Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates hat das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (21.047) in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen, das Gesetz kann somit in der Frühjahrssession im Nationalrat beraten werden. Die Kommission hat die Rahmenbedingungen für die 15 im Rahmen des «runden Tisches» priorisierten Wasserkraft-Projekte definiert, mit dem Ziel, deren schnellstmögliche Umsetzung zu sichern. Eine Planungspflicht soll nur für Vorhaben an einem neuen Standort gelten, und auch dann beschränkt sich diese Pflicht auf den Richtplan. Der Bedarf an den Vorhaben und ihre Standortgebundenheit werden von Gesetzes wegen bejaht, und das Interesse an ihrer Realisierung geht anderen Interessen von nationaler Bedeutung grundsätzlich vor. Damit erhalten diese Projekte ein besonderes Gewicht, eine Interessenabwägung bleibt jedoch möglich. Im Gegenzug sollen zusätzliche Ausgleichsmassnahmen zum Schutz von Landschaft und Biodiversität vorgesehen werden. Auch bei Solar- und Windenergieanlagen im nationalen Interesse sollen Bedarf, Standortgebundenheit und überwiegendes Interesse bejaht werden. Die entsprechenden Beschlüsse wurden einstimmig gefällt, mit einer Ausnahme: Eine Minderheit verlangt, dass das Interesse an der Realisierung dieser Wasserkraft-Projekte den gleichen Rang hat wie andere nationale Interessen. Mit einer Motion (23.3021) möchte die Kommission die Umsetzung dieser Projekte sicherstellen, auch wenn keine Einigung über den Restwert im Sinne des Wasserrechtsgesetzes gefunden werden kann.
Versorgungssicherheit in den Wintermonaten
Wie auch der Ständerat hat die Kommission einstimmig beschlossen, eine gesetzliche Grundlage für die Energiereserve zu schaffen. Neu sollen die Betreiber von grösseren Speicherwasserkraftwerken jedoch verpflichtet sein, sich an der Energiereserve zu beteiligen. Die Kommission fordert zudem mit einer Motion (23.3022) den Bundesrat auf, Massnahmen für eine Stärkung der Stromversorgung im Winter durch Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen vorzuschlagen.
Die Kommission hat sich auch mit weiteren Technologien zur Energieerzeugung befasst, darunter die Geothermie. Sie wird dieses Thema weiterverfolgen, insbesondere eine mögliche Absicherung von Investitionen im Rahmen der Prospektion. Sie verzichtet aufgrund der Komplexität und des langen Zeithorizontes jedoch darauf, diese Materie in den Entwurf aufzunehmen. Verschiedene Kommissionsminderheiten fordern zudem, in Zukunft verstärkt auf nukleare Energie zu setzen. So sollen die bestehenden Kernkraftwerke bei ihrem Weiterbetreib unterstützt werden oder der Bau von neuen Anlagen unter gewissen Bedingungen ermöglicht werden. Eine andere Kommissionsminderheit möchte gesetzlich festlegen, dass die bestehenden Kernkraftwerke, abhängig von ihrem Alter, ab 2027 sukzessive ausser Betrieb zu nehmen sind.
Finanzierung der Förderung der erneuerbaren Energien
Sollten die Mittel des Netzzuschlagfonds für die vorgesehene Förderung der erneuerbaren Energieproduktion (siehe Medienmitteilung vom 26. Januar 2023) nicht ausreichen, sollen Tresoreriedarlehen in der Höhe von maximal dem Doppelten einer durchschnittlichen Jahreseinnahme des Netzzuschlagsfonds gewährt werden können. Das neue Förderinstrument der gleitenden Marktprämie generiert bei höheren Energiepreisen weniger Kosten und sogar Einnahmen. Da der Netzzuschlagsfonds zudem momentan über grosse Reserven verfügt, erlaubt es diese Verschuldungsmöglichkeit voraussichtlich, die Förderung ohne Erhöhung des Netzzuschlages zu finanzieren. Die Kommission verzichtet entsprechend darauf, eine solche Erhöhung vorzuschlagen.
