Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates erachtet angesichts der vielen gesellschaftlichen Veränderungen, die zu einer Diversifizierung der traditionellen Familienmodelle geführt haben, eine Modernisierung des Familienrechts im weiteren Sinne für angebracht und hat deshalb zwei Geschäfte, die entsprechende Anpassungen verlangen, angenommen.

Die Kommission hat zunächst mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen dem Beschluss ihrer ständerätlichen Schwesterkommission zugestimmt, der parlamentarischen Initiative Caroni 22.448 («Einen Pacs für die Schweiz») Folge zu geben, welche die Schaffung von Rechtsgrundlagen für einen Pacs in der Schweiz verlangt. Dieser Pacs («Pacte civil de solidarité»), den es seit vielen Jahren in Frankreich – aber auch in den Kantonen Genf und Neuenburg – gibt, würde auf nationaler Ebene als «Konkubinat plus» ausgestaltet und Paaren einen klaren Rechtsrahmen und eine gewisse Vorhersehbarkeit bieten, ohne die gleichen Verpflichtungen mit sich zu bringen wie die Ehe. Die Initiative kommt nun in die zweite Phase, womit es Aufgabe der RK-S ist, in den nächsten zwei Jahren einen Erlassentwurf auszuarbeiten.

Die Kommission hat ausserdem mit 17 zu 8 Stimmen die Motion Caroni 22.3235 («Zeitgemässes Abstammungsrecht») angenommen, die verlangt, dass gewisse Aspekte des Abstammungsrechts angepasst werden an die Realität, die von vielen Familien gelebt wird. Entsprechend sollten in Sachen Harmonisierung der Anfechtung der Vaterschaft, Klärung der rechtlichen Stellung der an der Zeugung eines Kindes mittels Samenspende beteiligten Personen und in Sachen Recht auf Kenntnis der Abstammung und der Nachkommenschaft in den Augen der Kommission Anpassungen an die gesellschaftlichen Entwicklungen vorgenommen werden. Eine Kommissionsminderheit sieht keinen Handlungsbedarf und beantragt deshalb die Ablehnung der Motion.

Verbot von Nazisymbolen in der Öffentlichkeit

Die Kommission hält es für notwendig, stärker gegen die Verwendung und Verbreitung von Nazisymbolen vorzugehen. Aus diesem Grund schlägt sie vor, ein Spezialgesetz zu schaffen, auf dessen Grundlage Verstösse gegen dieses Verbot geahndet werden können und das Ordnungsbussenverfahren anwendbar ist. Sie hat daher mit 12 zu 11 Stimmen eine entsprechende Kommissionsinitiative (23.400) beschlossen. Aus denselben Gründen hat sie mit 12 zu 11 Stimmen entschieden, der parlamentarischen Initiative 21.524 («Verbot der öffentlichen Verwendung von extremistischen, gewaltverherrlichenden und rassistischen Symbolen») von Nationalrat Barrile Folge zu geben. Hingegen hat die Kommission mit 11 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, der parlamentarischen Initiative 21.525 («Öffentliche Verwendung und Verbreitung rassendiskriminierender Symbole in jedem Fall unter Strafe stellen») von Nationalrätin Suter, die dasselbe Anliegen verfolgt, aber eine Ergänzung des Strafgesetzbuches verlangt, keine Folge zu geben.

Kommission beantragt im Rahmen eines Mitberichts die Rückweisung des Zollgesetzes an den Bundesrat

Die Kommission hat im Rahmen eines Mitberichts an die WAK-N die Vorlage des Bundesrates zur Totalrevision des Zollgesetzes (22.058) behandelt. Nach einer allgemeinen Aussprache mit der Verwaltung und dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten kommt sie zum Schluss, dass die Vorlage in der vorliegenden Fassung nicht behandlungsreif ist. Deshalb beantragt sie der WAK-N mit 18 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat und diese zu überarbeiten. Dabei sollen der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen den Zoll- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone mehr Beachtung geschenkt, Ermittlungstätigkeiten kontrolliert und mit den Kantonen koordiniert sowie die Bestimmungen zur Datenbearbeitung klarer formuliert werden. Ausserdem zeigt sich die Kommission kritisch gegenüber der in der Vorlage enthaltenen Grundrechtseigriffe sowie gegenüber den Bestimmungen, die vom Zwangsanwendungsgesetz abweichen. Die Kommission wird ihren Mitbericht an die WAK auch der SIK zur Verfügung stellen. Somit kann die WAK-N in Kenntnis sämtlicher Berichte die Beratung des Geschäfts im nächsten Quartal fortführen.

Digitalisierung des Notariats

Die Kommission ist mit 17 zu 7 Stimmen auf die Vorlage zur Digitalisierung im Notariatsbereich (21.083) eingetreten. Das neue Gesetz, das der Ständerat in der Wintersession verabschiedet hat, sieht vor, dass das Original der öffentlichen Urkunde künftig in elektronischer Form erstellt werden darf und in einem zentralen elektronischen Urkundenregister aufbewahrt wird. Die Minderheit weist darauf hin, dass der Notariatsbereich in die Zuständigkeit der Kantone fällt, und beantragt dem Rat deshalb, nicht auf die Vorlage einzutreten, um dem Förderalismus nicht Abbruch zu tun. Die Kommission wird die Detailberatung der Vorlage an ihrer nächsten Sitzung fortsetzen.

Kommission hält in Sachen internationales Erbrecht an ihrer Position fest

Der Ständerat nahm in der Wintersession 2022 als Zweitrat eine Vielzahl von Änderungen am Entwurf zur Revision der erbrechtlichen Bestimmungen im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vor (20.034). Ziel der Bundesratsvorlage war es, die Parteiautonomie zu erhöhen und das Risiko von Zuständigkeitskonflikten mit ausländischen Behörden zu verringern. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Änderungen des Ständerates nicht im Einklang mit dem Ziel der Vorlage stehen und hat deshalb beschlossen, an ihrer ursprünglichen Position festzuhalten und alle nicht redaktionellen Änderungen abzulehnen.

Weitere Geschäfte:

  • Die Kommission hat der parlamentarischen Initiative Zopfi 21.464 («Anpassung von Artikel 276 StGB und Artikel 98 MstG an die heutige Realität zur Stärkung der Meinungsäusserungsfreiheit») mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung mit Stichentscheid der Präsidentin Folge gegeben. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates erhält somit den Auftrag innert zwei Jahren eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.
  • Die Kommission hat entschieden, dass sie im nächsten Quartal den Bericht des Bundesrates vom 21. Dezember 2022 zur Einführung eines dritten Geschlechts oder zu einem Verzicht der Geschlechtseintragung im Personenstandsregister traktandieren und dazu Anhörungen durchführen wird.
  • Sie hat überdies entschieden, dass sie an einer ihrer nächsten Sitzungen die Frage der Auswirkung des Gesetzesvorschlags der EU-Kommission zur Chatkontrolle auf die Schweiz thematisieren und dazu den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten anhören wird.

Die Kommission tagte am 12./13. Januar 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Christa Markwalder (FDP, BE) in Bern.