Pa. Iv. Gesetzliche Anerkennung der Pflege
​Pflegeheime, Spitex-Organisationen und selbstständig erwerbstätige Pflegefachpersonen sollen Grundpflegeleistungen auf Kosten der Krankenversicherung erbringen können, ohne dass dafür eine ärztliche Anordnung nötig ist. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) unterbreitet ihrem Rat einen entsprechenden Entwurf. Um Befürchtungen vor einem Kostenanstieg Rechnung zu tragen, schlägt die Kommission flankierende Massnahmen vor. Zudem beschloss sie mit einer knappen Mehrheit, dass die geltende Regelung zur Ärztezulassung um drei Jahre verlängert werden soll.

​Die Kommission nahm die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Vorentwurf zur Pa. Iv. Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege (Joder) (11.418 n) zur Kenntnis1. Diese verfolgt das Ziel, den Berufsstatus der Pflegefachpersonen aufzuwerten und die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen. Mit 14 zu 4 Stimmen bei 4 Enthaltungen trat die Kommission auf eine entsprechende Änderung des Krankenversicherungsgesetzes ein. Neu sollen Pflegeheime, Spitex-Organisationen und selbstständig erwerbstätige Pflegefachpersonen insbesondere Grundpflegeleistungen auf Kosten der Krankenversicherung erbringen können, ohne dass dafür eine ärztliche Anordnung nötig ist. Der Bundesrat wird die Leistungen auf Verordnungsstufe abschliessend festlegen. Keine Änderung ist im Bereich der medizinischen Behandlungspflege vorgesehen, die weiterhin ärztlich angeordnet werden muss.
Da in der Vernehmlassung Befürchtungen geäussert worden waren, dass die neue Regelung zu einer Mengenausweitung und höheren Kosten (Prämien) führen könnte, beantragt die Kommission flankierende Massnahmen: Bei 12 zu 12 Stimmen und mit Stichentscheid ihres Präsidenten sieht sie vor, dass Pflegefachpersonen nur dann direkt mit den Krankenkassen abrechnen können, wenn diese mit ihnen einen Zulassungsvertrag abgeschlossen haben. Mit 16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung will die Kommission die neue Regelung zudem auf sechs Jahre befristen. In der Gesamtabstimmung nahm die Kommission den Entwurf mit 17 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Nun kann der Bundesrat dazu Stellung nehmen.

1 Siehe www.parlament.ch > Curia Vista Suche > 11.418 > Vernehmlassung

 

Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte

Mit 12 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschloss die Kommission eine Kommissionsinitiative zur Verlängerung von Art. 55a KVG, mit der die geltende Regelung für die Beschränkung der Ärztezulassung auf drei Jahre befristet verlängert wird.

Dies sei auch im Sinne der Rechts- und Planungssicherheit der Kantone. Heute können die Kantone die Neuzulassung von Ärztinnen und Ärzten von einem Bedürfnis abhängig machen. Kein Bedürfnisnachweis notwendig ist allerdings für Ärztinnen und Ärzte, die mindestens drei Jahre an einem schweizerischen Spital gearbeitet haben. Die Verlängerung der geltenden Regelung soll in Form eines dringenden Bundesgesetzes erlassen werden. Die Initiative geht jetzt an die Schwesterkommission, die noch zustimmen muss.

Diese befristete Regelung fand eine Mehrheit, weil die Kommission mit 18 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen ebenfalls eine Kommissionsmotion beschloss, mit der eine Neuausrichtung der Lösungen für die Kontrolle der Kostenentwicklung im ambulanten Bereich verlangt wird.
Dazu muss der Bundesrat bis Ende 2016 konkrete Gesetzesvorschläge für drei verschiedene Wege zwecks wirksamerer Kostenkontrolle vorlegen: 1. Steuerung durch die Kantone, 2. Preisflexibilität für medizinische Leistungen (regionale und qualitätsabgestufte Preise) und 3. Lockerung des Vertragszwanges.

Anschliessend gab die SGK-NR der Kt.Iv. GE. Eröffnung neuer Arztpraxen (12.308 s) mit 16 zu 7 Stimmen keine Folge. Die Initiative verlangt, dass den Kantonen erlaubt wird, eine Planung für die Eröffnung neuer Arztpraxen zu erstellen.

