Zum Auftakt der Beratung der Differenzen zum zweiten Kostendämpfungspaket war in der Kommission unbestritten, dass Behandlungen in einer besseren Qualität und effizienter erbracht werden, wenn sich die Leistungserbringer untereinander koordinieren. Die Mehrheit der Kommission sieht aber weiterhin keinen Mehrwert darin, einen neuen Leistungserbringer in Form von Netzwerken zur koordinierten Versorgung einzuführen.

Bereits eine Woche nach der Debatte im Ständerat hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) die Beratungen der Differenzen zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (22.062) aufgenommen. Sie beantragt ihrem Rat mit 14 zu 10 Stimmen, an seinem Beschluss festzuhalten und die zentrale Massnahme der Netzwerke zur koordinierten Versorgung aus der Vorlage zu streichen. Heute existierten bereits funktionierende, attraktive Angebote. Die vom Ständerat vorgesehenen detaillierten Vorgaben würden dazu führen, dass dieser neue Leistungserbringer nicht wie erhofft in Anspruch genommen werde. Deshalb bezweifelt die Kommissionsmehrheit, dass das geschätzte Einsparungspotenzial realisiert werden kann. Eine Minderheit will hingegen unterschiedlichen Fachpersonen wie Ärztinnen, Physiotherapeuten oder Pflegefachpersonen ermöglichen, sich in einem Leistungserbringer zusammenzuschliessen. Mit dem zusätzlichen Anreiz einer reduzierten Kostenbeteiligung könnten zudem auch chronisch kranke oder ältere Versicherte erreicht werden.

Dagegen schliesst sich die Kommission grundsätzlich dem Beschluss des Ständerates an, wonach Krankenkassen die Daten der Versicherten nutzen können sollen, um sie gezielt über kostengünstigere Leistungen, geeignete Versicherungsformen oder präventive Massnahmen zu informieren. Mit 12 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt sie, dass die Krankenkassen diesbezüglich auch Leistungserbringer informieren können. Eine Minderheit will dem Ständerat folgen.

Bei den bisher beratenen Massnahmen im Bereich der Arzneimittel folgt die Kommission den Beschlüssen des Ständerates – mit einer gewichtigen Ausnahme: Mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid der Präsidentin beantragt sie dem Nationalrat, die Bestimmungen zu vertraulichen Preismodellen zu streichen. Entgegen dem Ständerat lehnt sie es ab, dass gewisse Informationen zu den Rückerstattungen in den Preismodellen vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen werden können. Zuvor hatte sie sich mit 17 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung für die vom Ständerat beschlossene Kann-Formulierung ausgesprochen. Eine Minderheit beantragt, dem Ständerat zu folgen. Generell unterstützt die Kommission, dass Preismodelle bei Arzneimitteln ausnahmsweise – und nicht nur auf Antrag der Zulassungsinhaberin – umgesetzt werden können. Sie schliesst sich damit einstimmig dem Beschluss des Ständerats an. Zu Preismodellen bei Mitteln und Gegenständen, die ebenfalls im Paket vorgesehen sind, hat sie die Verwaltung mit weiteren Abklärungen beauftragt.

Die Kommission hat ebenfalls die Anpassungen des Ständerates am Modell der vorläufigen Vergütung von innovativen Medikamenten gutgeheissen. Mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid der Präsidentin hat sie es abgelehnt, diese vorläufige Vergütung auf alle Medikamente auszudehnen, die in einem der beschleunigten Verfahren von Swissmedic begutachtet werden, und zudem auf den Einbezug der zuständigen Kommission zu verzichten. Das Konzept des Nationalrates, der diese Massnahme dem Paket hinzugefügt hatte, fand mit 16 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung keine Mehrheit mehr. Schliesslich befürwortet die Kommission mit 18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung die von Ständerat und Bundesrat vorgeschlagene umfassende differenzierte WZW-Prüfung. Minderheiten werden diese Beschlüsse im Rat erneut zur Debatte stellen.

Für die weiteren Beratungen an der nächsten Sitzung hat die Kommission die Verwaltung mit ausführlichen Abklärungen zu den vom Ständerat neu hinzugefügten Mengenrabatten bei umsatzstarken Arzneimitteln beauftragt. Punktuellen Klärungsbedarf hat die Kommission auch beim Beschluss des Ständerates zu den Leistungen der Hebammen verortet.

