(sda) Die Quadratur des Kreises scheint gelungen zu sein: Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) will die Ausschaffungsinitiative (13.056) nun ebenfalls mit einer Härtefallklausel umsetzen. Sie empfiehlt dem Nationalrat, sich der Lösung der kleinen Kammer anzuschliessen.

Kern dieser Umsetzungsvorlage ist die Möglichkeit des Gerichts, auf die automatische Ausschaffung zu verzichten, wenn diese zu einem unzumutbaren Härtefall für die betroffene Person führen würde. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das öffentliche Interesse an einer Ausschaffung nicht überwiegend ist.

Damit werde nicht einfach auf den Verhältnismässigkeits-Grundsatz verwiesen, sagte SPK-Mitglied Kurt Fluri (FDP/SO) am Donnerstag vor den Bundeshausmedien. Dieser werde stark eingeschränkt. "Wir bleiben bei der automatischen Ausschaffung, aber mit Ausnahmen."

Rund 5 Prozent der Fälle würden nach Schätzung von Kommissionspräsidentin Cesla Amarelle (SP/VD) unter die Härtefallklausel fallen. "Eine Ausnahme betrifft immer eine Minderheit, sonst wäre es ja keine Ausnahme."

Ausschaffung nur bei schweren Delikten

Neben der Härtefallklausel gibt es weitere Differenzen zwischen den beiden Räten. So hat der Ständerat im Dezember entschieden, die nicht obligatorische Landesverweisung wieder einzuführen: Nach Ermessen soll der Richter auch bei weniger schweren Delikten eine Landesverweisung anordnen können - eine Bestimmung, die insbesondere auf Kriminaltouristen zielt.

Und schliesslich sind es unterschiedliche Delikte, die zu einer automatischen Ausschaffung führen sollen. Der Nationalrat hatte sich im März letzten Jahres am Text der Durchsetzungsinitiative orientiert. Dieser sieht für Wiederholungstäter die zwingende Ausschaffung auch bei leichten Delikten vor. In der vom Nationalrat beschlossenen Version müssten unter Umständen auch Ausländer die Schweiz zwingend verlassen, die nur ein Antragsdelikt begangen haben.

Der Ständerat dagegen hat den Deliktskatalog neben den in der Initiative explizit genannten Straftaten konsequent auf Verbrechen beschränkt. Es handelt sich um Delikte, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind. Das bedeutet aber nicht, dass Landesverweisungen nur ab einem bestimmten Strafmass ausgesprochen werden könnten, so wie es der Bundesrat vorgeschlagen hatte.

Breite Zustimmung in der Kommission

Die von der Schwesterkommission ausgearbeitete und vom Ständerat mit grosser Mehrheit angenommene Umsetzung hat die SPK des Nationalrates überzeugt. Laut Amarelle sprach sie sich mit 17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung für die Härtefallklausel aus. Auch die übrigen Elemente der Vorlage stiessen im Wesentlichen nur bei der SVP auf Widerstand.

Die Mehrheit sei überzeugt, dass diese Umsetzung den Volkswillen besser abbilde als die Beschlüsse des Nationalrats, sagte die SPK-Präsidentin. Zudem werde die Rechtsstaatlichkeit respektiert.

Die Ausschaffungsinitiative hat den Makel, dass sie keinen Raum für die Würdigung der Umstände des Einzelfalls lässt. Das widerspricht dem in der Verfassung verankerten Grundsatz der Verhältnismässigkeit staatlichen Handelns. Das Bundesgericht hat bereits angekündigt, das Verhältnismässigkeitsprinzip auch bei Ausschaffungen weiterhin anwenden zu wollen. Im Ständerat war deshalb schon von einem "Schein-Automatismus" die Rede gewesen.

Dieser Konflikt könnte mit der Variante des Ständerats wohl gelöst werden. Die SPK liess sich aber auch von pragmatischen Überlegungen leiten, wie Fluri sagte: Weil es im Ständerat nur drei Gegenstimmen gab, hätte sich in der Differenzbereinigung wohl dessen Variante durchgesetzt, oder aber es wäre zu keiner Einigung gekommen. "Das wollten wir vermeiden", sagte Fluri.

Fristverlängerung für Durchsetzungsinitiative

Die Vorlage soll vom Nationalrat in der Frühlingssession beraten werden. Die Ausschaffungsinitiative muss bis im November dieses Jahres umgesetzt werden. Diese Arbeit soll abgeschlossen und ein allfälliges Referendum abgewartet werden, bevor die Durchsetzungsinitiative zur Abstimmung gebracht wird, wie Amarelle sagte. Dies hat der Ständerat bereits beschlossen.

Wegen der eidgenössischen Wahlen könnte eine Referendumsabstimmung wohl erst im Februar 2016 durchgeführt werden. SPK-Mitglied Gregor Rutz (SVP/ZH) schloss nicht aus, dass die SVP Unterschriften gegen die von der Kommission beantragte Umsetzung sammeln wird. Die Durchsetzungsinitiative, die weit über die Ausschaffungsinitiative hinausgeht, hatte die SVP lanciert, weil die Umsetzungsarbeiten ihrer Meinung nach nicht in die richtige Richtung und nicht rasch genug vorangingen.

 

sda, 15. Januar 2015