Aufgrund der zahlreichen coronabedingten Einschränkungen führte die Interparlamentarischen Union (IPU) ihre Frühjahrsversammlung 2021 online durch. Seit Belgrad (Oktober 2019) waren die Mitglieder der IPU nicht mehr zu einer Vollversammlung zusammengekommen, da die Veranstaltungen in Genf (April 2020) und in Kigali (Oktober 2020) abgesagt oder verschoben werden mussten. Die acht Mitglieder der Schweizer Delegation sahen der Frühjahrsversammlung somit mit grossem Interesse entgegen.

Die 142. Versammlung der IPU fand vom 24. bis zum 27. Mai 2021 online statt und thematisierte die Rolle der Parlamente bei der Bewältigung der aktuellen Pandemie und bei der Gestaltung einer besseren Zukunft. Der Präsident der IPU, Duarte Pacheco, wies darauf hin, dass die Covid-19-Pandemie Ursache für gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Krisen war. Ausserdem habe sie die Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Ländern vergrössert sowie den Fortschritt in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Jugendbeteiligung und Geschlechtergleichstellung zu einem abrupten Stillstand gebracht. Frauen und Jugendliche seien unverhältnismässig stark von der Krise betroffen. Mehr Frauen als Männer hätten ihren Job verloren und es seien auch die Frauen, die einen grösseren Anteil an der Hausarbeit übernommen hätten. Viele Jugendliche hätten weder Arbeit noch Zugang zur Bildung gehabt.

Geleitet von diesen Überlegungen verpflichteten sich die Anwesenden, dafür zu sorgen, dass die Hilfsmassnahmen die am schwersten betroffenen Gruppen erreichen und dass Impfungen, Tests und Behandlungen für alle erschwinglich und zugänglich sind. Sie kamen zum Schluss, dass eine Krise dieses Ausmasses eine globale Lösung erfordert und dass diese am besten auf multilateralem Weg gefunden werden kann.

An der Versammlung wurden zwei Resolutionen offiziell verabschiedet. Der ständige Ausschuss für Frieden und internationale Sicherheit reichte eine Resolution betreffend die Strategien der Parlamente zur Stärkung des Friedens und der Sicherheit angesichts der sich aus klimabedingten Katastrophen ergebenden Bedrohungen und Konflikte (E / F) ein. Der ständige Ausschuss für nachhaltige Entwicklung wiederum legte der Versammlung eine Resolution vor, die einen stärkeren Einsatz der Digitalisierung und der Kreislaufwirtschaft zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele fordert – insbesondere in Bezug auf verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster (E / F). Nationalrat Laurent Wehrli wurde von der geopolitischen Gruppe der Zwölf Plus, der auch die Schweiz angehört, in den Redaktionsausschuss des ständigen Ausschusses für nachhaltige Entwicklung gewählt, um dort die Anträge der Gruppe (und der Schweiz) zu vertreten.

Wahlen

An der Versammlung wurden zudem zahlreiche vakante Posten neu besetzt. Der IPU-Rat wählte sechs neue Mitglieder ins Komitee für den Schutz der Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern, in dem die Schweiz durch Ständerat Andrea Caroni (FDP, AR) vertreten ist. Zwei Mitglieder der Schweizer Delegation wurden in IPU-Ämter gewählt. So nimmt Ständerätin Johanna Gapany neu Einsitz in der hochrangigen Beratergruppe zur Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus und Nationalrat Thomas Hurter in der neu gegründeten Arbeitsgruppe Wissenschaft und Technologie. Sie wurden am 26. Mai 2021 offiziell ernannt und traten ihre Ämter direkt nach der 142. Versammlung an.

Exekutivkomitee

Das Exekutivkomitee führte zur Vorbereitung dieser Versammlung zwischen März und Mai 2021 mehrere Online-Sitzungen durch, um unter anderem Regeln für die Durchführung der Online-Versammlung festzulegen. Ausserdem diskutierte es lange über die Lage in Venezuela und die Anerkennung des venezolanischen Parlaments. Es empfahl dem IPU-Rat, jegliche Entscheidung über die Mitgliedschaft Venezuelas auf die nächste Vollversammlung zu verschieben, da bis dahin ein Bericht mit Informationen aus erster Hand vorliegen wird, die eine IPU-Mission in Venezuela sammelt.

Situation der IPU-Mitglieder

Die IPU arbeitet unermüdlich daran, eines ihrer wichtigsten strategischen Ziele zu erreichen, nämlich eine universelle Organisation zu werden. Zwischen 2010 und heute ist die Zahl der IPU-Mitgliedsparlamente von 155 auf 175 angewachsen. Die USA (Gründungsmitglied der IPU) sind noch immer die grossen Abwesenden, weshalb beschlossen wurde, die Gespräche über eine Mitgliedschaft in naher Zukunft wiederaufzunehmen. Der IPU-Präsident und der IPU-Generalsekretär sowie die Mitglieder des IPU-Exekutivkomitees richteten im Januar bzw. im März 2021 ein Schreiben an die Vorsitzenden des Repräsentantenhauses und des Senats der USA, in denen sie die zahlreichen Vorteile einer erneuten Mitgliedschaft in der IPU hervorhoben.

Komitee für den Schutz der Menschenrechte

Das Komitee prüfte die Fälle von 170 Parlamentsmitgliedern (158 Männer und 12 Frauen) aus 13 Ländern. Unter diesen Fällen waren vier neue Beschwerden, die 22 Parlamentsmitglieder betreffen. Das Komitee führte ausserdem fünf Anhörungen in Anwesenheit von Beschwerdeführenden und anderen interessierten Parteien durch. Es unterbreitete dem IPU-Rat Beschlüsse zu 152 Parlamentsmitgliedern aus folgenden Ländern zur Annahme: Ägypten, Jemen, Libyen, Myanmar, Philippinen, Simbabwe und Türkei.

Die Finanzen der IPU sind trotz der Krise solide. Bis zum 22. Mai 2021 wurden 75 Prozent der jährlichen Mitgliederbeiträge einbezahlt.

Nächste Versammlung

Aufgrund der verbesserten gesundheitlichen Lage in der Schweiz und in Europa besteht die Hoffnung, dass erneut Präsenzveranstaltungen durchgeführt werden können. Die nächsten Versammlungen sind die Frühjahrsversammlung in Bali (Indonesien, 20.–24.3.2022) und die Herbstversammlung in Kigali (Ruanda, 19.–23.10.2022). Zuvor wird im November 2021 eine – eventuell hybride – Sitzung des IPU-Rates stattfinden, in der sich dieser mit dem Budget der Organisation und der Besetzung vakanter Posten, insbesondere im Exekutivkomitee, befasst.

Der Schweizer Delegation gehörten folgende Mitglieder an:

  • Nationalrat Christian Lohr (Die Mitte, TG), Präsident der Delegation,
  • Ständerat Daniel Jositsch (SP, ZH), Vizepräsident der Delegation,
  • Nationalrätin Christine Badertscher (Grüne, BE),
  • Ständerat Andrea Caroni (FDP, AR), IPU-Komitee für den Schutz der Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern,
  • Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP, GE), IPU-Exekutivkomitee,
  • Ständerätin Johanna Gapany (FDP, FR),
  • Nationalrat Thomas Hurter (SVP, SH) und
  • Nationalrat Laurent Wehrli (FDP, VD), Komitee für Nahostfragen und Büro des ständigen Ausschusses für Angelegenheiten der Vereinten Nationen.