(sda) In mehreren Grenzkantonen sind seit längerem Gesetze für Mindestlöhne in Kraft. Der Nationalrat spricht sich nun für eine nationale Regelung zur Durchsetzung der Regeln für Entsandte aus - und widersetzt sich damit dem Ständerat.

Die grosse Kammer hat am Dienstag eine entsprechende Revision des Entsendegesetzes beschlossen. Der Entscheid fiel mit 106 zu 77 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Wie beim Eintretensvotum vor drei Monaten setzte sich eine Mehrheit aus SP, Grünen und Mitte-Fraktion durch.

Wenn ein Kanton Mindestlöhne erlasse, hätten diese auch für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gelten, argumentierte Regula Rytz (Grüne/BE) für die Vorlage. Gerade in Grenzkantonen sei es wichtig, dass für einheimische Firmen nicht strengere Regeln gälten als für ausländische. Insgesamt unterstützten 23 Kantone die Vorlage.

"Diese Vorlage schafft Rechtssicherheit", hielt Fabio Regazzi (Mitte/TI) im Namen der Kommissionsmehrheit fest. Er sei zwar "kein Fan der kantonalen Mindestlöhne". Dort, wo sie beschlossen worden seien, dürften Schweizer KMU aber nicht darunter leiden.

Heute sei nicht klar, ob die kantonalen Gesetze reichten, um die Mindestlohnregeln auch gegenüber Entsendebetrieben aus der EU durchzusetzen, sagte Samira Marti (SP/BL). Sie verstehe nicht, warum dieses Problem von vielen nicht ernst genommen werde - verbleibe doch die Anwendung der Mindestlöhne auch künftig in kantonaler Hoheit.

Gegner sehen Kantone in der Bringschuld

Svp und FDP hatten bereits in der Wintersession beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Nun lehnten sie das Gesetzesprojekt konsequenterweise auch in der Gesamtabstimmung ab. Sie folgten damit dem Ständerat, der in der Herbstsession mit 25 zu 17 Stimmen nichts von einer bundesrechtlichen Lösung des Problems wissen wollte.

Sozialpolitik sei Kantonssache, eine nationale Lösung untergrabe die Sozialpartnerschaft, sagte Thomas Burgherr (SVP/AG). Wenn Kantone mit geltendem Mindestlohn die Entsandten aus der Regelung ausgeschlossen hätten, sei das nicht Sache des Bundes. Wenn beispielsweise das Tessin dermassen unter dem Problem leide, habe es alle Mittel zu einer Lösung selber in der Hand.

Die Kantone sollten sich selbst um die Durchsetzung ihrer Mindestlöhne für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer kümmern, sagte auch FDP-Sprecherin Daniela Schneeberger (BL). Auch wenn die Vorlage telquel verabschiedet würde, verblieben offene Zuständigkeitsfragen, die wohl nur ein Gericht rechtsgültig klären könne.

Auftrag des Parlaments

Nun ist wieder die kleine Kammer am Zug. Bleibt sie bei ihrem Entscheid, ist die Vorlage vom Tisch. Tritt sie auf die Änderung des Entsendegesetzes ein, könnte es doch noch nationale Regeln geben.

Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin brach im Nationalrat erneut eine Lanze für die Revision. Der Bundesrat habe einen parlamentarischen Auftrag ausgeführt, dass kantonale Mindestlöhne auch für Entsandte gelten müssten. Zudem regle die Revision die Durchsetzungskompetenzen des Bundes.

Neben Genf, Neuenburg, Jura und Tessin, wo bereits ein kantonaler Mindestlohn gilt, hiess die Stimmbevölkerung des Kantons Basel-Stadt im Juni 2021 ebenfalls einen Mindestlohn gut.