Mehr Rechtssicherheit und bessere Absicherung für Selbstständige

Die Kommission hat ihre Vernehmlassungsvorlage zur pa. Iv. Grossen Jürg. Selbstständigkeit ermöglichen, Parteiwillen berücksichtigen (18.455) finalisiert. Sie hatte bereits an ihrer Sitzung vom 11./12. April 2024 beschlossen, die Kriterien für die Unterscheidung zwischen selbstständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit auf Gesetzesebene festzuschreiben, um so mehr Rechtssicherheit für Betroffene zu schaffen. Zudem möchte sie es Vertragspartnern von Selbstständigerwerbenden ermöglichen, die Anmeldung und eine Zahlstellenfunktion für die Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen. Die Kommission wird voraussichtlich im Juli die Vernehmlassung zur Vorlage eröffnen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission beantragt ohne Gegenantrag, der vom Ständerat beschlossenen Textänderung bei der Mo. Dobler. Medikamentenpreise. Vereinfachte Regeln für Medikamente in Spitälern, um Kosten zu senken (23.4183) zuzustimmen. Damit soll bei Medikamenten, welche ausschliesslich von Medizinalpersonen verabreicht werden, auf eine Packungsbeilage verzichtet werden können.

Mit 22 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission ein Postulat zur Klärung der Kompetenzen in der Gesundheitspolitik (24.3809) eingereicht. Sie möchte damit die Grundlagen für eine bessere Koordination zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden im Gesundheitswesen schaffen. Vorgängig liess sich die Kommission von einer Vertretung der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) über deren kürzlich publizierten Vorschlag für einen neuen Verfassungsartikel und ein Bundesgesetz über die Gesundheit informieren.

Ohne Gegenantrag beantragt die Kommission weiter, der Kt. Iv. GE. Versicherungsprämien an Gesundheitskosten koppeln (22.321) keine Folge zu geben. Sie verweist dabei auf die inzwischen verabschiedete Vorlage zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS), welche den über die Prämien der Grundversicherung bezahlten Anteil der Gesundheitskosten künftig konstant halten soll.

Die Kommission beantragt mit 17 zu 8 Stimmen, der pa. Iv. Buffat. KVG. Der Erhöhung der Tarife den Riegel vorschieben, die Kostenexplosion bremsen, die Bevölkerung beschützen (23.437) keine Folge zu geben, da sie der Ansicht ist, dass ein Einfrieren der Tarife und Preise in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht den gewünschten Effekt auf die Gesundheitskosten haben würde. Die Kosten müssten durch gezielte Massnahmen eingedämmt werden.

Die Kommission hat einstimmig beschlossen, die Behandlung der pa. Iv. Amaudruz. Beseitigung der Diskriminierung von verheirateten Paaren bei den AHV-Renten (24.407) im Frühjahr 2025 wieder aufzunehmen. Sie möchte die Ergebnisse des Berichtes in Erfüllung des Po. Fraktion RL. Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge? (21.4430) sowie die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative der Mitte «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare» abwarten. Die Botschaft muss bis Ende März 2025 vorliegen, sofern der Bundesrat keinen indirekten Gegenvorschlag ausarbeitet.

Die Kommission beantragt mit 14 zu 11 Stimmen, der pa. Iv. Amaudruz. Ersatz des Konzepts des Rentenalters durch jenes der Anzahl Beitragsjahre. Ein geeigneter Schritt hin zu einem sozial gerechteren Rentensystem (24.408) keine Folge zu geben. Zwar ist die Kommission ebenfalls um eine gerechte Lösung bemüht, mit der die Finanzierung der AHV sichergestellt werden kann, allerdings ist sie der Ansicht, dass die Umsetzung des vorgeschlagenen Modells komplex wäre. Sie verweist zudem auf die laufenden Arbeiten in Erfüllung des Po. (Humbel) Rechsteiner Thomas. Lebensarbeitszeit in der AHV (22.4430).

Die Kommission beantragt ohne Gegenantrag, der Kt. Iv. FR. Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs bei längerem Spitalaufenthalt der Mutter (23.311) keine Folge zu geben, weil das Anliegen anderweitig aufgenommen worden ist und die Arbeiten zu dessen Umsetzung bereits laufen.

Mit 18 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat die Kommission beschlossen, den Bundesrat in einem Schreiben aufzufordern, einen runden Tisch zu den überhöhten Preisen bei Medizintechnik-Produkten durchzuführen. Zusammen mit allen relevanten Interessengruppen sollen Lösungsansätze diskutiert werden. Namentlich sollen digitale Handelsplattformen und weitere Initiativen im Bereich der Digitalisierung genutzt werden, um die Transparenz zu erhöhen und so den Wettbewerb zu fördern. Weiter regt die Kommission an, Lösungen zur Beseitigung potenzieller Interessenskonflikte zwischen Forschung und Spitälern zu diskutieren.

Die Kommission hat sich über die Anpassungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), die Anfang Juni an der Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen wurden, und über die Verhandlungen zum WHO-Pandemievertrag informieren lassen. Sie wird diese Arbeiten weiter eng verfolgen und unterstützt die Forderungen nach transparenten und demokratischen Prozessen, insbesondere bei potenziell bindenden Beschlüssen, ist aber der Ansicht, dass derzeit kein weiterer Handlungsbedarf besteht. Sie beantragt deshalb, den Petitionen 24.2006 und 24.2012 keine Folge zu geben.

Die Kommission tagte am 20. und 21. Juni 2024 in Bern unter der Leitung von Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.