Der Nationalrat in Kürze
Bern (sda)
UMWELT I: Der Bund soll die Sanierung belasteter Schiessstandorte auch dann unterstützen, wenn nach 2020 noch in den Boden geschossen wird. Das soll sowohl für historische Schiessen als auch für Feldschiessen gelten. Das hat am Mittwoch der Nationalrat beschlossen. Er widersetzte sich damit einer knappen Mehrheit seiner Umweltkommission (Urek) und folgte stattdessen einer Minderheit um SVP-Präsident Albert Rösti (BE). Die FDP und Teile der CVP unterstützten diesen Vorschlag. Am Ende setzte sich die Sonderregelung für historische Schiessen und Feldschiessen mit 124 zu 57 Stimmen durch. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Wegen der teils grossen Kritik von verschiedenen Kantonen in der Vernehmlassung dürfte das Geschäft auch dort noch länger zu reden geben.
UMWELT II: Illegal gefälltes Holz soll in der Schweiz nicht mehr gehandelt werden dürfen. Der Nationalrat hat mit 177 zu 3 Stimmen einer Änderung des Umweltschutzgesetzes zugestimmt, um Handelshemmnisse gegenüber der EU abzubauen. Der Bundesrat soll ermächtigt werden, Anforderungen an das Inverkehrbringen von anderen Rohstoffen oder Produkten zu stellen. Er soll zudem verbieten können, dass solche in Verkehr gebracht werden, falls deren Anbau, Abbau oder die Herstellung die Umwelt erheblich belastet oder Ressourcen gefährdet. Damit zielt der Nationalrat auf das Palmöl. Der Nationalrat entschied sich mit 101 zu 76 Stimmen für den Zusatz. Als nächstes berät der Ständerat das Geschäft.
GESUNDHEIT: Eine eidgenössische Kommission soll künftig die Qualität im Gesundheitswesen fördern. Nach dreieinhalb Jahren hat das Parlament die entsprechende Vorlage in trockene Tücher gebracht. Demnach soll der Bundesrat eine eidgenössische Qualitätskommission einsetzen und deren Mitglieder ernennen. Er muss dabei für eine angemessene Vertretung der Kantone, der Leistungserbringer, der Versicherer, der Versicherten sowie von Fachleuten sorgen. Zudem sollen auch die Patientenorganisationen vertreten sein. Am Mittwoch hat die grosse Kammer nun die letzten verbleibenden Differenzen beim Geschäft bereinigt. Die Lösung punkto Finanzierung sieht nun vor, dass sich Bund, Kantone und Versicherer die Kosten je zu einem Drittel teilen sollen. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmungen.
SOZIALVERSICHERUNGEN I: Kosovaren, die aus der Schweiz in ihre Heimat zurückkehren, sollen ihre AHV- oder IV-Rente wieder erhalten. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat diesem Grundsatz zugestimmt. Offen bleibt die Frage, ob der Beschluss dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll. Die kleine Kammer sagt Ja, Bundesrat und Nationalrat wollen das Abkommen dagegen nicht dem Referendum unterstellen. Der Entscheid fiel mit 110 zu 58 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Die Mehrheit lehnt das fakultative Referendum ab, da es sich um ein Standardabkommen handle, wie Sozialminister Alain Berset bestätigte. Eine SVP-Minderheit, die auch gegen das Abkommen stimmte, unterlag deutlich. Die Vorlage geht mit dieser Differenz zurück an den Ständerat.
SOZIALVERSICHERUNGEN II: Die Revision des Sozialversicherungsrechts ist unter Dach und Fach. Der Nationalrat hat die letzte Differenz bereinigt. Kern der Vorlage sind schärfere Regeln gegen Versicherungsmissbrauch. Es beinhaltet neu den Grundsatz, dass Personen, die sich mit unwahren Angaben Versicherungsleistungen erschleichen, die Mehrkosten von Observationen tragen müssen. Solche unrechtmässig bezogene Leistungen sollen während dreier Jahre zurückgefordert werden können. Heute läuft die Frist nach einem Jahr ab. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmungen.
