Die Kommission begrüsst die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen zur Abfe-derung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie. Sie ersucht den Bundesrat jedoch gleichzeitig, insbesondere Massnahmen für diejenigen Selbstständigerwerbenden zu ergreifen, die bisher keinerlei Unterstützung vom Bund erhalten, und zudem rasch eine Strategie für den baldigen Ausstieg aus dem Lockdown vorzulegen.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) hat sich an ihrer Sitzung vom 14. April 2020 mit den Massnahmen des Bundesrates zur Abfederung der wirt­schaftlichen Folgen der Coronaviruspandemie befasst. Das entsprechende Mass­nahmenpa­ket umfasst hauptsächlich Soforthilfen für Unternehmen in Form von Über­brückungskredi­ten, für die der Bund zu 100 oder 85 Prozent bürgt, eine Ausdehnung der Kurzarbeit auf Ar­beitnehmerkategorien, auf die dieses Instrument bislang nicht anwendbar war, und Erwerbs­ausfallentschädigungen für Personen, die wegen der aktuellen Gesundheitssituation ihrer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können.

Die Kommission begrüsst die Arbeit des Bundesrates und der Bundesverwaltung, dies umso mehr, als diese unter Zeitdruck und in Anbetracht einer sich sehr rasch ändernden Lage geleistet wurde. Die Solidarbürgschaften des Bundes helfen den Unternehmen, die kri­senbedingten Liquiditätsprobleme zu bewältigen und die Insolvenz zu vermeiden. Die Er­werbsausfallentschädigungen stellen sicher, dass Personen, die wegen der vom Bund er­griffenen Gesundheitsmassnahmen nicht arbeiten können, nicht ohne Einkommen daste­hen. Die Ausdehnung der Kurzarbeit wiederum trägt dazu bei, Massenentlassungen zu ver­hindern. Auf diese Weise wird der Produktionsapparat geschützt und gewährleistet, dass die Unternehmen nach der Krise ihre wirtschaftliche Tätigkeit rasch wiederaufnehmen können.

Die WAK-N ist sich bewusst, dass der Bundesrat unter extremem Zeitdruck stand, ersucht ihn aber dennoch, einige in ihren Augen nicht zufriedenstellende Aspekte der erlassenen Notverordnungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Die folgenden Empfehlungen werden allesamt von einer Mehrheit der Kommission unter­stützt:

Solidarbürgschaft

Hinsichtlich des Zinssatzes für Übergangskredite unter 500'000 Franken sieht die betref­fende Bundesratsverordnung die Möglichkeit vor, je nach Marktentwicklung nach einem Jahr einen positiven Zinssatz einzuführen. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass die am stärks­ten gefährdeten Kleinunternehmen dadurch Schaden nehmen. Die Aufhebung dieser Mass­nahme muss ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Ebenso sollte die Rückzahlungs­frist für die verbürgten Kredite, die der Bundesrat auf 5 Jahre festgelegt hat, verlängert werden. Schliesslich fordert die Kommission den Bundesrat auf, seine Überlegungen zur Bekämp­fung der Missbrauchsgefahr sowohl bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen als auch bei der Verwendung der Mittel fortzusetzen. Banken, die Kredite grobfahrlässig vergeben, sollten dafür haften.

Situation der Selbstständigerwerbenden

Die Kommission hat die aktuelle Lage der Selbstständigerwerbenden ausführlich und inten­siv diskutiert. Ein beträchtlicher Teil dieser Erwerbsgruppe erleidet wegen behördlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus massive Erwerbsausfälle. Während insbesondere für direkt betroffene Betriebe, die aufgrund ihrer öffentlichen Zugänglichkeit schliessen mussten, In­strumente für eine Entschädigung bei Erwerbsausfall bestehen, fallen bei den indirekt be­troffenen Berufsgruppen wie etwa Taxifahrern, Fotografen und anderen noch zu viele durch das Auffangnetz der Corona-Hilfen des Bundes, weshalb die Kommission vom Handlungs­bedarf in dieser Angelegenheit überzeugt ist.

