Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne, AG) weilte die Präsidentin des albanischen Parlaments am 14. Juni 2022 in Bern. Lindita Nikolla wurde nach den Parlamentswahlen vom April 2021 in ihr Amt gewählt, zuvor war sie von 2013 bis 2019 Ministerin für Bildung und Sport gewesen. Dieser Besuch bot Gelegenheit für einen Austausch über die Zusammenarbeit der beiden Parlamente, das Verfahren zum Beitritt Albaniens zur Europäischen Union (EU) und die aktuelle Lage in den Westbalkanstaaten.

Bilaterale Beziehungen und parlamentarische technische Zusammenarbeit

Irène Kälin bezeichnete diesen offiziellen Besuch angesichts des engen und fruchtbaren Austauschs, den die beiden Parlamenten im Rahmen der parlamentarischen technischen Zusammenarbeit pflegen, als äusserst wichtig. Seit 2019 unterstützen die Schweizer Parlamentsdienste (PD) das Parlament der Republik Albanien in den Bereichen politische Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und parlamentarische Oberaufsicht. Diese Unterstützung ist Teil des Kooperationsprojekts der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Da Albanien ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist, begrüsste Nationalratspräsidentin Kälin, dass die Unterstützung des albanischen Parlaments im Rahmen der neuen Kooperationsstrategie 2022–2025 fortgesetzt wird und auch die Projekte zur Unterstützung der lokalen Regierungen, der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft in Albanien weitergeführt werden.

Parlamentspräsidentin Nikolla dankte der Schweiz, dem zweitwichtigsten Geberland, für die Unterstützung seit über 30 Jahren sowie für die rasche Hilfe nach dem Erdbeben im November 2019 und während der Pandemie.

EU-Beitrittsverfahren Albaniens

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine vertrat Irène Kälin die Meinung, dass die EU das Beitrittsverfahren im Allgemeinen und die Verfahren der Balkanstaaten im Besonderen überdenken sollte. Sie erkundigte sich bei ihrer Amtskollegin Nikolla nach den Erwartungen Albaniens an das Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der EU in Brüssel vom 23. Juni 2022 und wollte wissen, inwiefern die Beitrittsgesuche der Ukraine und von Moldova die Ausgangslage für die Westbalkanstaaten verändern. Parlamentspräsidentin Nikolla betonte, dass der EU-Beitritt für Albanien nach wie vor Plan A ist, hinter dem auch die Opposition im Parlament steht. Ihr Land sei bestrebt, die Vorgaben für einen EU-Beitritt zu erfüllen. So wolle Albanien mit tiefgreifenden Reformen unter anderem gegen Korruption und das organisierte Verbrechen vorgehen. Nationalratspräsidentin Kälin bekräftigte die Unterstützung der Schweiz für Albaniens EU-Integration.

Lage auf dem Balkan und Beziehungen zu den Nachbarstaaten

Parlamentspräsidentin Nikolla wies auf die Leaderrolle hin, die Albanien insbesondere aufgrund seiner guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten bei der Zusammenarbeit auf dem Westbalkan spiele. Albanien pflege die diese Beziehungen, was auch Teil des EU-Beitrittsverfahrens sei. Aus dem von Deutschland initiierten Berliner Prozess habe sich die Open Balkan Initiative entwickelt, die in der EU bereits bestehende Instrumente umsetze. Nikolla wies darauf hin, dass die Bevölkerung Albaniens diese Initiative befürwortet und am 8. Juni 2022 ein Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien stattfand.

Auf die Frage von Ständerat Thomas Hefti zu den brüderlichen Beziehungen zwischen Albanien und Kosovo antwortete Nikolla, dass es sich zwar um zwei Staaten, aber um nur eine Nation handelt. Albanien und Kosovo seien zwei junge Staaten, die beide ihre Besonderheiten hätten.

Albaniens Erfahrungen im UNO-Sicherheitsrat (2022–2023)

Die Nationalratspräsidentin erkundigte sich nach den Erfahrungen Albaniens als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNO) in den Jahren 2022/23 und insbesondere danach, wie das albanische Parlament in die vom Sicherheitsrat behandelten Geschäfte einbezogen wird. Parlamentspräsidentin Nikolla antwortete, dass die albanische Aussenministerin dem Parlament über die Arbeit des Sicherheitsrates Bericht erstattet. Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine habe Albanien die nachhaltige Entwicklung (Umsetzung der Agenda 2030) zum zentralen Thema seiner Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat machen wollen. Seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sei Albanien im Sicherheitsrat dafür eingetreten, dass der russische Angriff als Völkerrechtsverletzung eingestuft wird.


Fotos des offiziellen Besuchs

Instagram-Video der albanischen Parlamentspräsidentin Lindita Nikolla