Das Parlament von Ecuador war Gastgeber der 128. IPU-Versammlung, die vom 22. bis 27. März 2013 in Quito stattfand. Die Schweiz war durch eine Delegation von sieben Mitgliedern des National- und des Ständerates vertreten.
Die Zusammensetzung der Schweizer Delegation für die 128. Vollversammlung der IPU:
- Ständerat Peter Bieri, Präsident der Delegation, CVP, Zug
- Nationalrat Pierre-François Veillon, Vizepräsident der Delegation, SVP, Waadt
- Nationalrat Ignazio Cassis, FDP, Tessin
- Ständerat Claude Janiak, SP, Baselland
- Nationalrätin Margret Kiener Nellen, SP, Bern
- Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, CVP, St. Gallen
- Nationalrat Felix Müri, SVP, Luzern
Die Versammlung wurde am 22. März 2013 im Plenarsaal der Nationalversammlung von Ecuador eröffnet. Nach dem Präsidenten der Nationalversammlung von Ecuador, dem Vertreter des Uno-Generalsekretärs, Philippe Douste-Blazy, und dem Präsidenten der IPU, Abdelwahad Radi, ergriff zum Schluss auch der Präsident von Ecuador, Raffael V. Correa, das Wort.
In einer über einstündigen Ansprache hob er zunächst die Vorzüge und Schönheiten von Ecuador hervor. Den grössten Teil der Rede nutzte er jedoch dazu, die Vorherrschaft des Kapitals zu geisseln, welches höher gewichtet werde als menschliche Werte. Er übte harsche Kritik an den USA (welche als Nichtmitglied der IPU an diesem Anlass nicht vertreten waren), welche er unter anderem wegen der Wirtschaftsblockade gegen Kuba, der Folter von Gefangenen in Guantanamo und der Einmischung in die Angelegenheiten der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IACHR) anprangerte. Er warf den USA, Grossbritannien und anderen westlichen Ländern neokolonialistisches Verhalten vor. Grossbritannien kritisierte er insbesondere, weil es noch immer die Falklandinseln (Malvinas) als Kolonialgebiete besetzt halte. Für eine Eröffnungsansprache eines Staatsoberhauptes war dieser Auftritt bei einer IPU-Versammlung nicht nur in Bezug auf die Dauer, sondern vor allem wegen des aggressiven Tons und der Verurteilung von Drittländern ungewöhnlich und führte dazu, dass eine grössere Zahl von Delegierten den Saal verliessen.
Am folgenden Morgen, dem ersten offiziellen Konferenztag, begann in der Vollversammlung die Plenumsdebatte zur Frage, wie die Weltgemeinschaft von einer unkontrollierten Wachstumspolitik den Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung finden kann. Ständerat Peter Bieri, Präsident der Schweizer Delegation, beteiligte sich als Vertreter der Schweiz an dieser Debatte. Er wies darauf hin, dass die Schweiz seit 1999 die nachhaltige Entwicklung als Staatsziel in der Bundesverfassung festgeschrieben hat. Die Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung dürften sich allerdings nicht auf die Förderung von alternativen Energien und neue Technologien beschränken. Es gehe vielmehr um Veränderungen in der Gesamtheit unseres Verhaltens, in allen Aspekten unseres täglichen Lebens, damit wir nicht länger Raubbau an den begrenzten Ressourcen unseres Planeten betrieben. Es reiche allerdings nicht aus, sich ausschliesslich im nationalen Rahmen für dieses Ziel zu engagieren. Erforderlich seien eine internationale Kooperation sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen staatlichen Organisationen und privaten Unternehmen. Ein gutes Beispiel für diese Zusammenarbeit sei das Uno-Projekt «Global Compact». Die Vereinbarungen, welche die daran beteiligten Unternehmen unterzeichnen, hätten zwar keinen verpflichtenden Charakter. Dieses Projekt sei aber ein wichtiger erster Schritt, welchem weitere und verbindlichere Massnahmen und Vereinbarungen folgen müssten. Die interparlamentarische Zusammenarbeit, wie sie in der IPU gepflegt wird, könne und solle eine entscheidende Rolle spielen bei dieser Entwicklung.
Der Versammlung lagen zahlreiche Vorschläge für ein Dringlichkeitsthema vor. In einer namentlichen Abstimmung obsiegte schliesslich der folgende Themenvorschlag von Jordanien: Die Rolle der Parlamente bei der Bewältigung der sicherheitspolitischen und humanitären Auswirkungen der Krise in Syrien und ihre Verantwortung, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit sie ihre internationale und humanitäre Verantwortung gegenüber syrischen Flüchtlingen übernehmen und die Nachbarländer unterstützen, welche die Flüchtlinge aufnehmen.
Ein Ad-hoc-Komitee mit Vertreterinnen und Vertretern aus allen geopolitischen Gruppen erarbeitete einen
Resolutionsentwurf zu diesem Thema, der schliesslich an der Schlussversammlung der Konferenz gutgeheissen wurde.
