Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates spricht sich für die autonome Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips aus, sieht aber in Bezug auf die Vermeidung der Inländerdiskriminierung eine Abweichung zur Botschaft des Bundesrates vor.

1. Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse ( 08.054 )

Anlässlich ihrer Sitzung vom 30. Oktober ist die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) einstimmig auf die vorliegende Botschaft des Bundesrates zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse eingetreten. An der aktuellen Sitzung hat sie nun eine erste Lesung der vorgeschlagenen Gesetzesänderung vorgenommen und dabei gewisse Grundsatzentscheide gefällt.

Was die autonome Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips – den Kern der Vorlage – betrifft, folgt die Kommission dem Entscheid des Bundesrates. Dadurch sollen in der Schweiz auch solche Produkte in Verkehr gebracht werden können, welche nach den Vorschriften der EG oder eines EG/EWR-Mitgliedstaates hergestellt und dort rechtmässig in Verkehr sind. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip wird nicht gelten für Produkte, die einer Zulassungspflicht oder einem Einfuhrverbot unterliegen oder einer vorgängigen Einfuhrbewilligung bedürfen.

Bei den Bestimmungen zur Vermeidung der Inländerdiskriminierung allerdings lehnt die Kommission die Lösung des Bundesrates mit 8 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung ab und entscheidet sich stattdessen für eine liberalere Lösung. Gemäss diesem Beschluss können Schweizer Produzenten, welche nur für den Schweizer Markt produzieren, beantragen, nach den EG-Normen produzieren zu dürfen. Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates müssen die Hersteller dabei keinen Härtefall darstellen. Sie müssen allerdings die Einhaltung der entsprechenden technischen Vorschriften nachweisen. In der Meinung der Kommission kann mit dieser Lösung die Inländerdiskriminierung wirksam beseitigt werden. Das Konzept der Kommission sieht ausserdem vor, dass ein Schweizer Produzent, der für seine Produkte die Schweiz als Produktionsland angibt, auch angeben muss, nach welchen ausländischen technischen Vorschriften das entsprechende Produkt hergestellt worden ist. Damit will die Kommission die nötige Transparenz für den Konsumenten  sicherstellen.

Für den Import von Lebensmitteln, welche nach EG-Vorschriften hergestellt wurden und den schweizerischen technischen Vorschriften nicht entsprechen, folgt die Kommission mit 7 zu 4 Stimmen dem Bundesrat. Das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, welche durch Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips in die Schweiz kommen, bedarf demnach einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Die Mehrheit der Kommission anerkennt, dass diese Regelung für den Gesundheitsschutz und die Entlastung der Kantone bei der Lebensmittelkontrolle notwendig ist. Ausserdem kann die Inländerdiskriminierung vermieden werden. Die Bewilligung wird vom BAG nämlich als Allgemeinverfügung erteilt, auf welche sich ausländische und inländische Hersteller berufen können.

Bezüglich der Marktüberwachung von Produkten, die nach ausländischen technischen Vorschriften hergestellt  wurden, argumentiert die Kommission, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung ein Problem darstellt, wenn der Importeur nicht nachweisen kann, dass ein Produkt den EG-Vorschriften entspricht. Diese Regelung würde von den betroffenen Personen zu viel fordern, zum Beispiel dann, wenn sie ein bestimmtes Dokument vom Hersteller nicht erhalten können. Deshalb hat die Kommission die Verwaltung damit beauftragt, ihr einen neuen Vorschlag zu unterbreiten, bei welchem bei der Marktüberwachung von der Vermutung ausgegangen wird, dass die Vorschriften eingehalten werden. Erst beim Verdacht, dass die technischen Vorschriften nicht erfüllt sind, sollen entsprechende Nachweise eingefordert werden können.
Die Kommission hat die Verwaltung ausserdem damit beauftragt, bis zur nächsten Sitzung vom 23. Februar einige offene Fragen zu klären. Diese offenen Punkte werden dann in einer zweiten Lesung behandelt. Das Geschäft soll wie vorgesehen während der Frühlingssession im Ständerat beraten werden.

2. Produktesicherheitsgesetz ( 08.055 )

Die Vorlage des Bundesrates sieht vor, das Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG) durch ein Produktesicherheitsgesetz zu ersetzen. Damit soll gewährleistet werden, dass die schweizerischen Anforderungen an die Sicherheit von Konsumprodukten mit den Anforderungen des europäischen Binnenmarktes identisch sind. Zu diesem Zweck soll der Geltungsbereich des Gesetzes allgemein auf alle Produkte ausgedehnt werden (und nicht mehr bloss technische Einrichtungen und Geräte erfassen). Damit verfügen die Kontrollbehörden über mehr Kompetenzen, die zum Schutz der Sicherheit oder Gesundheit erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Zudem ist der Hersteller oder Importeur in Zukunft nach dem Inverkehrbringen eines Produktes zu verpflichten, geeignete Massnahmen zu treffen, um allfällige Gefahren zu erkennen und die Vollzugsbehörden gegebenenfalls darüber zu informieren.

Die Kommission hat eine erste Lesung dieser Vorlage vorgenommen, die in engem Zusammenhang mit dem Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) steht. Sie stimmte den Bestimmungen der Vorlage insgesamt zu. In ihren Augen lässt sich damit gewährleisten, dass die in- und ausländischen Produkte das gleiche Sicherheitsniveau haben, wodurch das Vertrauen in die Sicherheit der Produkte gestärkt wird. Für die schweizerischen und ausländischen Hersteller werden somit auch die aufgrund unterschiedlicher Sicherheitsanforderungen bestehenden technischen Handelshemmnisse beseitigt.

Die Kommission wird in einer zweiten Lesung gewisse noch offene Punkte der Vorlage prüfen, so insbesondere die Frage der Marktüberwachung, wie sie dies auch im Zusammenhang mit der Revision des THG tun wird (vgl. Pt. 1). Das Geschäft soll in der Frühlingssession mit der Revision des THG behandelt werden.

Die Kommission hat unter dem Vorsitz von Ständerätin Simonetta Sommaruga (SP, BE) am 29. und 30. Januar 2009 in Bern getagt.

 Bern, 30. Januar 2009 Parlamentsdienste