(sda) Der Nationalrat will das bestehende Rückübernahmeabkommen zwischen Österreich und der Schweiz anpassen und ergänzen. Damit soll die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt an der Grenze zwischen den zwei Staaten erleichtert werden.

Die grosse Kammer hat am Mittwoch im Rahmen einer ausserordentlichen Session zur Migration eine entsprechende Motion von Marco Romano (Mitte/TI) angenommen, mit 105 zu 81 Stimmen. SVP, FDP und Mitte stimmten mehrheitlich dafür. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

Der Motionär will bei der Aktualisierung des Abkommens mit Österreich das ähnliche Abkommen mit Italien zum Vorbild nehmen. In der jüngeren Vergangenheit habe sich gezeigt, wie wirksam dieses Abkommen für die beiden Vertragsstaaten und die betroffenen Personen sei. Die Schweiz und Österreich hätten ein gegenseitiges Interesse, ein Abkommen zur Erreichung der gleichen Ziele abzuschliessen.

Warten auf EU-Reform

Laut Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider ist die Erneuerung des seit Anfang 2001 geltenden Abkommens nach wie vor ein offenes Anliegen der Schweiz. Vor dem Hintergrund der aktuellen Überlastung der österreichischen Migrationsstrukturen würden die Verhandlungen von österreichischer Seite jedoch derzeit nicht als prioritär erachtet.

Im Rahmen der grundlegenden Reform des europäischen Asyl- und Migrationssystems ist laut dem Bundesrat mit Verbesserungen zu rechnen. So solle es den Schengen-Staaten ermöglicht werden, auf bilateraler Ebene wirksamere Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen abzuschliessen. Bis dahin arbeite man mit Österreich auf Basis eines kürzlich verabschiedeten Aktionsplans zusammen.

Lehren aus dem Ukraine-Krieg ziehen

Der Nationalrat überwies dem Bundesrat nach der Sonderdebatte über die Migration auch zwei Prüfaufträge. So soll die Landesregierung nach Idee von Judith Bellaiche (GLP/ZH) in einem Bericht das Zukunftsbild einer "Zehn-Millionen-Schweiz" konkretisieren, in welchem Chancen positiv umgesetzt und Herausforderungen durch die Definierung von Lösungen, Planungszielen und konkreten Massnahmen systematisch bewältigt werden.

Zudem wurde der Bundesrat mit einem Postulat von Samira Marti (SP/BL) beauftragt, in einem Bericht darzulegen, wie die private Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Kantonen ausgebaut werden kann. Dafür sollen Erfahrungen aus der privaten Unterbringung von Ukraine-Geflüchteten evaluiert werden.

SVP im Wahlkampf-Modus

Keine Chance hatten fünf Motionen aus den Reihen der SVP, die eine restriktivere Asylpolitik forderten. Die Vorstösse scheiterten im Nationalrat und sind damit erledigt.

Die grösste Nationalratsfraktion nutzte die Bühne, um im Wahljahr auf ihr Kernthema hinzuweisen. Roger Köppel (SVP/ZH) sprach von einer "Verwahrlosung des Rechtsstaates im Asylbereich". Die "noble Asyltradition" der Schweiz sei gefährdet.

Kantone und Gemeinden kämen an die Grenze des Zumutbaren, monierte Andreas Glarner (SVP/AG). "Wir müssen den Zustrom von Asylsuchenden stoppen und wieder Grenzkontrollen einführen", forderte Gregor Rutz (SVP/ZH). Martina Bircher (SVP/AG) gab zu bedenken, dass sich die Schweiz in einer "Zuwanderungsspirale" befinde.

Justizministerin Baume-Schneider gab zwar zu, dass es "gewisse Mängel" im Schengen/Dublin-System gebe. Es herrsche jedoch kein Ausnahmezustand, der etwa die Einführung von Grenzkontrollen begründen könnte. Beispiele im Ausland zeigten zudem, dass solche Kontrollen keine Wirkung entfaltet hätten.

Nächste Migrationsdebatte im Ständerat

Insgesamt ist der Bundesrat laut Baume-Schneider der Ansicht, dass die bestehenden Strategien und Konzepte der Schweizer Asylpolitik greifen. Weitere Massnahmen seien derzeit nicht zielführend. Ein Ziel sei es jedoch, die irreguläre Migration zu bremsen.

Im Ständerat ist für morgen Donnerstag ebenfalls eine ausserordentliche Session zum Thema Migration traktandiert. Dabei kommen die fünf im Nationalrat gescheiterten SVP-Vorstösse zur Sprache. Verschiedene SVP-Ständeräte hatten im Vorfeld gleichlautende Motionen eingereicht.