihnen zu feiern, sondern auch die Gelegenheit, einen Wunsch, einen Aufruf an Sie zu richten – und der gilt ganz besonders all den jungen Menschen hier in der Hafenmole.

Liebe Jugendliche: Engagiert Euch, gestaltet Eure eigene Lebenswelt, schafft und verschafft Euch Gehör.

Schaut Euch das «Glückspaket Schweiz» genauer an … nicht nur die hübsche, farbige Verpackung, die sich von Generation zu Generation wandelt. Das Wichtige steckt im Paket drin: Da findet ihr Dinge wie gegenseitigen Respekt, gelebte Solidarität, praktizierte Toleranz, echter Gemeinschaftssinn, Offenheit und die ehrliche Bereitschaft zum Kompromiss.

Es sind Werte, denen auch ihr praktisch tagtäglich begegnet: in der Familie, auf dem Pausen- wie auch am Arbeitsplatz, im Sport- oder Musikverein, aber auch an einem Festanlass wie heute. Diese Werte brauchen wir in unserm Alltag … sie sind Garant für ein friedliches und glückliches Zusammenleben!

Die Schweiz … das seid Ihr, das sind wir alle. Und das vergessen viele von uns heute leider mehr denn je. Wie oft sehen wir in unserm Staat einen öffentlichen Supermarkt? Für jedes Problem soll er sofort eine Lösung finden, soll er Verantwortung übernehmen und wo Private versagen, soll er gefälligst in die Lücke springen.

Gleichzeitig wird der Staat aber auch für jede Fehlentwicklung und jedes Unbehagen verantwortlich gemacht. Er ist fordernd, anonym, besitzergreifend, mischt sich überall ein und vor allem er verschlingt Geld. Wo einige nach dem Staat rufen, sehen andere in ihm die Ursache vieler, wenn nicht gar aller Probleme.

Keine Frage: Auch wenn wir vom Wirken und Werken unserer Vorfahren nach wie vor profitieren… das Staatsverständnis von früher deckt sich in vielen Teilen nicht mehr mit unserem Staatsverständnis von heute. Wir leben im 21. Jahrhundert und nicht mehr im 19. Jahrhundert. Heute verändert sich die Welt rasant. Wir sehen uns mit einer Welt konfrontiert, die sich in einem enormen Tempo ständig neu vernetzt.

Konnte die Schweiz früher ziemlich unbeeinflusst von der grossen Weltpolitik ihren eigenen, individuell gestalteten Weg gehen, steht unser Land heute einer äusserst harten Interessenspolitik gegenüber. Und wenn wir genau hinschauen, sehen wir, dass die Beweggründe zu erodieren beginnen, auf denen die Willensnation Schweiz fusst. Denken wir an die Kantone, die an Eigenprofil verlieren, denken wir an die Sprache, die Religion und denken wir an den Wandel des Minderheitenbegriffs.

Und vor allem wir müssen aufpassen, dass wir unsere Kompromissfähigkeit nicht aufgeben, weil egoistisches Machdenken und das rein prinzipielle Beharren auf radikalen Positionen in einer Art «Medien-Demokratie» effektvoller erscheint. Das, geschätzte Anwesende, trügt, ist gefährlich und kann auf die Dauer nicht gut gehen. Davon müssen wir uns unbedingt distanzieren.

Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger
Liebe Gäste

Stehen wir für das ein, was unser Land stark und erfolgreich gemacht hat. Denn ich bin zu tiefst davon überzeugt, dass unsere gelebten, tradierten Werte kein Verfallsdatum kennen und darum müssen wir die Schweiz auch nicht neu erfinden.

Unser Land existiert, gedeiht und lebt durch und mit ihren acht Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern, mit ihren Wünschen und Bedürfnissen … und vor allem aber auch mit ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement.

Wir müssen uns jedoch tagtäglich daran erinnern, dass dies nur gemeinsam geschehen kann. Denn ein solches, bewusstes Gemeinschaftsprojekt schafft Identität und Selbstverständnis für das, was wirklich wichtig ist.

In einer modernen, stark individualisierten Gesellschaft kann und soll ein Tag wie der heutige erste August dazu beitragen.

Ein Tag, an dem wir gemeinsam und dankbar feiern … ein Tag an dem wir uns aus tiefer, innerer Überzeugung an unserm Glück auch gemeinsam freuen dürfen.