Die Rechtskommission des Nationalrats ist in die Detailberatung zur Aktienrechtsrevision eingestiegen und hat die Einführung von Geschlechterrichtwerten sowie die Umsetzung der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» behandelt. Im Frühjahr 2018 wird sie die Arbeiten fortsetzen und sich insbesondere mit Transparenzbestimmungen im Bereich der Rohstoffförderung beschäftigen.

(16.077) In der Frage der Geschlechterrichtwerte hat sich die Kommission weitgehend dem Entwurf des Bundesrates angeschlossen. Sie schlägt mit 14 zu 11 Stimmen vor, für grosse börsenkotierte Unternehmen Richtwerte betreffend die Vertretung der Geschlechter in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung einzuführen. Sofern nicht jedes Geschlecht mindestens zu 30 Prozent im Verwaltungsrat und zu 20 Prozent in der Geschäftsleitung vertreten ist, soll das betroffene Unternehmen in einem Bericht darlegen, weshalb die Richtwerte nicht erreicht werden und welche Massnahmen zur Förderung des schwächer vertretenen Geschlechts vorgesehen sind. Im Vergleich zum Entwurf des Bundesrates hat die Kommission mit 14 zu 11 Stimmen entschieden, die Übergangsfristen der neuen Regelung zu verkürzen, eine Minderheit möchte hier beim Entwurf des Bundesrats bleiben. Die Richtwerte und die Pflicht zur Berichterstattung sollen für den Verwaltungsrat drei Jahre und für die Geschäftsleitung fünf Jahre nach Inkrafttreten des neuen Rechts ihre Wirkung entfalten. Zudem hat die Kommission die Regelung zu den Geschlechterrichtwerten zeitlich beschränkt. Gemäss ihrem Vorschlag soll die neue Regelung zehn Jahre nach deren Inkrafttreten automatisch und ersatzlos aufgehoben werden. Während eine Minderheit höhere Richtwerte von 40 respektive 30 Prozent beantragt, möchte eine zweite Minderheit ganz auf Geschlechterrichtwerte verzichten.

Die verfassungsmässigen Vorgaben der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» wurden vom Bundesrat mit der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) bereits umgesetzt. Bei der Übernahme dieser Regelungen auf Gesetzesstufe hat die Kommission eine Lösung nahe am geltenden Recht und am Text der VegüV angestrebt.

Weitgehende Einigkeit bei der Umsetzung der Pädophilie-Initiative

Die Kommission schliesst sich in der Frage der Umsetzung der Pädophilie-Initiative (16.048) in den grossen Linien dem Ständerat an. Wie bereits der Ständerat ist auch die Kommission der Ansicht, dass das verfassungsrechtliche Tätigkeitsverbot von den Gerichten nicht direkt angewendet werden kann und einer Umsetzung durch den Gesetzgeber bedarf. Entsprechend wurde ein Nichteintretensantrag mit 22 zu 2 Stimmen klar abgelehnt. Die vom Ständerat eingeführte Vereinfachung der bundesrätlichen Vorlage, lediglich zwei statt drei Tätigkeitsverbote vorzusehen, wurde von der Kommission positiv aufgenommen. Umstritten war in der Kommission der Entscheid des Ständerrats, die Übertretungen und Antragsdelikte sowie die Pornographie zum Eigenkonsum aus dem Katalog der Anlasstaten zu streichen, die zwingend zu einem automatischen Tätigkeitsverbot führen sollen. In beiden Fällen entschied der Präsident mit Stichentscheid, hier dem Ständerat zu folgen. Eine Minderheit beantragt, hier dem Bundesrat zu folgen und auch diese Delikte als Anlasstaten festzuhalten, die zu einem Tätigkeitsverbot führen. Eine Minderheit ist zudem der Ansicht, dass im Gesetz keine Ausnahmebestimmung vorgesehen werden soll, welche es den Gerichten in besonders leichten Fällen ausnahmsweise erlaubt, von der Anordnung eines im konkreten Fall nicht erforderlichen Tätigkeitsverbots abzusehen. Mit 15 zu 8 Stimmen entschied die Kommission, sich auch hier dem Ständerat anzuschliessen und diese bereits vom Bundesrat beantragte Ausnahmebestimmung zuzulassen. Auch in der Frage einer allfälligen späteren Überprüfbarkeit der Tätigkeitsverbote schliesst sich die Kommission der strengeren Version des Ständerats an, der keine Überprüfung zulassen möchte bei automatisch ausgesprochenen, lebenslänglichen Tätigkeitsverboten. Eine Minderheit gewichtet hier das Verhältnismässigkeitsgebot höher und möchte, wie der Bundesrat, unter bestimmten Umständen auch hier eine Überprüfung zulassen.