Die Kommission fordert den Bundesrat daher eindringlich auf, treffsichere Instrumente zur Unterstützung aller betroffenen Selbstständigerwerbenden zu entwickeln und Massnahmen zu ergreifen, welche die derzeitige Benachteiligung der Selbstständigen gegenüber den Be­rufstätigen derselben Branche in angestellten Arbeitsverhältnissen beseitigen. Ein besonde­res Augenmerk soll hierbei auf die Situation der Selbstständigerwerbenden im Gesund­heitssektor gelegt werden, deren Berufsausübung durch das Verbot von Behandlungen, die nicht notfallmässig erfolgen müssen, ebenfalls in direkter Weise massiv eingeschränkt wurde, und die bis anhin keine Entschädigungen erhalten.

Ergänzend dazu sollte aus Sicht der Kommission die Entschädigung der mitarbeitenden In­haber einer AG oder GmbH auf das Niveau der Selbstständigerwerbenden (max. CHF 5‘880) angehoben werden und eine Abgeltung an indirekt Betroffene, die zwar ihren Betrieb nicht schliessen mussten, aber infolge zusammengebrochener Nachfrage während dieser Zeit keinen Verdienst mehr haben, festgelegt werden.

Als weitere Massnahmen sollte der Kreis der Empfänger von Erwerbsausfallent­schädigun­gen auf Selbstständige im Sinn von Artikel 12 ATSG ausgedehnt werden.

Schliesslich sollte der Anspruch von selbstständigerwerbenden Eltern auf die gesamte Zeitdauer der verordneten Massnahmen ausgedehnt werden.

Gewerbliche Mieten

Die Kommission betrachtet im Weiteren die entstandene Rechtsunsicherheit in Fragen der Streitbeilegung zwischen Mieter und Vermieter im Gewerbebereich mit Sorge. Mieter, die infolge behördlicher Massnahmen ihre Geschäfte schliessen mussten und ihr Mietobjekt für den vertraglich bestimmten Zweck nicht mehr nutzen dürfen, sind derzeit angehalten, Miet­reduktionen mit ihren Vermietern individuell auszuhandeln, wobei das Ergebnis in hohem Masse von der Solidarität des Vermieters abhängig ist. Es drohen Konkurse für Betriebe, denen keine Mietreduktion gewährt wurde sowie potentiell langjährige Rechtsstreitigkeiten. Beides gilt es aus Sicht der Kommission zu vermeiden. Die Kommission ersucht daher den Bundesrat, sich dieser Problematik anzunehmen und – womöglich gemeinsam mit den be­troffenen Verbänden – eine klare Lösung vorzuschlagen. Dazu sollen bereits vorliegende Urteile von Schiedsgerichten herangezogen werden.

Steuerliche Massnahmen

Darüber hinaus möchte die Kommission den Bundesrat bitten, seine Überlegungen zur Steuerpolitik darzulegen, die geschätzten fiskalischen Folgen der Krise zu skizzieren und mögliche Steuerinstrumente vorzuschlagen, die diese Folgen mildern könnten. Schliesslich soll er auch die Koordination zwischen den Kantonen bei möglichen Massnahmen sicher­stellen.

Tourismus

Da der Tourismus von der Krise speziell hart getroffen wurde, erachtet die Kommission Handeln in diesem Bereich als dringlich. Als Antwort auf die starke Einschränkung des inter­nationalen Reiseverkehrs soll einerseits der Inlandtourismus gezielt gefördert und in die Zu­kunftsfähigkeit des Tourismus investiert werden. Dazu ist als kurz- und mittelfristige Mass­nahme eine grosse Werbekampagne im Inland für «Ferien vor der Haustür» einzuleiten, fi­nanziert durch zusätzliche Mittel oder Umlagerungen innerhalb des bestehenden Zahlungs­rahmens der Standortförderung; andererseits soll der Bundesrat in einem zweiten Schritt Werbekampagnen entwickeln, um Touristen aus Ländern anzu­sprechen, in denen die ge­sundheitliche Lage unbedenklich geworden ist. Die Situation der Tourismuspartner von Schweiz Tourismus ist miteinzubeziehen.

Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung

Die Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung müssen offenbleiben, obschon sie nur noch sehr wenige Kinder zu betreuen haben. Die Kommission ist deshalb der An­sicht, dass sie auch auf Bundesebene unterstützt werden müssen. Sie fordert den Bundes­rat auf, ihre Situation näher zu prüfen und geeignete Massnahmen zu ihrer Unterstützung vorzuschlagen.

Szenarien für den Ausstieg aus der Krise

Schliesslich muss der Bundesrat eine Strategie für den baldigen Ausstieg aus dem Lock­down festlegen, damit die Organisationen und die Wirtschaft wissen, wie das ganze System wieder hochgefahren werden kann und wann was wieder erlaubt sein soll und durchgeführt werden kann. Selbstverständlich muss der Gesundheitsschutz nach wie vor im Vordergrund stehen. Gleichzeitig soll aber der Bundesrat auch regelmässig prüfen, ob nicht gewisse gesundheitspolitische Massnahmen gelockert oder aufgehoben werden könnten, sodass gegenwärtig verbotene wirtschaftliche Aktivitäten nach und nach wieder aufgenom­men wer­den könnten.

Die Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vollständige oder teilweise Schliessung von Gerichten oder Verwaltungen auf Kantons- und Gemeindeebene zahlreiche Verfahren und Entscheide blockiert, auf die die Unternehmen dringend ange­wiesen wären, damit sie ihre Tätigkeit fortsetzen können. Der Bundesrat muss deshalb zusammen mit den Kantonen rasch dafür sorgen, dass Gerichte und Verwaltungen die Arbeit wiederaufnehmen können, sobald die gesundheitliche Lage es erlaubt.

Versicherungen

Die Kommission fordert den Bundesrat auf, die Interessen der Versicherungsnehmer zu schützen und geeignete Massnahmen zu ergreifen, um die Schadenersatzansprüche bei versicherten Ereignissen wie Epidemie gegenüber den Versicherungsunternehmen sicher­zustellen.

Stärkung der Land- und Ernährungswirtschaft

Die Kommission weist den Bundesrat auch auf die besonders schwierige Lage gewisser Branchen (z.B. Gärtnereien) hin, die aufgrund des saisonalen Charakters ihrer Tätigkeit den grössten Teil ihres Umsatzes einzubüssen drohen. Es braucht Massnahmen, um alternative Vertriebs­kanäle aufzubauen, ausserdem ist das Problem der fehlenden Erntehelfer zu lösen.

Durch die Schliessung der Märkte für landwirtschaftliche Produkte und Gärtnereien mussten grosse Mengen an Nahrungsmitteln und Gartenbauprodukte vernichtet werden. Damit der Schaden nicht noch grösser wird, sollten Märkte und Verkaufsstellen so rasch als möglich wieder geöffnet werden, dies unter Einhaltung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Gesundheit von Anbieterinnen und Anbietern sowie Kundinnen und Kunden.

Arbeitsmarkt

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist aus Sicht der Kommission hinsichtlich Krisenzeiten flexibel und modern zu gestalten, insbesondere ist die Arbeitszeiterfassung zu flexibilisieren und die Selbstständigkeit zu stärken. Arbeitslose sind in jenen Bereichen einzusetzen, in denen ein Mangel an Arbeitskräften herrscht (z.B. Unterstützung der Post, Erntehelfer in der Land­wirt­schaft). Die Zumutbarkeitskriterien im Rahmen der Arbeitsvermittlung sollten umgehend an­gepasst werden.

Die Kommission wird am 21. April 2020 erneut tagen. An dieser Sitzung wird sie ihren Mitbericht an die Finanzkommission des Nationalrates zu den vom Bundesrat beantragten Krediten verabschieden, womit sie dabei allfällige weitere Entwicklungen berücksichtigen kann. Zudem behält die Kommission sich vor, in Abhängigkeit von den bis dahin getroffenen Beschlüssen des Bundesrates auch noch Kommissionsvorstösse zu verabschieden.

Die Kommission hat am 14. April 2020 unter dem Vorsitz von Nationalrat Christian Lüscher (FDP/GE) und teilweise in Anwesenheit der Bundesräte Guy Parmelin und Ueli Maurer in Bern getagt.