Damit ist der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Organspende fördern - Leben retten" bereit für die Schlussabstimmung. Die Volksinitiative empfehlen Bundesrat und Parlament zur Ablehnung. Es ist wahrscheinlich, dass es zu keinem Urnengang kommt, weil die Initiative zurückgezogen werden dürfte.
Heute gilt in der Schweiz bei der Organspende die Zustimmungslösung: Eine Organspende kommt nur dann infrage, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt hat. Liegt keine Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen entscheiden.
Äusserung zu Lebzeiten nötig
Die Volksinitiative verlangt einen Systemwechsel von der derzeitigen Lösung mit expliziter Zustimmung zur engen Widerspruchslösung. Wer seine Organe nicht spenden will, soll dies zu Lebzeiten äussern. Ansonsten wird davon ausgegangen, dass die Person im Falle ihres Ablebens mit der Entnahme von Organen einverstanden ist.
Der Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung sei ein europäischer Trend, lautete auch der Tenor im Parlament. Die Änderung sei eine konkrete Antwort auf den Organmangel respektive auf die Tatsache, dass zu wenig Menschen sich zu Lebzeiten dazu äusserten. Gemäss Umfrage wären nämlich viele Menschen bereit, ein Organ zu spenden, äussern diesen Willen aber nie.
Angehörige miteinbeziehen
Die Forderung der Volksinitiative ging dem Bundesrat und dem Parlament aber zu weit. Im indirekten Gegenvorschlag ist daher ergänzend vorgesehen, dass künftig auch Angehörige eine Organspende ablehnen können.
So werden wie bisher die Angehörigen befragt, wenn sich kein dokumentierter Wille findet. Sie könnten einer Entnahme von Organen widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht. Wenn es weder einen geäusserten Willen gibt und keine Angehörigen, die sich dazu äussern können, ist eine Entnahme der Organe nicht möglich.
Die Voraussetzungen für eine Spende in der Schweiz werden auch mit einem Systemwechsel gleich bleiben wie heute: Organe spenden können nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Verstirbt jemand ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.
Blick ins Ausland
Die kritischen Stimmen zum Paradigmenwechsel waren in beiden Räten zu hören, jedoch klar in der Minderheit. Die Änderung komme einer Pflicht zur Organspende sehr nahe, argumentierten die Gegner. Es sei ein Eingriff in die liberalen Werte des Staats, wenn die Rechte zunächst eingefordert werden müssten. Auch der Druck auf die Angehörigen werde massiv erhöht.
Es sei Zeit, diesen Schritt jetzt zu gehen, hielten die Befürworter dagegen. Die meisten europäischen Länder würden heute eine Widerspruchslösung kennen, bei der auch die Angehörigen einbezogen werden. Die erweiterte Widerspruchslösung lasse die Freiheit, sich bewusst dafür zu entscheiden, aber sich auch nicht damit befassen zu müssen.
Die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) hatte sich für einen dritten Weg ausgesprochen. Mit der sogenannten Erklärungsregelung sollten Personen regelmässig aufgefordert werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und anzugeben, ob sie ihre Organe spenden wollen oder nicht.