TIERSCHUTZ: Damit die Milch in der Arena nicht aus dem Euter tropft, verkleben die Viehzüchter den Tieren gelegentlich die Zitzen. Ein Verbot dieser Praktik hat der Nationalrat abgelehnt - entgegen der Meinung des Bundesrats. Dieser empfahl die Annahme einer Motion von Irène Kälin (Grüne/AG). Mit 91 zu 76 Stimmen bei 11 Enthaltungen stellte sich eine Mitte-Rechts-Mehrheit dagegen. Damit ist der Vorstoss erledigt. Zahlreiche landwirtschaftlich tätige Nationalräte gaben zu bedenken, dass die Branche längst Lösungen gefunden habe. Dazu gehörten zahlreiche Kontrollen, an denen auch der Bund beteiligt sei.
AUSSCHAFFUNGEN: Der Nationalrat möchte die Bestimmungen zu Landesverweisungen im Strafgesetzbuch nicht anpassen. Er hat eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion mit 120 zu 64 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Laut Gregor Rutz (SVP/ZH) haben Schweizer Gerichte heute keine klare Vorgaben, bei welchen Vergehen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger des Landes zu verweisen sind. Eine Mehrheit sah das anders. Das Parlament habe bewusst eine Formulierung gewählt, nach welcher die Gerichte in der Einzelfallprüfung über einen gewissen Ermessensspielraum verfügten. Erste Bundesgerichtsurteile zeigten auch, dass das Personenfreizügigkeitsabkommen keinen absoluten Hinderungsgrund für eine Landesverweisung darstelle. Mit dem Nein ist der Vorstoss erledigt.
INTEGRATION: Der Nationalrat möchte die Hürden für eine erleichterte Einbürgerung von Ausländern nicht erhöhen. Er hat eine parlamentarische Initiative von Erich Hess (SVP/BE) deutlich abgelehnt - mit 123 zu 64 Stimmen. Der Initiant wollte vier Mindestkriterien einführen, die für die erleichterte Einbürgerung zwingend zu erfüllen gewesen wären. Verbrecher, Sozialhilfeempfänger sowie Personen mit zu wenig Sprachkenntnissen oder Staatskundewissen sollten von einer erleichterten Einbürgerung ausgeschlossen werden. Die Mehrheit sieht indes keinen Handlungsbedarf. Im neuen Bürgerrechtsgesetz und in der dazugehörigen Verordnung seien bereits sinnvolle Kriterien aufgeführt. Mit dem Nein ist der Vorstoss erledigt.
KRANKENKASSEN: Leistungen von Apotheken soll die Grundversicherung auch vergüten können, wenn die Apotheken während einer Behandlung keine Medikamente abgeben. Das verlangt das Parlament mit Blick auf das Sparpotenzial. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Motion von Erich Ettlin (CVP/OW) oppositionslos unterstützt. Der Vorstoss wurde damit an den Bundesrat überwiesen. Heute werden Beratungen und Abklärungen von Apotheken nur vergütet, wenn dabei ein von einem Arzt verschriebenes Medikament abgegeben wird. Apotheken könnten aber bei solchen Behandlungen auch mit Leistungen ohne Medikamentenabgabe Einsparungen herbeiführen.
AUSLÄNDERGESETZ: Das Ausländergesetz soll nicht um einen Zusatz erweitert werden, wonach "Aktivisten des politischen Islams" ausgewiesen werden können. Der Nationalrat hat eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion mit 92 zu 90 Stimmen knapp abgelehnt. Der Bundesrat sei bereits daran, das Instrumentarium gegen politischen Aktivismus zu bekämpfen, wie Kommissionssprecher Cédric Wermuth (SP/AG) ausführte, so etwa mit dem nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung und Verhinderung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus sowie mit der Revision des Strafgesetzbuches. Zudem sei es nicht sinnvoll, Organisationen im Gesetz namentlich zu nennen. Der Vorstoss ist damit erledigt.
FLÜCHTLINGE: Über die Aufnahme von Flüchtlingsgruppen soll künftig die Bundesversammlung und nicht mehr der Bundesrat entscheiden. Das war die Forderung zweier parlamentarischer Initiativen der SVP. Der Nationalrat lehnte das Ansinnen jedoch mit 121 zu 64 Stimmen ab. Das Parlament habe die Kompetenz, die Kriterien für die Asylgewährung festzulegen, so die Begründung. Der Entscheid über die Aufnahme von konkreten Flüchtlingsgruppen sei Aufgabe der Vollzugsbehörden unter Berücksichtigung der vom Parlament festgelegten Kriterien. Eine Minderheit war der Ansicht, dass diese Asylentscheide so gross seien, dass es dafür eine demokratische Legitimation brauche. Das Geschäft ist damit vom Tisch.
PRÄMIEN: Junge Erwachsene sollen nicht dafür geradestehen müssen, wenn ihre Eltern die Krankenkassenprämien nicht bezahlt haben, als sie Kinder waren. Der Nationalrat hat eine Motion von Bea Heim (SP/SO) mit 174 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Darüber muss noch der Ständerat befinden. In der Frühjahrssession hatte die grosse Kammer bereits eine gleichlautende Motion von Heinz Brand (SVP/GR) gutgeheissen. Der Bundesrat ist mittlerweile bereit, dem Parlament eine Gesetzesänderung vorzulegen. Nach dem Willen der Motionäre soll im Gesetz verankert werden, dass die Eltern Schuldner der Prämien des Kindes bleiben, wenn das Kind volljährig wird und die Unterhaltspflicht endet.
SPRACHAUSTAUSCH: Der Bundesrat soll in der Kulturbotschaft 2016-2020 den Kredit für den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften im Rahmen des schweizerischen Bildungssystems erhöhen. Der Nationalrat hat eine Motion von Géraldine Marchand (CVP/VS) mit 98 zu 70 Stimmen angenommen. Kulturminister Alain Berset argumentierte vergeblich dagegen, dass seit Einreichen der Motion in diese Richtung einiges unternommen worden und der Beitrag in der Kulturbotschaft bereits erhöht worden sei. Er räumte aber auch ein, dass es noch grosse Schritte brauche, um den gegenseitigen Sprachaustausch zu fördern. Die Motion geht nun an den Ständerat.
SPITALPLANUNG: Der Bund soll aufzeigen, wie die stationäre Versorgung in der Schweiz aufgrund von periodisch entwickelten Modellen gewährleistet werden kann. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat seiner Gesundheitskommission oppositionslos angenommen. In diesem Bericht sollen die realen Patientenströme und die echten Versorgungsregionen berücksichtigt werden. Es gehe nicht darum, dass die Kantone aus der Verantwortung entlassen würden, sagte Kommissionssprecher Christian Lohr (CVP/TG). Aber der Bundesrat müsse aufzeigen, in welche Richtung es gehe. Der Bundesrat ist bereit, einen solchen Bericht auszuarbeiten, wie Gesundheitsminister Alain Berset im Rat sagte.
ARZNEIMITTEL: Der Bundesrat soll sicherstellen, dass im Rahmen der Revision des Heilmittelgesetzes bei der Umteilung der Medikamente in andere Kategorien keine zusätzlichen Kosten entstehen. Der Nationalrat hat eine Motion seiner Gesundheitskommission mit 123 zu 48 Stimmen angenommen. Mit der Revision wird die Kategorie der apothekenpflichtigen Arzneimittel aufgehoben. 92 Medikamente werden neu rezeptpflichtig, bei 19 Medikamenten müssten systembedingt die Preise angepasst werden. Mithilfe der Motion soll insbesondere verhindert werden, dass durch die Umteilung der Arzneimittel der Liste C in Liste B zusätzliche Kosten und Aufwände für das Gesundheitssystem entstehen. Der Ständerat wird die Motion auch noch beraten.