Im Bereich der Energieeffizienz beantragt die Kommission mit 17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung die Schaffung eines Marktes für Effizienzdienstleistungen. Die Elektrizitätslieferanten sollen Zielvorgaben zur stetigen Steigerung der Stromeffizienz erfüllen müssen, indem sie Massnahmen zu Effizienzsteigerungen bei Endverbrauchern nachweisen. Erreichen sie ihre Zielvorgabe nicht, müssen sie Nachweise für von Dritten erbrachten Effizienzsteigerungen kaufen. Eine Minderheit spricht sich gegen diese Massnahme aus. Die Bundesverwaltung soll mit gutem Beispiel vorangehen und ihren eigenen Energieverbrauch bis 2040 um 53% im Vergleich zum Jahr 2000 senken. Ausserdem soll der Bundesrat Massnahmen prüfen, um die Abwärme von Anlagen wie beispielsweise Datencentern besser zu nutzen, wie die Kommission in einem Postulat (23.3020) fordert.
Festhalten am teilliberalisierten Strommarkt
Die Kommission hat sich zudem mit der Frage einer weitergehenden Öffnung des Strommarktes befasst. Mit 20 zu 3 Stimmen sprach sie sich dafür aus, im Grundsatz die bestehende Regelung beizubehalten, und folgt damit dem Ständerat. Aus Sicht der Kommission hat insbesondere die Energiekrise der vergangenen Monate gezeigt, dass die Grundversorgung vor allem bei Marktverwerfungen wertvolle Sicherheit bietet und einem starken Bedürfnis entspricht. Eine Minderheit spricht sich, wie auch vom Bundesrat vorgeschlagen, für eine weitergehende Öffnung des Strommarktes aus.
In Zukunft sollen die Energieversorger dazu verpflichtet sein, sich in der Grundversorgung gegen extreme Marktpreisschwankungen abzusichern, insbesondere durch langfristige Beschaffungsverträge. Zudem soll bei der Berechnung der Elektrizitätstarife die Durchschnittspreismethode abgeschafft werden, wie die Kommission einstimmig beschlossen hat. Die Netzbetreiber sollen ihre erneuerbare Eigenproduktion in erster Linie in der Grundversorgung absetzen. Beschaffen sie darüber hinaus selbst Elektrizität, so müssen sie für jeden Vertrag verbindlich entscheiden, ob sie diese Elektrizität ihren gebundenen Kunden oder ihren Kunden im freien Markt verkaufen.
Das Funktionieren des Marktes in der Elektrizitätsbranche soll dadurch gestärkt werden, dass Unternehmen, die neben dem Betrieb von Stromnetzen auch in anderen Bereichen tätig sind, zur Wettbewerbsneutralität verpflichtet werden. Die Kommission hat einstimmig entschieden, dass sie den Netzbetrieb institutionell, rechtlich und administrativ von ihrer übrigen Geschäftstätigkeit entflechten müssen.
Datengrundlage für intelligente Stromnetze
Mit verschiedenen Beschlüssen möchte die Kommission die Stromnetze auf die zukünftigen Anforderungen einer dezentralen Energieproduktion und der Elektrifizierung von Mobilität und Gebäudesektor vorbereiten. Dies erfordert insbesondere eine verstärkte Digitalisierung der Stromnetze. Um die dafür erforderliche Transparenz und Datengrundlage zu schaffen, spricht sich die Kommission mit 13 zu 11 Stimmen dafür aus, das Messwesen zu liberalisieren. Endverbraucher mit einem grossen Jahresverbrauch (über 100 MWh) und solche, die einen besonderen Bedarf haben, sollen ihren Messdienstleister selbst wählen können. Eine Minderheit ist der Ansicht, dass das Messwesen im Monopolbereich der Netzbetreiber verbleiben sollte, da es eng mit dem Netzbetrieb zusammenhängt und entscheidend für die Sicherheit und Stabilität des Netzes ist.
Die Kommission bekennt sich zu einer schnelleren und verbindlichen Einführung von intelligenten Messsystemen («Smart Meter»). Für diese Systeme sieht sie neue Vorgaben vor: So sollen die Daten in Echtzeit in einem international üblichen Datenformat abgerufen werden können und den Endverbrauchern leicht zugängliche Informationen über ihren Energieverbrauch und Vergleichswerte zur Verfügung gestellt werden.
Innovative Ansätze für die Nutzung des Stromnetzes
Auch die Nutzung von Flexibilität durch die Netzbetreiber wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die Kommission beantragt mit 20 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung abweichend vom Ständerat, dass der Netzbetreiber grundsätzlich das Recht haben soll, Flexibilitäten zu nutzen, so lange der Inhaber der Flexibilität dies nicht ausdrücklich untersagt. Im Gegenzug sollen die Endverbraucher über eine solche Nutzung informiert werden müssen, zudem soll grundsätzlich eine Vergütung vorgesehen werden.
