Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates, das Büro des Nationalrates und der Bundesrat haben unterschiedliche Vorstellungen, wie einzelne Probleme des parlamentarischen Verfahrens gelöst werden sollen. Umstritten sind insbesondere die Fragen, welchen Stellenwert die Vorstösse der Ratsmitglieder im Nationalrat haben sollen und wie die Sitze in den ständigen Kommissionen auf die Fraktionen verteilt werden sollen.

1. 07.400 n Pa.Iv. Parlamentsrecht. Verschiedene Änderungen

Im parlamentarischen Verfahrensrecht stellen sich immer wieder neue Fragen. Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat deshalb eine Vorlage ausgearbeitet (vgl. Medienmitteilung vom 25. Februar 2008), welche Antworten auf verschiedene solche Fragen gibt, welche sich seit Inkrafttreten des neuen Parlamentsgesetzes im Jahre 2003 gestellt haben. Die SPK hat nun zu den Anträgen des Ratsbüros und des Bundesrates zu dieser Vorlage Stellung genommen.

Nach der Verteilung der Kommissionssitze auf die Fraktionen nach den Wahlen im letzten Herbst verlangten einzelne Fraktionen eine Änderung des Verteilungsverfahrens. Dabei sollte neu die Gesamtheit aller zur verteilenden Kommissionssitze als Grundlage dienen. Die SPK spricht sich nun mit 11 zu 10 Stimmen gegen diesen Vorschlag aus, während das Ratsbüro mit 6 zu 4 Stimmen dafür votiert hatte. Die knappe Mehrheit der SPK ist der Ansicht, dass gemäss geltendem System die Fraktionen in jeder Kommission gleich viele Sitze bekommen sollten. Das Ratsbüro und die Minderheit der SPK möchten demgegenüber die Ungleichbehandlung der Fraktionen korrigieren, welche das bisherige System mit sich bringen kann.

Mit 12 zu 9 Stimmen hält die SPK an ihrem Vorschlag fest, neu acht Stunden pro Session für die Behandlung parlamentarischer Vorstösse zu reservieren. Dieser Vorschlag wird vom Büro ohne Gegenstimmen abgelehnt. Die SPK hält eine präzisere und griffigere Bestimmung für notwendig, nachdem das Büro die geltende Reglementsbestimmung für eine reservierte Beratungszeit für Vorstösse seit ihrem Bestehen, d.h. seit 18 Jahren fast nie respektiert hat. Hingegen folgt die SPK mit 12 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung dem Antrag des Ratsbüros, zum bis 2003 angewendeten System der „Guillotine“ zurückzukehren, wonach Vorstösse abgeschrieben werden, wenn sie nach zwei Jahren noch nicht behandelt sind. Nur eine Minderheit der SPK hält am ursprünglichen Vorschlag der SPK fest, dass über derartige Vorstösse nach zwei Jahren ohne Diskussion abgestimmt werden muss. Das Büro und die neue Mehrheit der SPK beurteilen den dadurch verursachten „Abstimmungsmarathon“ am letzten Sessionstag als wenig praktikabel.

Mit 11 zu 9 Stimmen hält die SPK an ihrem vom Büro bestrittenen Antrag fest, dass der Nationalrat neben den ordentlichen Sessionen mindestens eine Sondersession abhalten muss. Die SPK reagiert damit darauf, dass das Büro in Jahren 2005, 2007 und 2008 trotz überbordender Geschäftspendenzen keine Sondersession einberufen hat.

Im Grundsatz nicht bestritten ist der Vorschlag der SPK zur Regelung des Verfahrens für die Feststellung einer Amtsunfähigkeit von Mitgliedern des Bundesrates, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fähig sind, ihr Amt auszuüben (vgl. den Fall Sharon in Israel). Die SPK hat aber ohne Gegenstimmen den Antrag des Bundesrates abgelehnt, wonach nur er selbst ein derartiges Verfahren einleiten dürfte. Die SPK hält damit an ihrem ursprünglichen Antrag fest, dass dieses Antragsrecht auch dem Büro der Vereinigten Bundesversammlung zustehen muss.

Die SPK hat die Vorlage noch mit verschiedenen Punkten ergänzt:

  1. Ein Vorstoss oder eine parlamentarische Initiative soll neu auch von zwei oder drei Ratsmitgliedern gemeinsam eingereicht werden dürfen. Damit wird die Idee eines Postulates von Nationalrat Girod (08.3058) umgesetzt.
  2. Das Parlament soll künftig seine Abstimmungsempfehlung zu einer Volksinitiative und seinen allfälligen Gegenentwurf zu einer Volksinitiative in getrennten Bundesbeschlüssen behandeln, damit die freie politische Willensbildung der Ratsmitglieder gewahrt bleibt.
  3. Auf Antrag der Aufsichtskommissionen und –delegationen soll das Koordinationsorgan der "Konferenz der Präsidien der Aufsichtskommissionen und –delegationen (KPA)" aufgelöst werden.

2. SPK/CIP 08-04 Auslandschweizer. Ausübung der politischen Rechte

Im Weiteren liess sich die Kommission von Vertretern der Auslandschweizer-Organisation (ASO) über Probleme bei der Ausübung der politischen Rechte durch Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen informieren. Hauptsächlich wird die verspätete Zustellung der Wahl- und Abstimmungsunterlagen beklagt. Einigen im Ausland lebenden Bürgern und Bürgerinnen bleibt somit faktisch die Ausübung ihrer politischen Rechte verwehrt. Dabei sind nicht die geltenden rechtlichen Bestimmungen das Problem, sondern deren Vollzug.  Die Kommission konnte jedoch davon Kenntnis nehmen, dass die Bundeskanzlei bereits mit einem entsprechenden Kreisschreiben an die für den Versand zuständigen Kantone und Gemeinden reagiert hat. Ein Antrag zur Einreichung eines Vorstosses mit dem Ziel, den Versand der Unterlagen an die Auslandschweizer und -schweizerinnen dem Bund zu übertragen, wurde mit 8 zu 7 Stimmen abgelehnt. Da die Kantone für den Druck der Wahlzettel zuständig sind, würde eine Zentralisierung des Versandes beim Bund eher zu einer Komplizierung des Verfahrens führen. Schliesslich geht die Kommission davon aus, dass mit der Einführung des e-voting die meisten dieser Probleme verschwinden werden.

Die Kommission tagte am 22. Mai 2008 in Bern unter der Leitung ihres Präsidenten, Nationalrat Gerhard Pfister (CVP/ZG).

 Bern, 23. Mai 2008 Parlamentsdienste