POLITIKERENTSCHÄDIGUNG: Der Nationalrat will sich seine eigenen Einkünfte nicht kürzen. Er hat die Halbierung der Bezüge für eidgenössische Politikerinnen und Politiker mit 145 zu 41 Stimmen abgelehnt, welche Roger Köppel (SVP/ZH) mit einer parlamentarischen Initiative gefordert hatte. Aus seiner Sicht hat die Höhe für Entschädigungen dazu geführt, dass viele Politikerinnen und Politiker nicht mehr einer ordentlichen Arbeit nachgingen, womit das Milizsystem untergraben werde. Die Gegner der Idee erachteten dies als kontraproduktiv; das Milizsystem werde dadurch nicht gestärkt. Im Gegenteil, es würden nur noch vermögende Personen in den eidgenössischen Räten einsitzen. Das Geschäft ist damit erledigt.
PFLEGE: Der Nationalrat will kein Massnahmenpaket zur Stärkung der Pflege älterer Menschen in der Schweiz. Er hat eine Motion der BDP-Fraktion mit 120 zu 58 Stimmen abgelehnt. Rosmarie Quadranti (BDP/ZH) argumentierte erfolglos, dass sich die Qualität der Pflege seit Jahren verschlechtere und die Belastung des Personals stetig zunehme. Aktionspläne und viel Gerede reichten in einer solchen Situation nicht. Gesundheitsminister Alain Berset verwies dagegen auf verschiedene laufende Arbeiten auf diesem Gebiet. Verantwortlich für die Sicherstellung der Qualität der Pflege älterer Menschen seien aber primär die Kantone. Die Mehrheit der grossen Kammer folgte ihm. Der Vorstoss ist mit dem Nein vom Tisch.
MIETZINSMAXIMA: Der Nationalrat hat stillschweigend ein Geschäft über die anrechenbaren Mietzinsmaxima bei Ergänzungsleistungen abgeschrieben. Ziel des Vorstosses war, dass im Gesetz über die Ergänzungsleistungen zur AHV die Höchstbeträge für die anrechenbaren Mietzinse erhöht werden. Das Anliegen ist in der Zwischenzeit in die Reform des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen zur AHV eingeflossen und wurde damit gegenstandslos. Die Räte hatten sich im März auf die Reform geeinigt und dabei unter anderem die anrechenbare Mietzinsen erhöht.
TRANSPARENZ: Medienschaffende der SRG und anderer von der Öffentlichkeit mitfinanzierten Medien sollen ihre Interessenbindungen und ihre politische Einstellung nicht offenlegen müssen. Dieser Meinung ist der Nationalrat. Er hat eine parlamentarische Initiative von Claudio Zanetti (SVP/ZH) mit 117 zu 62 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt. Dem Initianten schwebte ein "in der Politologie gebräuchlicher Fragenkatalog" vor, den Journalistinnen und Journalisten beantworten sollten, bevor sie die Akkreditierung erhalten. In den Augen einer Mehrheit stellt das aber einen zu grossen Eingriff in die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit der betroffenen Medienschaffenden dar. Der Vorstoss ist erledigt.
KINDER: Mit Blick auf die Umsetzung verschiedener parlamentarischer Vorstösse zum Thema frühkindliche Förderung hat der Nationalrat beim Bundesrat einen Bericht bestellt. Der Bundesrat muss nun eine Strategie zur Stärkung und Weiterentwicklung der frühen Förderung erarbeiten. Die grosse Kammer folgte dem Antrag seiner vorberatenden Kommission hauchdünn mit 86 zu 85 Stimmen. Die Ratsrechte stellte sich dagegen. Es gebe schon ausreichend Förderangebote von Bund, Kantonen und Privaten, sagte die Berner SVP-Nationalrätin Nadja Pieren. "Es braucht nicht noch mehr Staat." Ihre Minderheit zog aber den Kürzeren.