 

Kein bezahlter Vaterschaftsurlaub

Mit 12 zu 12 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten beantragt die Kommission ihrem Rat, der Pa.Iv. Candinas. Zwei Wochen über EO bezahlten Vaterschaftsurlaub (14.415 n) keine Folge zu geben. Im April 2015 hatte sie dieses Anliegen noch unterstützt. Da die Schwesterkommission ihre Zustimmung verweigerte, musste die SGK-NR erneut über die Initiative befinden. Die Mehrheit der Kommission lehnt den Vaterschaftsurlaub grundsätzlich ab und betont die Selbstverantwortung der Familien. Bei der Familiengründung handle es sich um eine private Angelegenheit, wo sich der Staat nicht einzumischen habe. Zudem stehe die Sicherung der bestehenden Sozialversicherungen im Vordergrund und ein Ausbau derselben sei auch finanzpolitisch nicht angezeigt. Eine Minderheit will der Initiative Folge geben, weil damit ein wichtiges familienpolitisches Zeichen gesetzt würde und der Handlungsbedarf in diesem Bereich klar ausgewiesen sei.

 

Weitere Geschäfte

Mit 18 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen hat die Kommission der Pa.Iv. Humbel. Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung durchsetzen (15.419 n) Folge gegeben. Ziel der Initiative ist es, die Qualität der Behandlung nicht nur im stationären, sondern auch im ambulanten Bereich zu einem massgebenden Faktor für die Festlegung der Tarife zu entwickeln. In einem nächsten Schritt wird die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates zur Initiative Stellung nehmen.

Mit 16 zu 1 Stimme bei 7 Enthaltungen beantragt die Kommission, der Pa.Iv. Häsler (Gilli). Angemessenes Strafmass bei Verstössen gegen das Lebensmittelgesetz (14.476 n) keine Folge zu geben. Das Parlament habe bei der Totalrevision des Lebensmittelgesetzes erst vor kurzem über das Strafmass entschieden, und die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten reichten völlig aus, befand die Kommission.

Die Kommission gab den folgenden drei parlamentarischen Initiativen der SVP-Fraktion mit 14 zu 9 Stimmen, bzw. 14 zu 8 und 14 zu 8 Stimmen keine Folge: Pa. Iv. Voraussetzung für IV-Rentenbezug für Ausländer (14.426 n), Pa. Iv. Karenzfrist für Ergänzungsleistungen (14.427 n) und Pa. Iv. Voraussetzung für den AHV-Rentenbezug erhöhen (14.429 n). Die drei Initiativen wollen die Eintrittsschwelle für ausländische Staatsangehörige zur Invalidenversicherung, zu den Ergänzungsleistungen und zur AHV erhöhen. Im August 2015 gab die SGK-NR diesen noch knapp – teilweise mit Stichentscheid des Präsidenten Folge. Die Schwesterkommission verweigerte ihre Zustimmung jeweils mit 11 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Für die Ablehnung stand im Vordergrund, dass die Ziele der Initiativen ohne Verletzung der geltenden Abkommen mit der EU und der EFTA nicht erreicht werden können.

Mit 16 zu 7 Stimmen beantragt die Kommission, der Kt. Iv. GE. Obligatorische Krankenpflegeversicherung (10.323 s) keine Folge zu geben, da die Frage der Reserven mit dem neuen Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über die Krankenversicherung vorderhand geregelt sei. Ebenfalls keine Folge geben will die Kommission der Kt. Iv. TG. Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte. Änderung (10.312 s), da das Anliegen im Rahmen der Revision des Heilmittelgesetzes (12.080 n) erfüllt sei.

Die Kommission hat die Beratungen zur Reform Altersvorsorge 2020 (14.088 s) mit Anhörungen aufgenommen. Eingeladen waren folgende Organisationen: Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK, Pro Senectute Schweiz, Schweizerischer Arbeitgeberverband, Economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband SGV, Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB, Travail.Suisse, Schweizerischer Pensionskassenverband ASIP, Schweizerischer Versicherungsverband SVV, Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, FINMA, Alliance F, Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband SBLV, Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Sicherheitsfonds BVG, die Jungparteien der FDP, SVP, SP, CVP und Grünen sowie als Experte Dr. Jérôme Cosandey (Avenir Suisse).

 

Die Kommission tagte am 20./21./22. Januar 2016 in Bern unter dem Vorsitz von Ignazio Cassis (FDP-Liberale, Tessin) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.

 

 

Bern, 22. Januar 2016 Parlamentsdienste