(sda) Die neuen Massnahmen zur Terrorismus-Bekämpfung sind im Nationalrat hoch umstritten. Von Anfang an gaben am Donnerstagnachmittag der geplante Hausarrest und die EMRK-widrige Präventivhaft zu reden. Das links-grüne Lager hatte grundsätzliche Vorbehalte.

Ein Antrag auf Nichteintreten scheiterte jedoch mit 107 zu 84 Stimmen. Auch zwei Anträge auf Rückweisung an den Bundesrat lehnte der Nationalrat ab. Diese waren unter anderem mit der Forderung verbunden gewesen, die geplanten präventiven Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus auf ihre Verfassungsmässigkeit und ihre Vereinbarkeit mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz zu prüfen.

Es geht um Melde- und Gesprächsteilnahmepflichten, Kontakt-, Rayon- und Ausreiseverbote, Hausarrest und elektronische Überwachung. Mit diesen Massnahmen sollen so genannte Gefährder in Schach gehalten werden. Als Gefährder gelten Personen, wenn aufgrund konkreter und aktueller Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass sie eine terroristische Aktivität ausüben werden.

"Menschenleben retten"

"Es sind präventive Massnahmen, die den Polizeiorganen erlauben, einen Terroranschlag möglichst zu verhindern", erklärte Kommissionssprecher Mauro Tuena (SVP/ZH). Angesichts der terroristischen Bedrohungslage in Europa und damit auch in der Schweiz seien Verschärfungen dringend nötig. Mit präventiven Massnahmen könnten "Menschenleben gerettet werden."

Sp, Grüne und Grünliberale waren klar anderer Meinung. Sie lehnten die Massnahmen grundsätzlich ab, vor allem aber den Hausarrest und die von der vorberatenden Kommission beantragte Präventivhaft. "Den Kampf gegen Terrorismus gewinnt man nicht mit Repression", erklärte die Grüne Marionna Schlatter (ZH).

Katja Christ (GLP/BS) warnte, Menschenrechte dürften nicht für die Terrorbekämpfung geopfert werden. Sie kritisierte, dass Massnahmen auf blossen Verdacht hin angeordnet werden können. Mit Ausnahme des Hausarrests unterstünden diese nicht einmal der richterlichen Überprüfung. "Offenkundig sind grosse Teile der Gesellschaft bereit, immer mehr Freiheitsrechte zu Gunsten von mehr Sicherheit zu opfern", sagte Christ. Sie riskierten, am Ende beides zu verlieren.

Kinder im Visier

Umstritten war auch, dass die präventiven Massnahmen wie Kontakt- oder Rayonverbote schon gegen 12-Jährige angeordnet werden können. Hausarrest ist ab 15 Jahren möglich. Aus "unzähligen" Fällen in Europa wissen man, dass Terroranschläge auch von Minderjährigen ausgeführt würden, sagte Kommissionssprecher Tuena. Das stehe mehrfach im Widerspruch zu allen Kindesschutzrechten, kritisierte Schlatter. Für Franziska Roth (SP/SO) sind "die Massnahmen der Schweiz nicht würdig".

Mehrere bürgerliche Redner sprachen von der "traurigen Tatsache", dass sich schon Kinder radikalisierten. Es gelte, Lücken im Abwehrdispositiv zu füllen, die sich in der Praxis gezeigt hätten, erklärte SVP-Sprecher Jean-Luc Addor (VS). Im Visier seien nur Personen, von denen eine konkrete Gefährdung ausgehe und nicht die ganze Schweizer Bevölkerung.

Im Rahmen der "legitimen Verteidigung" gegen den Terrorismus hält es Addor auch für gerechtfertigt, dass "terroristische Kinder " ins Recht gefasst werden. Die FDP und die Mitte-Fraktion unterstützten die präventiven Massnahmen ebenfalls. "Wenn man mehr Sicherheit will, braucht es gewisse Opfer", sagte Alois Gmür (CVP/SZ).

Überwachen und Strafen

Über die Vereinbarkeit der Massnahmen mit Grund- und Menschenrechten herrscht Uneinigkeit. Die Uno-Menschenrechtskommission, die Menschenrechtsbeauftragte des Europarates und achtzig Menschenrechtsorganisationen hatten das im Vorfeld in Frage gestellt. Ein Gutachten im Auftrag von Bund und Kantonen ist dagegen zum Schluss gekommen, dass die Massnahmen mit Ausnahme der Präventivhaft EMRK-konform und auch in Übereinstimmung mit der Uno-Kinderrechtskonvention umgesetzt werden können.

Nach dem Eintreten hat der Nationalrat die Debatte über die einzelnen Bestimmungen der Vorlage aufgenommen. Aus dem links-grünen Lager gibt es zahlreiche Anträge mit dem Ziel, die Vorlage zu entschärfen.

Parallel zu den präventiven Massnahmen wird derzeit das Strafrecht verschärft. Der Nationalrat hat diese Vorlage am Dienstag gutgeheissen. Im Zentrum steht eine neue Terrorismus-Strafnorm. Diese stellt das Anwerben, die Ausbildung und Reisen im Hinblick auf einen Terrorakt unter Strafe. Der Ständerat hat bereits beide Vorlagen gutgeheissen.