BUNDESRATSSITZUNGEN: Die Bundesratssitzungen werden auch weiterhin hinter verschlossenen Türen stattfinden. Der Nationalrat hat sich mit 153 zu 34 Stimmen gegen eine parlamentarische Initiative von Roger Köppel (SVP/ZH) ausgesprochen, die zum Ziel hatte, die Verhandlungen des Bundesrates wie auch das Mitberichtsverfahren öffentlich zu machen. Die Mehrheit erachtet öffentliche Regierungssitzungen nicht als vereinbar mit dem Kollegialitätsprinzip. Die Parteien würden vermehrt Einfluss auf ihre Mitglieder in der Regierung nehmen, sodass die Kompromissfindung erschwert würde. Mit dem Nein ist der Vorstoss vom Tisch.
SEXUELLE BELÄSTIGUNG: Der Nationalrat will die Hürde für den Nachweis von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nicht senken. Er lehnte eine parlamentarische Initiative von Mathias Reynard (SP/VS) mit 133 zu 51 Stimmen ab. Im Gleichstellungsgesetz ist in einem Artikel über die Beweislasterleichterung festgehalten, dass eine Diskriminierung am Arbeitsplatz als vermutet gilt, wenn die betroffene Person dies glaubhaft machen kann. Der Artikel gilt heute etwa, wenn jemand bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der Entlöhnung oder der Beförderung diskriminiert wird. Mit der parlamentarischen Initiative hätte dies neu auch für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gelten sollen. Der Vorstoss ist mit dem Nein aber erledigt.
MISSBRAUCHSVORWÜRFE: Der Bundesrat soll keinen Aufklärungsbericht zu Missbräuchen in Schulen, Kirchen, Heimen oder Vereinen während den 1960er- bis 1980er-Jahre verfassen. Dies liege in der Verantwortung der Kantone. Der Nationalrat hat ein Postulat von SVP-Nationalrätin Nathalie Rickli (ZH) mit 95 zu 76 Stimmen abgelehnt. Sie verlangte die Aufarbeitung vor dem Hintergrund des Skandals um den Reformpädagogen Jürg Jegge und von weiteren Missbräuchen von Pädokriminellen und entsprechenden Vorfällen. Auch der Bundesrat lehnte einen solchen Bericht ab. Schule und die Heimerziehung seien in der Zuständigkeit der Kantone, Vereine und Kirchen unterlägen ebenfalls nicht der Aufsicht des Bundes, sagte Berset im Rat.
GESUNDHEIT: Der Bundesrat soll im Kampf gegen Fettleibigkeit keine Massnahmen gegenüber Herstellern von zuckerhaltigen Getränken ergreifen. Der Nationalrat hat ein Postulat von Laurence Fehlmann (SP/GE) mit 118 zu 51 Stimmen abgelehnt. Zahlreiche Länder hätten Massnahmen ergriffen, um den Konsum von zuckerhaltigen Getränken einzuschränken, argumentierte Fehlmann. Dazu zähle die Erhöhung der Preise dieser Produkte, die Verbesserung ihrer Beschriftungen, Kampagnen zur Sensibilisierung der Bevölkerung oder Kombinationen dieser Massnahmen. Die Schweiz solle nachziehen. Hersteller müssten aufgefordert werden, den Zuckergehalt ihrer Produkte signifikant respektive auf weniger als fünf Prozent reduzieren.
