In der Schweiz sollen wissenschaftliche Studien zur regulierten Abgabe von Cannabis ermöglicht, aber keine Legalisierung in Angriff genommen werden. In diesem Sinne hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) über Vorstösse entschieden. Zudem reichte sie eine Motion ein, um den medizinischen Einsatz von Cannabis zu erleichtern.

​Mit 12 zu 11 Stimmen beantragt die Kommission ihrem Rat, der Mo. Ständerat (Zanetti Roberto). Experimentierartikel als Grundlage für Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe (17.4210 s) zuzustimmen. Die Mehrheit der Kommission verspricht sich davon wertvolle Impulse für die Bewältigung der Probleme im Umgang mit Cannabis. Eine starke Minderheit beantragt, die Motion abzulehnen, weil sie in diesen Bestrebungen eine Liberalisierung des Cannabiskonsums durch die Hintertüre sieht.

Mit 14 zu 11 Stimmen beantragt die Kommission hingegen, der pa.Iv. der Grünen Fraktion Bundesgesetz zur Hanfregulierung (neues Schweizer Hanfgesetz) (17.440 n) keine Folge zu geben. Die Mehrheit der Kommission betont, dass Hanf keine harmlose Droge sei und bisher sämtliche Versuche für eine Legalisierung vor dem Volk gescheitert seien. Der Support für ein Hanfgesetz hätte eine fatale Signalwirkung und würde die Präventionsarbeit torpedieren. Es gelte, Erkenntnisse aus den gestützt auf den vorgesehenen Experimentierartikel gemachten Studien abzuwarten. Die Kommissionsminderheit hingegen hält die Zeit für reif, um den Prozess für eine gezielte Regulierung anzustossen. Sie ist der Ansicht, dass auf diesem Weg der Jugendschutz am besten gewährleistet und der Schwarzmarkt am wirkungsvollsten bekämpft werden könne.

Rasch erleichtern möchte die Kommission den medizinischen Einsatz von Cannabis. Mit 21 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen beschloss sie eine Kommissionsmotion Ärztliche Abgabe von Cannabis als Medikament an chronisch Kranke. Tiefere Gesundheitskosten und weniger Bürokratie. Als Folge davon wurde die gleichlautende Pa.Iv. Ammann 17.439 zurückgezogen.

Mindestalter 30 für IV-Rente nicht weiterverfolgt

Die Kommission führte die Detailberatung über die Weiterentwicklung der IV (17.022 n) weiter. Eingehend diskutierte sie über den Vorschlag, Menschen unter 30 Jahren grundsätzlich keine Rente der Invalidenversicherung (IV) zu gewähren mit dem Ziel, die Anreize zu verstärken, damit sich diese Menschen intensiv um eine berufliche Eingliederung bemühen; dabei sollten Ausnahmen bei bestimmten Geburtsgebrechen, Unfall- oder Krankheitsfolgen möglich sein. Wenn junge Menschen zu früh eine Rente erhielten, richte dies grossen menschlichen und volkswirtschaftlichen Schaden an, wurde argumentiert. Die Gegenseite räumte ein, dass eine Minderheit von jungen psychisch Kranken gemäss einer Studie zu schnell eine Rente erhalten habe. Deshalb müsse der Grundsatz «Eingliederung vor Rente» von allen Beteiligten mit Engagement und genügend Ressourcen umgesetzt werden; es gebe aber psychisch Kranke, die beim besten Willen nicht erwerbsfähig und damit auf eine Rente angewiesen seien, wenn sie nicht sozialhilfeabhängig werden sollten. Die Einführung eines Mindestalters würde zudem neue Probleme schaffen, so etwa bei der Definition der zulässigen Ausnahmen. Mit 16 zu 9 Stimmen lehnte es die Kommission schliesslich ab, den Vorschlag «keine Rente unter 30» in dieser Form von der Verwaltung konkretisieren zu lassen. Offen blieb jedoch, ob er als Teil eines umfassenderen Konzepts, zu dem auch intensivere Eingliederungsmassnahmen gehören würden, wieder auf den Tisch kommt.

Mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, dass die IV Reisekosten weiterhin nach den bisher geltenden Regeln vergütet. Die Minderheit wollte bei den Reisekosten sparen, so wie dies ursprünglich in der IV-Revision 6b diskutiert worden war (Art. 51). Die Mehrheit wies jedoch darauf hin, dass eine solche Sparmassnahme Familien mit behinderten Kindern treffen würde, die ohnehin schon stark belastet seien. Zudem liessen sich lediglich 6 Millionen Franken einsparen, und nicht wie ursprünglich erwartet 20 Millionen Franken. Mit 14 zu 4 Stimmen bei 5 Enthaltungen möchte die Kommission schliesslich sicherstellen, dass die IV auch die Behandlung von Geburtsgebrechen finanziert, die zu den seltenen Krankheiten gehören und bei denen die therapeutische Wirksamkeit deshalb noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden kann (Art. 14 Abs. 2).

Auslegordnung zur Problematik der Sans-Papiers

Die Kommission unterstützt einstimmig das Postulat Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers der Staatspolitischen Kommission (18.3381 n), welches eine Auslegeordnung der aktuellen Situation und Lösungsvorschläge zu den aufgeworfenen Fragen liefern soll. Im Gegenzug hat die SGK-NR mit 14 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, ihre Motion (18.3005 n) zurückzuziehen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission hat über die Abkommen mit Serbien und mit Montenegro über soziale Sicherheit (18.021 n) beraten. Sie beantragt mit 13 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung die Annahme der Abkommen. Eine Minderheit beantragt Nichteintreten. Eine weitere Minderheit
möchte die Abkommen dem fakultativen Referendum unterstellen.

Die Kommission hat einstimmig eine Kommissionsmotion auf der Grundlage der zurückgezogenen Pa.Iv. Humbel. Sinnvolle Patientensteuerungsprogramme im KVG ermöglichen (17.441 n) beschlossen. Insbesondere sollen nichtärztliche Koordinations- und Beratungsleistungen über die Grundversicherung abgerechnet werden können.

Die SGK-NR hat eine Kommissionsmotion auf der Grundlage der zurückgezogenen Pa.Iv. Hess Lorenz. Faire Referenztarife für eine schweizweit freie Spitalwahl (17.450 n) beschlossen (22 zu 0 Stimmen, 2 Enthaltungen). Die aktuelle Formulierung in Art. 41 KVG liesse Raum für missbräuchliche Referenztarife bei der Vergütung von ausserkantonalen Spitalbehandlungen.

Mit 10 zu 5 Stimmen bei 8 Enthaltungen gibt die Kommission der Pa.Iv. Lohr. Beschwerderecht der Krankenversicherer gegen Entscheide des BAG betreffend Spezialitätenliste (17.453 n) Folge.

Mit 15 zu 7 Stimmen beantragt die Kommission, die Mo. Ständerat (SGK-SR). Tarifpartner sollen Tarife von Laboranalysen aushandeln (17.3969 s) anzunehmen.

Die Kommission tagte am 16., 17. und 18. Mai 2018 in Bern unter Leitung von Thomas de Courten (SVP, BL) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset.