Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat sich von der Verwaltung zu den Überlegungen informieren lassen, die den Bundesrat zu seinen Entscheiden zur Unterstützung der Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS geführt hat.

Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat von einer grossen zeitlichen und sachlichen Dringlichkeit ausgegangen und zur Auffassung gelangt ist, dass ein Nichthandeln für die Schweiz einen grossen Schaden bewirkt hätte. Der Bundesrat hat mit den getroffenen Massnahmen, die auf verfassungsunmittelbarem Verordnungsrecht («Notrecht») beruhen, entschlossen gehandelt und damit die Voraussetzungen für eine Stabilisierung des Finanzplatzes Schweiz geschaffen. Für sie ist es zentral, dass die getroffenen Entscheide jetzt zunächst vollzogen werden können, damit die beabsichtigte Stabilisierung auch nachhaltig eintreten kann.

Die Kommission ist der Ansicht, dass das Parlament im Rahmen seiner politischen Oberaufsicht die Ereignisse und ihre Vorgeschichte untersuchen muss. Sie erwartet, dass sich die Geschäftsprüfungskommissionen der Räte diesem Thema annehmen werden und ist bereit, nötige Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen zu ziehen. Mit einem Postulat (23.3439) möchte die Kommission den Bundesrat jedoch auch damit beauftragen, eine rechtliche Auslegeordnung vorzunehmen, um mögliche Verantwortlichkeiten von früheren und aktiven Führungsorganen der CS aus Sicht des Staates und von Privaten für den vorliegenden Fall zu prüfen. Mit einem weiteren Postulat (23.3438) wird der Bundesrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen und Grenzen des Notrechts in einem Bericht aufzuzeigen und den Einbezug des Parlaments in Krisensituationen zu prüfen.

Zudem hat die Kommission ein Postulat (23.3440) eingereicht, welches den Bundesrat beauftragt, die praktische Anwendbarkeit, die Wirksamkeit und die Sinnhaftigkeit der too-big-to-fail Gesetzgebung für internationale Grossbanken zu untersuchen.

Die Kommission wird dem Büro beantragen, die von ihr verabschiedeten Postulate auf die Tagesordnung der ausserordentlichen Session vom 11.-13. April 2023 zu setzen.

Nachhaltige Unternehmensführung

Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat an seiner Aussprache vom 2. Dezember 2022 bestätigt hat, dass er bei der nachhaltigen Unternehmensführung zum Schutz von Mensch und Umwelt auch künftig eine international abgestimmte Regelung will (siehe Medienmitteilung des Bundesrats vom 2. Dezember 2022). Die Aussprache erfolgte vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der EU. Im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung hat die EU die bestehende Richtlinie revidiert und Ende November 2022 verabschiedet. Die Richtlinie der EU über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen soll voraussichtlich bis Ende 2023 verabschiedet werden. Der Entwurf sieht vor, dass grosse EU-Unternehmen als auch in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten von neuen weitgehenden Sorgfaltspflichten im Bereich Menschrechte und Umwelt erfasst sind. Der Bericht «Entwürfe Nachhaltigkeitspflichten EU und geltendes Recht Schweiz» des EJPD vom 23. Februar 2022 zeigt auf, dass aufgrund der grossen Unterschiede zwischen der geltenden Schweizer Regelung und den beschlossenen bzw. geplanten EU-Regulierungen ein Anpassungsbedarf der Schweizer Regelung besteht. Die Kommission erachtet es als sinnvoll, die nötigen Anpassungen umfassend anzugehen. Vor dem Hintergrund, dass der Bundesrat für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung bis spätestens Juli 2024 eine Vernehmlassungsvorlage und bezüglich der Sorgfaltspflichten bis Ende 2023 eine vertiefte Analyse der Auswirkungen der künftigen EU-Richtlinie in Aussicht gestellt hat, hat die Kommission mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, ihre Arbeiten zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Gredig 21.427 «Bekämpfung von Zwangsarbeit durch die Ausweitung der Sorgfaltspflicht» bis auf Weiteres zu sistieren. Die Kommission hat sich dafür ausgesprochen die Petition 22.2039 «Koalition für Konzernverantwortung. Für ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz» im Rahmen der parlamentarischen Initiative Gredig 21.427 zu behandeln. Von der Petition 22.2023 «Public Eye. Wir wollen Kleider, die nichts zu verbergen haben» hat die Kommission ohne weitere Folge Kenntnis genommen.

Sexualstrafrecht (18.043, E. 3): Kommission befürwortet ständerätlichen Kompromiss

Die Kommission schliesst sich mit 14 zu 2 Stimmen bei 9 Enthaltungen der ständerätlichen Formulierung beim Tatbestand des sexuellen Übergriffs und der Vergewaltigung an, welche das Freezing ausdrücklich erwähnt und sie begrüsst die neue Möglichkeit, Täter zu Präventions- und Lernprogrammen zu verpflichten. Auch in der Frage des Strafmasses beantragt sie mit 13 zu 11 Stimmen ihrem Rat, sich dem Ständerat anzuschliessen und für die Vergewaltigung mit Nötigung eine einjährige Mindeststrafe vorzusehen. Sie beantragt ihrem Rat mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung, sich auch in der Frage des Verjährungsalters von Opfern von sexuellen Übergriffen dem Ständerat anzuschliessen und dieses bei 12 Jahren zu belassen. Sie hält jedoch mit 23 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung daran fest, dass zukünftig auch das Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Kindern (sog. «Cybergrooming») bestraft werden sollte. Die Vorlage wird voraussichtlich in der Sommersession bereinigt werden.

Weitere Geschäfte:

  • Die Kommission hat zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (22.075) das Initiativkomitee sowie eine Vertretung der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) angehört. Die Initiative verlangt, dass Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit einer Person deren Zustimmung bedürfen und dass eine Verweigerung der Zustimmung weder bestraft werden noch soziale oder berufliche Nachteile mit sich bringen darf. Die Kommission wird die Beratung der Volksinitiative an ihrer nächsten Sitzung aufnehmen.
  • Die Kommission beantragt einstimmig, die Motion 22.4254 ihrer Schwesterkommission anzunehmen, die eine Revision des Mobiliarsicherungsrechts bezweckt.
  • Die Kommission hat Anhörungen zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (23.022) durchgeführt. Sie wird an ihrer nächsten Sitzung über das Eintreten befinden.
  • Die Kommission beantragt, den parlamentarischen Initiativen Dandrès 22.459 «Energiefragen und Konsultation von Mieterinnen und Mietern» (16/5/4) und Dandrès 22.462 «Missbräuchliche Mietzinse und steigende Heizkosten. Die Vermieterinnen und Vermieter dürfen nicht überall gewinnen!» (15/5/4) keine Folge zu geben. Eine Minderheit beantragt, den beiden parlamentarischen Initiativen Folge zu geben.

Die Kommission tagte am 23./24. März 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Christa Markwalder (FDP, BE) in Bern.