Die Kommission hat einstimmig beschlossen, günstige Rahmenbedingungen für die Nutzung von Energiespeichern zu schaffen. Speicheranlagen ohne Endverbrauch sollen unbefristet vom Netzentgelt befreit werden. Auch Speicheranlagen mit Endverbrauch sollen von einer Rückerstattung des Netzentgeltes für die aus diesen Speichern ins Netz zurückgespeiste Energie profitieren können. Zudem hat die Kommission ein Postulat (23.3023) eingereicht, wonach der Bundesrat Vorschläge für die künftige Regulierung und Förderung der Umwandlung von Stromüberschüssen in synthetische Energieträger unterbreiten soll.
Die Kommission spricht sich dafür aus, die Bildung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) durch Stromproduzenten und -verbraucher zu ermöglichen. Sie hat die vom Ständerat gewählte Lösung weiterentwickelt, insbesondere soll für den Bezug von innerhalb der LEG erzeugter Elektrizität ein günstigerer Tarif gelten. Dabei soll jedoch mindestens die Hälfte der üblichen Netzkosten fällig werden.
Diese Massnahmen sollen es erlauben, die Stromnetze intelligenter zu nutzen und das Ausmass der physischen Netzausbauten zu reduzieren. Wo für den Anschluss von Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie dennoch Netzverstärkungen nötig werden, sollen die entsprechenden Kosten an die Netzkosten angerechnet und damit von allen Verbrauchern im Netzgebiet getragen werden. Hat eine solche Anlage eine Leistung von über 5 MW, sollen diese Kosten von der nationalen Netzgesellschaft vergütet werden, wie die Kommission einstimmig beschlossen hat.
Die Kommission hat eine weitere Motion (23.3019) eingereicht, mit der Bundesrat beauftragt wird, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Anteil an erneuerbarem Gas in der Gasversorgung sukzessive erhöht werden kann.
Weiter hat die Kommission zwei parlamentarischen Initiativen im Bereich Stromversorgung Folge gegeben: Dabei fiel der Beschluss zur parlamentarischen Initiative 21.529 «Harmonisierte Besteuerung von Abnahmevergütungen aus der Stromproduktion von Photovoltaikanlagen» von Nationalrat Jürg Grossen einstimmig, der parlamentarischen Initiative 21.510 «Mehr Transparenz und Integrität im Stromgrosshandel sorgt für faire Preise für Stromverbraucher» vom selben Initianten wurde mit 21 zu 3 Stimmen Folge gegeben.
Stärkung der Schweizer Kreislaufwirtschaft
Die Kommission hat im Rahmen der Beratungen zur Kreislaufwirtschaft (20.433) die Stellungnahme des Bundesrates behandelt. Der Bundesrat unterstützt die Vorlage der Kommission grundsätzlich. Er beantragt, den Entwurf mit verschiedenen Präzisierungen anzupassen, denen die Kommission weitgehend folgt, so bei den vorgezogenen Entsorgungsgebühren und dem Onlinehandel (Art. 32abis-Art. 32aocties) oder beim ressourcenschonenden Bauen (Art. 35j). Bei gewissen Punkten stellt sich der Bundesrat gegen die Beschlüsse der Kommission. So spricht er sich gegen eine Littering-Regelung auf nationaler Ebene aus; die Kommission hält aber an ihrem Beschluss mit 18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung fest, im Umweltschutzgesetz eine entsprechende gesetzliche Grundlage zu schaffen (Art. 31b Abs. 5). Auch die enger gefassten Vorschriften für die Durchführung von Pilotprojekten, die der Bundesrat in Art. 48a vorschlägt, lehnt die Kommission mit 17 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Schliesslich spricht sie sich mit 18 zu 7 Stimmen gegen den Antrag des Bundesrates aus, die Bestimmung zum Beschaffungswesen in Art. 30 Abs. 4 zu streichen, und bestätigt die Verantwortung von öffentlichen Auftraggeberinnen, ökologische Aspekte bei der Beschaffung zu berücksichtigen.
Verschiedene Minderheiten im Entwurf bleiben bestehen, einzelne Minderheiten unterstützen die Anträge des Bundesrates. Die Vorlage wird in der Sondersession des Nationalrates beraten.
Die Kommission hat vom 20. bis 22. Februar 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Albert Rösti in Bern getagt.