Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) hat beim Präventionsgesetz die offenen Differenzen zum Ständerat bereinigt. Bei der 6. IV-Revision fasst sie abweichende Beschlüsse zu den Taggeldern und zu den Kriterien, die Voraussetzung für den Anspruch auf eine Rente sind.

In der Differenzbereinigung über das Präventionsgesetz (09.076) ist die Kommission mit ihren Anträgen inhaltlich auf der ganzen Linie dem Ständerat gefolgt. Mit dieser Kompromissbereitschaft hofft sie, den Weg für das Gesetz insgesamt zu ebnen. Nicht ganz leicht fiel dies einem Teil der Kommission insbesondere bei folgenden drei Differenzen: beim Verzicht auf Gesundheitsfolgeabschätzungen (15 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen) und auf Gesundheitsdeterminanten (18 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen)  sowie bei der Plafonierung des Prämienzuschlags für Krankheitsverhütung auf 0,075 Prozent der durchschnittlichen KVG-Prämie (16 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen). Festhalten am Beschluss des Nationalrates beantragt die Kommission lediglich bei Artikel 39a, wo keine inhaltliche Differenz besteht, der Ständerat aber das wegen der Ausgabenbremse nötige qualifizierte Mehr um drei Stimmen verpasst hatte.

Detailberatung zur 6. IV-Revision fortgesetzt

Die SGK-NR setzte die Detailberatung zur 6. IV-Revision. Zweites Massnahmenpaket (11.030 s) fort. Änderungen gegenüber dem Bundesrat wurden bei den Taggeldern und im Zusammenhang mit dem Rentensystem beschlossen. Der Entscheid über das neue Rentensystem wurde allerdings auf den August verschoben.

Mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, dass das Taggeld, das bei Eingliederungsmassnahmen gezahlt wird, für Versicherte ohne Unterhaltspflichten statt 80 nur noch 70 Prozent des letzten ohne gesundheitliche Einschränkung erzielten Erwerbseinkommens beträgt. Zur Vermeidung von sozialen Härtefällen wird eine Untergrenze von 101 Franken festgelegt. Die zusätzlichen Einsparungen liegen im Bereich von 30 Mio. Franken.

Gemäss Bundesrat soll eine der Voraussetzungen, um eine Renten beanspruchen zu können, sein, dass eine versicherte Person „nicht eingliederungsfähig“ ist. Das hat zu Missverständnissen geführt. Eine klarere Formulierung der Kommission bestimmt jetzt, dass ein Rentenanspruch entsteht, wenn die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit der Versicherten, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, weder durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen noch innerhalb eines Jahres mit medizinischen Behandlungen wieder hergestellt, erhalten oder verbessert werden können (Art. 28 Bst. a). Damit wird bezweckt, dass die Betroffenen nicht zu lange in einer unklaren Situation leben müssen, gleichzeitig wird aber auch Druck bezüglich der Bereitschaft, zumutbare Eingliederungsmassnahmen zu akzeptieren, auf die Versicherten ausgeübt. Mit einer ergänzenden Bestimmung soll zudem verhindert werden, dass während einer medizinischen Behandlung Lücken bei den Taggeldern entstehen und die Betroffenen auf Sozialhilfe angewiesen wären.

Kantone sollen keine obligatorischen Impfungen anordnen können

Nachdem der Ständerat die Vorlage zur Totalrevision des Epidemiengesetzes (10.107) in der Sommersession behandelt hatte, kam sie zur Bereinigung der insgesamt sechs Differenzen zurück in die SGK des Nationalrates.
Bei drei kleineren Differenzen, welche vor allem durch sprachliche Präzisierungen des Ständerates entstanden sind (Art. 6, Art. 12 und Art. 64), beantragt die Kommission oppositionslos dem Ständerat zuzustimmen. In Bezug auf das umstrittene Impfobligatorium beantragt die SGK-NR mit 17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung den betreffenden Artikel 22 zu streichen. Die Mehrheit der Kommission weist darauf hin, dass beide Räte bereits beschlossen haben, dass der Bundesrat in besonderen Lagen und nach Anhörung der Kantone Impfungen für obligatorisch erklären kann (Art. 6). Und da obligatorische Impfungen immer einen grossen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit darstellen, ist es in ihren Augen nicht notwendig, dass zusätzlich auch den Kantonen diese Kompetenz zugesprochen wird. Hingegen beantragt die SGK-NR bezüglich die Kosten von Massnahmen im internationalen Personenverkehr (Art. 74) mit 15 zu 9 Stimmen, dem Ständerat und somit dem Bundesrat zu folgen. Auch in Bezug auf die Änderung des Strafgesetzbuches (Verbreiten menschlicher Krankheiten) beantragt sie einstimmig, dem Ständerat zu folgen, welcher eine Mindeststrafe von einem Jahr eingefügt hat.

Ordnungsbusse von 100 Franken bei Cannabiskonsum

Im Hinblick auf das neue Ordnungsbussenverfahren bei Cannabiskonsum beantragt die Kommissionsmehrheit, bei beiden Differenzen im Betäubungsmittelgesetz (04.439 n) dem Ständerat zu folgen: Die Ordnungsbusse soll 100 Franken betragen (13 zu 9 Stimmen); und für den Fall eines ordentlichen Strafverfahrens sollen keine Vorgaben zur Bussenhöhe gemacht werden (15 zu 9 Stimmen). 

Mit 12 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, der Standesinitiative des Kantons Jura „Transparenz im Bereich der sozialen Krankenversicherung (11.303 s), keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit argumentierte, die gesetzlichen Grundlagen für die Datenerhebung genügten.

Die Kommission tagte am 28./29. Juni 2012 in Bern unter dem Vorsitz von Stéphane Rossini (SP, VS) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.

 

Bern, 29. Juni 2012  Parlamentsdienste