Der Bundesrat nehme seine Führungsfunktion zu wenig wahr, kritisieren die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK). Am Dienstag haben sie dazu eine Untersuchung vorgelegt. Dass sich der Bundesrat umgehend rechtfertigte, veranlasste die GPK zu weiterer Kritik.

"Im Flugzeug der Eidgenossenschaft fehlt der Pilot", sagte Maria Roth-Bernasconi (SP/GE), Präsidentin der nationalrätlichen GPK, vor den Medien in Bern. Dies hätten die Geschäftsprüfungskommissionen schon im Rahmen anderer Untersuchungen festgestellt. Nun habe sich der Eindruck bestätigt.

Die GPK legten die Ergebnisse einer Untersuchung vor, die sie bei der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle in Auftrag gegeben hatten. Sie stellen dem Bundesrat ein schlechtes Zeugnis aus: Es bestehe "hoher Handlungsbedarf", lautet das Fazit.

Keine Zeit für Strategisches

Im Bundesrat und innerhalb der Bundesverwaltung bestehe keine einheitliche Auffassung bezüglich Zweck und Bedeutung der Steuerungsinstrumente, steht im Untersuchungsbericht.

Der Bundesrat messe dem Führungsprozess eher eine untergeordnete Bedeutung zu, die Steuerung sei an Einzelfällen orientiert, und die Planung von Finanzen und Aufgaben sei nicht konsequent miteinander verknüpft.

Einen Grund für die Mängel sehen die Autoren in der starken Belastung des Bundesrats. In dessen Sitzungen steht demnach für strategische Fragen kaum Zeit zur Verfügung: Die Regierung muss die meiste Zeit für die Behandlung von Einzelgeschäften und parlamentarischen Vorstössen aufwenden.

Zeitplan bis Ende April

Ausgeklammert wurde in der Untersuchung die Analyse der kurzfristigen Steuerung in Krisensituationen. Die Libyen-Affäre, die Finanzmarktkrise und der Steuerstreit mit den USA hätten indes gezeigt, dass auch das Krisenmanagement "von höchster Aktualität" sei, halten die GPK fest.

Der Bericht enthält Leitsätze für den Bundesrat. So soll die Regierung zum Beispiel die strategische Steuerung auf das Früherkennen von gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Trends ausrichten.

Angesichts der geplanten Regierungsreform verzichten die GPK auf konkrete Empfehlungen. Sie bitten den Bundesrat aber, ihnen bis am 30. April den Zeitplan für die Regierungsreform vorzulegen. Ferner weisen sie ihn darauf hin, dass er gemäss dem Bericht über einen "erheblichen Handlungsspielraum" für Verbesserungen verfüge.

Bundesrat zieht Nutzen in Zweifel

Der Bundesrat beurteilt die Situation anders. Er habe vom Bericht Kenntnis genommen, heisst es in einer Stellungnahme, die kurz vor der Medienkonferenz der GPK veröffentlicht wurde. Verschiedene Massnahmen seien eingeleitet, und im Rahmen der Regierungsreform würden weitere Schritte erwogen.

Aus Sicht des Bundesrats sei es aber nicht wünschbar, "auf dem Papier überdimensionierte Kontrollen zu entwerfen, die in der Praxis nicht funktionieren". Zudem müsse die Bedeutung von Planungsinstrumenten in einer direkten Demokratie relativiert werden.

In der Schweiz könne nur in begrenztem Umfang auf der Basis von mehrjährigen Programmen regiert werden. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die Parteien im Parlament eine Koalition bildeten. Überdies sei die Arbeit der Regierung regelmässig den Entscheiden des Volkes unterworfen, gibt der Bundesrat zu bedenken.

GPK überrascht von Reaktion

Die GPK zeigten sich erstaunt über diese Reaktion. "Wir fragen uns, ob der Bundesrat überhaupt verstanden hat, worum es geht", sagte Claude Janiak (SP/BL), der Präsident der ständerätlichen GPK. Roth-Bernasconi mutmasste gar, der Bundesrat habe wohl nicht verstanden, was "Führung" bedeute.

Brigit Wyss (Grüne/SO) von der zuständigen Subkommission der GPK wies darauf hin, dass die Erkenntnisse bezüglich strategischer Steuerung aus Erfahrungen anderer Länder stammten. "Der Bundesrat wäre gut beraten, den Bericht ernst zu nehmen", sagte Wyss.

 

SDA, 23.03.2010