Weitere Schwerpunkte der Konferenz bildeten die Resolutionsthemen der drei ständigen Kommissionen der IPU:
Die Schweizer Delegation war in den Beratungen in allen drei Kommissionen durch ein oder zwei Mitglieder vertreten, welche bereits im Vorfeld der Konferenz Änderungs- und Ergänzungsanträge zu den Resolutionsentwürfen eingereicht hatten. Claude Janiak nahm überdies als Vertreter der geopolitischen Gruppe der europäischen Länder an den Arbeiten des Redaktionskomitees zur Schlussredaktion des Textes der dritten Kommission teil. Die Schlusstexte der Resolutionen der drei ständigen Kommissionen finden sich auf der Website der IPU unter dem digitalen Verweis, der jeweils nach dem Resolutionstitel angegeben ist.
Zu verschiedenen weiteren Themen fanden Podiumsdiskussionen statt. So befasst sich ein Panel mit der Frage, ob die Legalisierung von Drogen ein geeignetes Mittel zur Eindämmung des organisierten Verbrechens sein kann. Ein anderes Podium ging der Frage nach, wie die parlamentarische Solidarität mit Parlamentsmitgliedern, welche Bedrohungen ausgesetzt sind, wirkungsvoll verstärkt werden kann.
Zwei Mitglieder der Schweizer Delegation sind ad personam gewählte Mitglieder von ständigen Organen der IPU: Nationalrat Veillon als Mitglied des Exekutivkomitees und Nationalrätin Kiener Nellen als Mitglied des Komitees für die Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern.
Besondere Ereignisse aus Sicht der Schweizer Delegation:
- Claude Janiak wurde als Mitglied des Büros der Kommission für Demokratie und Menschenrechte gewählt.
- Die Vorschläge von Pierre-François Veillon zum Terminplan und zur Vorgehensweise bei der anstehenden Wahl einer neuen Generalsekretärin oder eines neuen Generalsekretärs der IPU fanden im Exekutivkomitee eine Mehrheit und werden umgesetzt. Unter anderem hatte er beantragt, die Suche nach einer geeigneten Nachfolge bereits 15 Monate vor Ablauf der Amtszeit des aktuellen Inhabers aufzunehmen und nicht erst 10 Monate, wie bisher im Reglement vorgesehen. Das Profil der ausgeschriebenen Stelle soll überdies Erfahrungen im Bereich der parlamentarischen Arbeitsweise und Prozeduren stärker gewichten als Erfahrungen bei internationalen (Regierungs-)Organisationen.
- Das Exekutivkomitee beschloss ferner auf Antrag von Pierre-François Veillon, dass die externen Revisoren der IPU – zurzeit die Vertreter der Eidgenössischen Finanzkontrolle – anlässlich der nächsten Sitzung des Komitees im Oktober 2013 eingeladen werden sollen, dem Komitee ihren Revisionsbericht zu präsentieren und zu erläutern. Bisher hatte das Komitee jeweils nur auf schriftlichem Weg von den Arbeiten der Revisoren Kenntnis genommen. Ebenso soll die schwedische Expertin Eva Nycander, die einen Evaluationsbericht über die Tätigkeit der IPU im Bereich der technischen Entwicklungszusammenarbeit verfasst hat, an der Sitzung des Exekutivkomitees angehört werden.
- Margret Kiener Nellen informierte das Plenum an der Schlussversammlung als Berichterstatterin des Komitees für die Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern über sämtliche hängigen Fälle, mit welchen sich das Komitee im Verlauf dieser Konferenz befasst hatte. Das Plenum nahm sämtliche präsentierten Resolutionsentwürfe vorbehaltlos an.
- Im Anschluss an die Konferenz besuchte die Delegation zwei Projekte von Terre des Hommes in Quito, welche auch durch finanzielle Beiträge aus der Schweiz mitgetragen werden. Das erste Projekt war ein Tagesheim für Kleinkinder und Jugendliche in einem Armenviertel der Stadt, welches Kinder aufnimmt und fördert, die in schwierigen familiären Situationen aufwachsen. Beim zweiten Besuch handelte es sich um ein Treffen und eine Diskussion mit der regionalen Jugendstaatsanwaltschaft. Sie ist zuständig für Kinder und Jugendliche, welche mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, und engagiert sich dafür, dass, wo immer vertretbar, anstelle eines Strafvollzugs zunächst Resozialisierungsmass-nahmen geprüft werden. Durch den Strafmassnahmenvollzug in Haftanstalten für Erwachsene steigt die Gefahr, dass Jugendliche schon nach ersten kleinen Gesetzesverstössen durch das ungünstige Umfeld endgültig in eine kriminelle Laufbahn abgedrängt werden. Geeignete Resozialisierungsmassnahmen bieten gefährdeten Jugendlichen eine Chance, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren, womit für sie selbst wie auch für die Gesellschaft ein grosser Nutzen entsteht.
Der Generalsekretär der Bundesversammlung, Christoph Lanz, und der stellvertretende Generalsekretär, Philippe Schwab, nahmen an der gleichzeitig in Quito stattfindenden Konferenz der Vereinigung der Generalsekretärinnen und Generalsekretäre von Parlamenten (ASGP) teil. Philippe Schwab ist Mitglied des Exekutivkomitees der ASGP.
Insgesamt beteiligten sich 1200 Delegierte aus 118 Mitgliedstaaten an der Versammlung, darunter auch 33 Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten.
Weitere Informationen zur Konferenz finden sich auf der
Webseite der IPU.
Medienmitteilung vom 18. März 2013