Wie bereits der Ständerat ist auch die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates der Ansicht, dass auf Verfassungsstufe kein Verhüllungsverbot vorgesehen werden soll. Sie erachtet mit einer knappen Mehrheit auch Präzisierungen auf Gesetzesstufe als nicht notwendig und spricht sich gegen einen indirekten Gegenentwurf aus.

​Ein Verhüllungsverbot auf Verfassungsstufe scheint es auch im Nationalrat schwer zu haben: Die vorberatende Kommission beantragt mit 13 zu 9 Stimmen und 3 Enthaltungen ihrem Rat, Volk und Ständen die Volksinitiative für ein Verhüllungsverbot zur Ablehnung zu empfehlen. Auch das vom Ständerat als indirekter Gegenentwurf beschlossene Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung fand in der Gesamtabstimmung keine Mehrheit (19.023 s Ja zum Verhüllungsverbot. Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag). Die Kommission sprach sich in der Gesamtabstimmung mit 13 zu 12 Stimmen gegen diesen indirekten Gegenentwurf aus, nachdem sie ihn in der Detailberatung mit verschiedenen Gesetzesänderungen betreffend die Besserstellung der Frauen ergänzt hatte. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass der Mehrwert des Gegenentwurfs gering ist, weil er weitgehend Selbstverständliches regelt. Für die Minderheit hätte ein mit gleichstellungspolitischen Forderungen ergänzter Gegenentwurf gezeigt, dass Probleme, welche die Volksinitiative in gleichstellungspolitischer Perspektive aufzeigt, ernst genommen werden.

Mit 14 zu 10 Stimmen ebenfalls keine Mehrheit fand ein Antrag für einen direkten Gegenentwurf mit gleichstellungspolitischen Forderungen, wonach Frauen insbesondere in Ehe und Familie hätten geschützt werden sollen. Nach Ansicht der Kommission sind diese Forderungen nicht geeignet, um sie in einer Volksabstimmung direkt den Bestimmungen für ein Verhüllungsverbot gegenüber zu stellen. Der sachliche Zusammenhang ist hier zu wenig gegeben.

Die Kommission wird nun in einem ersten Schritt ihren Antrag zum indirekten Gegenentwurf dem Rat unterbreiten, damit dieser zwischen den Räten bereinigt werden kann.

Kommission will konstruktives Referendum als neues Volksrecht einführen

Mit 15 zu 10 Stimmen nimmt die Kommission ein alte Idee für die Ergänzung des Instrumentariums der Volksrechte wieder auf, indem sie einer parlamentarischen Initiative Folge gibt, welche ein konstruktives Referendum auf Bundesebene einführen will (18.446 n Pa.Iv. Wermuth. Mehr Demokratie. Konstruktives Referendum). Danach sollen 50'000 Stimmberechtigte oder acht Kantone zusammen mit einem Referendum zu einem Gesetz oder einem Bundesbeschluss einen Gegenvorschlag einbringen können. Die Kommission sieht darin eine Möglichkeit, den politischen Entscheidungsprozess zu deblockieren und zu beschleunigen: Die Stimmberechtigten können mit dem neuen Instrument ihre Meinung differenziert zum Ausdruck bringen, wenn sie einen Teil einer Vorlage begrüssen, einen anderen Teil aber ablehnen. Unheilige Allianzen bei Volksabstimmungen könnten dadurch vermieden werden. Die Minderheit erachtet dieses Instrument als in der Anwendung zu kompliziert. Ihrer Ansicht nach ist es Aufgabe des Parlamentes und nicht der Stimmbevölkerung, Kompromisse zu suchen.

E-Voting: Weiterführung der Versuchsbetriebe ohne zusätzlich Auflagen

Die Kommission begrüsst den vom Bundesrat am 27. Juni 2019 gefällten Entscheid, wonach E-Voting vorläufig nicht als ordentlicher Stimmkanal eingeführt werden soll. Versuchsbetriebe in den Kantonen sollen aber weiterhin möglich sein, ohne dass der Gesetzgeber zusätzliche Auflagen macht. Die Kommission hat sich deshalb mit 13 zu 4 Stimmen und 7 Enthaltungen gegen eine parlamentarische Initiative von Ständerat Damian Müller (LU) ausgesprochen, welcher die SPK des Ständerates zugestimmt hatte (18.427 s Pa.Iv. Ja zu E-Voting, aber Sicherheit kommt vor Tempo). Mit dem Verzicht auf die Einführung des E-Votings als ordentlicher Stimmkanal hat der Bundesrat gezeigt, dass auch er für Sicherheit vor Tempo einsteht. Eine Einstellung der Versuchsbetriebe, wie dies eine weitere parlamentarische Initiative fordert (18.468 Pa.Iv. Zanetti Claudio. Marschhalt beim E-Voting) erachtet die Kommission nicht als sinnvoll, können doch gerade mit den Versuchen Erfahrungen gesammelt werden. Die Kommission spricht sich mit 13 zu 11 Stimmen gegen diese Initiative aus.

Zugang von Lobbyistinnen und Lobbyisten in das Parlamentsgebäude: Kommission nach wie vor gegen Regelung

Am 9. September 2019 hatte sich der Ständerat ein zweites Mal für eine Vorlage ausgesprochen, welche mehr Transparenz bezüglich Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Parlamentsgebäude verlangt (15.438 s Pa.Iv. Berberat. Eine Regelung für transparentes Lobbying im eidgenössischen Parlament). Mit 12 zu 11 Stimmen spricht sich die SPK des Nationalrates jedoch ein zweites Mal gegen Eintreten auf diese Vorlage aus. Nach Ansicht der Kommission bringt die Vorlage nur viel Bürokratie und kaum einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Mitglieder des Parlamentes.

Festhalten am Verordnungsveto

Auch wenn der Ständerat sich am 25. September 2019 deutlich gegen die Einführung eines parlamentarischen Vetorechts gegenüber Verordnungen des Bundesrates ausgesprochen hatte, will die SPK des Nationalrates mit 16 zu 7 Stimmen an ihrer Vorlage festhalten. Die Bundesversammlung braucht ein Instrument, um zielgerichtet auf die Verordnungsgebung des Bundesrates einwirken zu können.

Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder soll abgeschafft werden

In Umsetzung einer parlamentarischen Initiative unterbreitet die Kommission dem Rat mit 14 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen eine Vorlage für die Abschaffung der an Mitglieder der Bundesversammlung ausgerichteten Überbrückungshilfe (16.460 n Pa.Iv. Rickli Natalie. Abschaffung der Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder). Diese Überbrückungshilfe wurde bisher an Ratsmitglieder ausbezahlt, wenn sie nach Ausscheiden aus dem Parlament keinen gleichwertigen Ersatz für das Einkommen als Ratsmitglied erzielen konnten oder wenn sie bedürftig waren. Die Kommission erachtet die Notwendigkeit für diese Überbrückungshilfe als nicht mehr gegeben, da nicht wieder gewählte Ratsmitglieder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchen können. Eine Minderheit schlägt vor, die Überbrückungshilfe für abgewählte Ratsmitglieder beizubehalten, da sich diese anders als nichtwiederkandidierende Ratsmitglieder nicht auf eine Tätigkeit nach der Parlamentsarbeit vorbereiten konnten. Eine weitere Minderheit beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten. Zum Bericht und Erlassentwurf der Kommission.

Die Kommission tagte am 10./11. Oktober 2019 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Nationalrat Kurt Fluri (FDP/SO) in Solothurn.