BERUFLICHE VORSORGE: Der Bundesrat soll die Benachteiligungen der älteren Generation in der beruflichen Vorsorge (BVG) abschaffen und bei den Altersgutschriften einen Einheitssatz einführen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion der BDP mit 165 Ja-Stimmen bei 12 Enthaltungen gutgeheissen. Arbeitnehmende ab fünfzig Jahren hätten im Arbeitsmarkt keine fairen Chancen mehr, sagte Duri Campell (BDP/GR) im Rat. Ein wesentlicher Grund liege in den steigenden Altersgutschriften, welche je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen würden. Diese führe zu einer ständig steigenden "Verteuerung" der betroffenen Arbeitskräfte. Daher brauche es einen Einheitssatz bei den Altersgutschriften. Der Bundesrat lehnte das Ansinnen ab. Zur Motion wird sich noch der Ständerat äussern.
KRANKENKASSEN: Wer Geld sparen will mit einer erhöhten Franchise oder einem besonderen Versicherungsmodell, soll mindestens drei Jahre dabei bleiben müssen. Das schien den eidgenössischen Räten zunächst eine gute Idee. Die Revision stiess aber bereits in der Vernehmlassung auf grosse Kritik. Moniert wurde etwa, dass die Vorlage längerfristig eher kostentreibend denn kostensenkend wirke. Nach dem Ständerat lehnte die Idee nun auch der Nationalrat stillschweigend ab. Mit einer Gesetzesänderung hätte verhindert werden sollen, dass Versicherte ihre Franchise wegen eines absehbaren Leistungsbezugs - beispielsweise einer planbaren Operation - vorübergehend senken und dann wieder erhöhen. Die Änderung ist damit vom Tisch.
KLIMA: Eine für (morgen) Donnerstag angekündigte Aktion von Klimaaktivisten vor dem Bundeshaus hat am Vorabend die Gemüter im Nationalrat erregt. Eine Mehrheit forderte das Ratspräsidium auf, bei Kanton und Stadt Bern vorstellig zu werden. Dass der Zugang zum Haupteingang nicht gewährt sei, sei "nicht akzeptabel", sagte Thomas Aeschi (SVP/ZG). Das Ratspräsidium solle den verantwortlichen Stellen der Stadt und des Kantons Bern mitteilen, dass man sich nicht von Aktivisten erpressen lassen dürfe. Die grosse Kammer nahm einen entsprechenden Ordnungsantrag deutlich mit 119 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung an. Die Fraktionen von SP und Grünen stimmten nicht ab.
GESUNDHEIT: Der Nationalrat lehnt einen Bericht des Bundesrats zur Cybersicherheit im Gesundheitswesen ab. Er hat ein entsprechendes Postulat von Bea Heim (SP/SO) deutlich mit 114 zu 61 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Die Postulantin machte erfolglos geltend, dass eine Meldepflicht und Massnahmen für die IT-Sicherheit in Spitälern dringend zu prüfen seien. Die EU sei in diesen Bereichen viel weiter. Der Bundesrat dagegen erachtete das Anliegen des Vorstosses mit der Erarbeitung der Strategie E-Health Schweiz 2.0 bereits als erfüllt.
FRAUENSTREIK: Der Nationalrat wird die Sitzung am Tag des Frauenstreiks, am Freitag, 14. Juni, von 11 bis 11.15 Uhr unterbrechen, "damit die Ratsmitglieder aus Solidarität mit den Frauen an einer der verschiedenen Aktivitäten teilnehmen können", wie Ratspräsidentin Marina Carobbio (SP/TI) in einem Schreiben an die Ratsmitglieder mitteilte. SVP-Nationalrat Andreas Glarner (AG) versuchte mit einem Ordnungsantrag, diese Pause zu verhindern. Wenn die Frauen im Nationalrat streiken wollten, dann sollten sie dafür einen freien Tag einziehen, meinte Glarner. Der Rat lehnte seinen Antrag mit 114 zu 55 Stimmen bei 7 Enthaltungen ab.
