Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates empfiehlt, die Justizinitiative abzulehnen, und verzichtet darauf, dem Parlament einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. In ihren Augen hat sich das derzeitige System bewährt.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat sich mit der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur Justizinitiative (20.480 n pa. Iv. RK-N. Unabhängige und kompetente Richterinnen und Richter des Bundes) befasst. Dieser Gegenvorschlag war von ihrer ständerätlichen Schwesterkommission im vergangenen Dezember knapp angenommen worden. Zur Debatte standen verschiedene Massnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Bundesrichterinnen und Bundesrichter sowie zur Objektivierung des Rekrutierungsverfahrens: Bildung einer Fachkommission zur Unterstützung der Gerichtskommission (GK), stillschweigende Wiederwahl oder Wiederwahl durch die GK, Ermöglichung der Abberufung mit oder ohne Änderung der Amtsdauer und Abschaffung der Beiträge an politische Parteien. Die Kommission hat zunächst festgestellt, dass einige dieser Ideen nur über eine Verfassungsänderung und dementsprechend nicht über einen indirekten Gegenvorschlag umsetzbar sind. Nach eingehender Diskussion hat sie mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, dem Parlament keinen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass die vorgebrachten Ideen kaum eine Verbesserung gegenüber dem aktuellen und allgemein gut funktionierenden System bringen. Eine Minderheit ist hingegen der Auffassung, dass Verbesserungen auf Gesetzesebene möglich und wünschenswert sind. Sie beantragt dem Parlament deshalb, das Geschäft an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, einen indirekten Gegenvorschlag im Sinne der Initiative 20.480 auszuarbeiten. Zwei andere Minderheiten sprechen sich wiederum für einen direkten Gegenentwurf aus: Die eine möchte die Möglichkeit der Abberufung von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern in die Bundesverfassung aufnehmen, die andere zusätzlich noch eine Amtszeitbegrenzung vorsehen. Letztlich hat die Kommission ohne Gegenstimme (22 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen) beschlossen, dem Parlament die Ablehnung der Justizinitiative (20.061 n Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren. Volksinitiative) zu empfehlen.

Was die Beiträge an politische Parteien angeht, beschloss die Kommission mit 15 zu 10 Stimmen, die Beratung der von Nationalrat Beat Walti eingereichten Initiative 20.468 («Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit durch Verbot von Mandatssteuern und Parteispenden für Mitglieder der Gerichte des Bundes») aufzuschieben.

Sie möchte ihren Beschluss in Kenntnis des Ausgangs der Diskussionen über die Justizinitiative fällen, wenn bekannt ist, ob sich der Nationalrat allenfalls doch noch für einen indirekten Gegenentwurf ausspricht.

Beginn der Beratung zur Strafrahmenharmonisierung

Die Kommission hat die Beratung der Vorlage zur Strafharmonisierung aufgenommen (18.043). Der Ständerat hat die Vorlage in der Sommersession 2020 angenommen und dabei entschieden, die Artikel zum Sexualstrafrecht in einem separaten Entwurf zu beraten. Die Kommission ist nun einstimmig auf die Vorlage eingetreten.

Die Kommission hat es mit 16 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen. Eine Minderheit ist der Ansicht, dass die Vorlage im Rahmen einer Gesamtschau auch die Strafrahmen des Nebenstrafrechts (z.B. Strassenverkehrsgesetz oder Betäubungsmittelgesetz) berücksichtigen müsste, zumal diese Strafandrohungen im Alltag eine sehr bedeutende Rolle spielen. Die Kommission hat überdies im Grundsatz der vom Ständerat vorgenommenen Auslagerung des Sexualstrafrechts in einen separaten Entwurf bereits zugestimmt (18 zu 7 Stimmen). Sie wird die Detailberatung an ihrer nächsten Sitzung weiterführen.

Bundesanwaltschaft

Die Kommission hat sich mit mehreren Initiativen befasst, die nach dem Wirbel um die Wiederwahl und den späteren Rücktritt des Bundesanwalts eingereicht worden waren. Mit 10 zu 7 Stimmen bei 7 Enthaltungen hat sie der parlamentarischen Initiative 19.485 von Nationalrat Lüscher (n pa. Iv «Entpolitisierung der Wahl des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin») Folge gegeben. Ziel dieser Initiative ist es, den Zeitpunkt der Wahl des Bundesanwalts bzw. der Bundesanwältin so zu legen, dass diese 24 Monate nach der Parlamentswahl stattfindet. Mit 13 zu 12 Stimmen beantragt die Kommission hingegen, der Initiative 19.479 der SVP-Fraktion («Notwendige Reformen hinsichtlich der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft») keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit sieht zwar gesetzgeberischen Handlungsbedarf, erachtet den vorgeschlagenen Weg aber nicht für geeignet: In ihren Augen kann die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft nicht zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem Bundesgericht aufgeteilt werden. Eine Minderheit will dieser Initiative Folge geben. Zu guter Letzt lehnt die Kommission mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen das Anliegen der Initiative 20.485 ihrer ständerätlichen Schwesterkommission ab, die Altersschwelle für die Ämter der Bundesanwältin bzw. des Bundesanwalts und der Stellvertretenden Bundesanwältinnen bzw. Bundesanwälte auf 68 Jahre anzuheben (s pa. Iv. «Anpassung der Altersschwelle in der Bundesanwaltschaft»). In den Augen der Kommission sind diese Funktionen nicht vergleichbar mit jener der Bundesrichterin bzw. des Bundesrichters und sie sieht keinen objektiven Grund für die Einführung einer solchen Bestimmung. Das Geschäft geht nun zurück an die Kommission des Ständerates.

Lex Koller: Corona-Pandemie könnte Grundstückspreise gefährden

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, welche wirtschaftlich eine grosse Bedrohung für diverse Unternehmen darstellt, hat die Kommission mit 22 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen eine Kommissionsinitiative beschlossen (21.400). Diese möchte verhindern, dass ausländische finanzkräftige Privatpersonen oder Unternehmen die finanzielle Notlage schweizerischer Unternehmen ausnützen könnten und zu tiefen Preisen Betriebsliegenschaften von Unternehmen erwerben könnten. Dies soll durch eine befristete Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, Lex Koller) erreicht werden. Die Initiative bedarf noch der Zustimmung der Schwesterkommission.

Weitere Geschäfte:

  • Mit 15 zu 10 Stimmen beantragt die Kommission ihrem Rat die Ablehnung einer Standesinitiative des Kantons Tessin (18.306 s Kt. Iv. TI. Bekämpfung des Lohndumpings. Erweiterung des Begriffs der missbräuchlichen Kündigung). Diese Initiative forderte als Massnahme zur Bekämpfung des Lohndumpings eine Erweiterung der Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Obligationenrecht.
  • Die Kommission möchte, dass die privaten Bereiche von Hotels, Ferienunterkünften, Spitälern oder Gefängnissen von der Urheberrechtsabgabe für die Radio- und Fernsehnutzung befreit sind. Sie beantragt mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, der parlamentarischen Initiative 16.493 von Nationalrat Nantermod Folge zu geben.

Die Kommission tagte am 14./15. Januar unter dem Vorsitz von Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP, GE) in Bern.