Bern (sda) Die Verwahrungsinitiative lässt sich nach Ansicht der nationalrätlichen Rechtskommission (RK) nicht in Einklang mit der Menschenrechtskonvention (EMRK) umsetzen. Mit 16 zu 4 Stimmen hat die RK deshalb das Ausführungsgesetz abgelehnt 05.081.

Vor drei Wochen war die Kommission noch knapp auf die vom Ständerat gutgeheissene Vorlage eingetreten. Die Mehrheit glaubte damals, der neue Verfassungsartikel zur lebenslänglichen Verwahrung nicht therapierbarer, extrem gefährlicher Sexual- und Gewaltstraftäter könne zwar nicht buchstabentreu, aber doch EMRK- konform angewandt werden.

Die Richter entscheiden

Nach der Detailberatung kam die RK nun zu einem andern Schluss, wie ihr Präsident Daniel Vischer (Grüne/ZH) am Freitag mitteilte: Weil die Initiative Gutachten über die Verwahrten nur bei «neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen» zur Heilbarkeit des Täters zulässt, kollidiert sie mit der EMRK, die eine Überprüfung in angemessenen Abständen vorschreibt.

«In der Zwickmühle» gebe die Kommission dem Völkerrecht den Vorrang vor dem Verfassungsrecht, sagte Vischer. Es sei an den Gerichten, im Einzelfall zu entscheiden. Der Verfassungsartikel sei zwar direkt anwendbar, doch müssten sich auch die Richter an die EMRK halten. Ein Verwahrter könne nach einem abschlägigen Entscheid bis nach Strassburg gehen.

Das Geschäft geht nun an den Nationalrat. Folgt dieser - was laut Vischer anzunehmen ist - der Kommission, kommt dies einem Nichteintretensentscheid gleich. Schliesst sich der Ständerat dann an, oder beharrt die grosse Kammer ein weiteres Mal auf dem Nichteintreten, ist die Gesetzesvorlage vom Tisch.

Gültigkeit war fraglich

Das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung sei in der Kommission unbestritten, sagte Vischer. Man habe sich nicht um die Gesetzgebung gedrückt, sei aber zu einem «weisen Beschluss» gekommen. Für die Initiantinnen - sie hatten sich gegen die Vorlage ausgesprochen - bringe dieser Beschluss «keinen Rechtsnachteil».

Nach Ansicht Vischers war wegen der Kollision mit zwingendem Völkerrecht schon die Gültigkeit der Initiative fraglich gewesen. Bundesrat und Parlament seien aber dem Grundsatz «in dubio pro populo» (im Zweifel für das Volksrecht) gefolgt. Für den Gesetzgeber gelte dieser Grundsatz nun nicht mehr.

Bundesrat Christoph Blocher - persönlich ein Befürworter der Volksinitiative - konnte an den Kommissionsberatungen nicht teilnehmen, weil er zur Unterzeichnung eines Rechtshilfvertrags und eines Rückübernahmeabkommens nach Chile gereist war. In der Eintretensdebatte hatte der Justizminister die Gesetzesvorlage aber verteidigt.