Der Ständerat in Kürze
Bern (sda)
UNTERNEHMEN: Inhaberaktien sollen in Namenaktien umgewandelt werden müssen. Anders als der Nationalrat ist der Ständerat damit einverstanden. Bei den Details wich er allerdings von der Vorlage des Bundesrats ab. Er folgte am Mittwoch teilweise seiner Kommission, obwohl deren Version die Anforderungen des "Global Forum" nicht erfüllt. So verlängerte er die Frist, nach welcher Inhaberaktien automatisch in Namenaktien umgewandelt werden. Der Druck des "Global Forum" sorgte für grossen Unmut. Bundespräsident und Finanzminister Ueli Maurer stellte fest, wer international mitspielen wolle, habe sich an die Regeln zu halten. Er sei in dieser Frage vom Saulus zum Paulus geworden. Erfüllt die Schweiz die Anforderungen nicht, könnte sie in einigen Monaten auf einer schwarzen Liste landen - zusammen mit Ghana, Kasachstan und Curaçao.
BESCHAFFUNGEN: Der Ständerat bleibt bei der Revision des Beschaffungsrechts auf Kollisionskurs mit der WTO. Er hat beschlossen, dass bei Beschaffungen auch die Kaufkraft in jenem Land berücksichtigt werden muss, in dem eine Leistung erbracht wird. Laut Finanzminister Ueli Maurer ist das "ganz klar WTO-widrig". Der Ständerat ist aber bereit, das Risiko einzugehen. Schweizer KMU dürften nicht durch Angebote aus Billigländern geschädigt werden, hiess es. Der Nationalrat hatte sich gegen eine entsprechende Vorschrift ausgesprochen. Beim Einsichtsrecht oder bei den Schutzgebühren bleiben weitere Differenzen.
BANKDATEN: Das Parlament will die Regeln zum Umgang mit Amtshilfegesuchen auf Basis gestohlener Daten nicht ändern. Der Ständerat hat es als Zweitrat abgelehnt, auf eine Vorlage einzutreten. Das Geschäft ist damit vom Tisch. Die Mehrheit im Parlament kam zum Schluss, mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichts erfülle die Schweiz die Vorgaben des "Global Forum" bereits. Demnach kann die Schweiz auf Gesuche auf Basis gestohlener Daten eintreten, wenn der ersuchende Staat diese nicht gekauft und sich nicht sonst treuwidrig verhalten hat. Diese Auslegung erlaubte die Deblockierung zahlreicher Amtshilfegesuche.
FINANZAUSGLEICH: National- und Ständerat haben sich auf eine Anpassung des Finanz- und Lastenausgleichs (NFA) geeinigt. Es handelt sich um einen Kompromiss, den die Kantone unter sich und mit dem Bund ausgehandelt haben. Die Geberkantone werden dadurch entlastet, die Nehmerkantone erhalten eine gesetzlich garantierte Mindestausstattung. Auch der Bund spart dabei Geld. Diese Mittel sollen aber im System bleiben: 140 Millionen Franken sollen während einer Übergangszeit zur Unterstützung der Nehmerkantone verwendet werden. Mit dem gleichen Betrag wird der soziodemografische Ausgleich aufgestockt. Dieses Geld kommt den städtischen Zentren zu Gute.
BANKNOTEN: Alte Banknoten können künftig unbefristet eingetauscht werden. Der Ständerat ist stillschweigend dem Nationalrat gefolgt. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmungen. Der unbefristete Umtausch soll ab der sechsten Serie gelten, die ab 1976 in Umlauf gebracht wurde. Die 100-Franken-Note ziert ein Porträt des Architekten Francesco Borromini. Die Umtauschfrist würde im Mai 2020 auslaufen. Die Mehrheit im Parlament kam aber wie der Bundesrat zum Schluss, dass eine Frist nicht mehr zeitgemäss ist. 25 Jahre nach dem Rückruf einer Banknotenserie werden 90 Prozent des Gegenwerts der nicht eingetauschten Noten an den Fondssuisse sowie an Bund und Kantone verteilt. 10 Prozent des Gegenwertes bleiben bei der Nationalbank.