Leugnung von Völkermord

Die Kommission hat der Initiative Nidegger 16.421 «Fall Perinçek gegen die Schweiz. Artikel 261bis StGB soll mit den Menschenrechten vereinbar sein» anlässlich der ersten Vorprüfung Folge gegeben. Nachdem ihre Schwesterkommission diesem Beschluss einstimmig keine Zustimmung erteilte, ist sie nun auf ihren Entscheid zurückgekommen und beantragt mit 15 zu 8 Stimmen der Initiative keine Folge zu geben. Eine Minderheit beantragt Folge zu geben. Die Initiative 16.421 sieht vor, die Leugnung des Völkermords im vierten Absatz der Antirassismus-Strafnorm (Artikel 261bis Absatz 4 Strafgesetzbuch (StGB)) entweder ganz zu streichen oder so zu präzisieren, dass der Völkermord von einem zuständigen internationalen Gerichtshof anerkannt werden muss. Die Kommission schliesst sich der Sichtweise ihrer Schwesterkommission an und kommt zum Schluss, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil Perinçek nicht die Kriminalisierung der Leugnung des Völkermords in Artikel 261bis Absatz 4 StGB als solches als Problem erachtet, sondern rügt, dass die Bestimmung im konkreten Fall vom Bundesgericht falsch angewendet wurde. Aus diesem Grund hält es die Kommission nicht für angezeigt, die Bestimmung grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Initiative wird nun vom Nationalrat behandelt.

GRECO: vierter Evaluationsbericht zur Schweiz

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat Kenntnis genommen vom Bericht der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) zur Prävention von Korruption bei Mitgliedern von Parlamenten, Gerichten und Staatsanwaltschaften. Nach der Präsentation des Berichts hat sie den Präsidenten des Bundesgerichtes Ulrich Meyer angehört und sich über die Position der Gerichtskommission (GK) ins Bild gesetzt. Wie die ständerätliche Schwesterkommission und die GK sieht die Kommissionsmehrheit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf in diesem Bereich: In ihren Augen trägt die Gerichtsorganisation den institutionellen Besonderheiten der Schweiz bestens Rechnung. Es gebe keinen Grund, ein bewährtes System zu ändern.

Weitere Geschäfte:

  • Die Kommission hat ohne Gegenstimme beschlossen, der parlamentarischen Initiative Nidegger 16.461 «EMRK, Strafregister, Restitutio in integrum» Folge zu geben. Sie ist der Ansicht, dass bei Artikel 122 Bundesgerichtsgesetz eine Lücke besteht.
  • Die Kommission hat mit je 21 Stimmen bei 2 Enthaltungen zwei Standesinitiativen des Kantons Basel-Landschaft abgelehnt. Mit den Initiativen sollte der Einsatz der elektronischen Fussfessel im Strafvollzug (electronic monitoring) ausgeweitet (15.315) und die Strafprozessordnung noch vor der vorgesehenen Revision geändert werden (15.324). Auch der Ständerat hat den beiden Standesinitiativen keine Folge gegeben.
  • Ausserdem hat die Kommission beschlossen, der parlamentarischen Initiative Addor (16.477) «Den Kampf gegen Schlepperbanden verstärken» mit 12 zu 11 Stimmen keine Folge zu gegeben. Die Initiative wollte die Strafverfolgung von schweren Straftaten, bei denen durch eine Vereinigung oder Gruppe die rechtswidrige Ein- und Ausreise sowie der rechtswidrige Aufenthalt gefördert wird, der Bundesgerichtsbarkeit unterstellen.

Die Kommission hat am 02./03. November 2017 unter dem Vorsitz von Nationalrat Jean Christophe Schwaab (SP, VD) in Bern getagt.