Der Mittwoch, 17. April

Der Nationalrat in Kürze

(sda) KRIMINALITÄT: Im Kampf gegen Kriminalität fordert der Nationalrat DNA-Tests für bestimmte Asylsuchende. Nach einer Debatte über Kriminaltourismus und Asylmissbrauch hat er am Mittwoch einer Motion von Christophe Darbellay (CVP/VS) zugestimmt. Darüber muss nun der Ständerat befinden. Der Bundesrat lehnt die Massnahme ab. Präventive DNA-Tests würden einen Eingriff in die Grundrechte darstellen und der Verfassung widersprechen, argumentiert er. Im Zentrum der Debatte im Nationalrat stand die Kritik der SVP am Schengen-Abkommen. Ein Vorstoss für dessen Kündigung blieb aber chancenlos. Die Mehrheit im Rat befand, unter dem Strich bringe Schengen mehr Sicherheit. Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte, auf die grenzüberschreitende Kriminalität gebe es nur eine Antwort, nämlich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

  • ABTREIBUNGSFINANZIERUNG: Die obligatorische Krankenversicherung soll auch weiterhin für die Kosten von Abtreibungen aufkommen. Der Nationalrat lehnte eine Initiative, die dies ändern will, wuchtig mit 130 zu 29 Stimmen bei 19 Enthaltungen ab. Die Mehrheit beurteilte die Initiative als markanten Rückschritt. Im Vordergrund der mehrstündigen Debatte standen nicht die verhältnismässig geringen Kosten von rund 8 Millionen Franken pro Jahr, sondern Fragen zur Abtreibung. Wer aus ethischen Gründen Abtreibungen ablehne, solle sich nicht finanziell daran beteiligen müssen, hielten die Befürworter vor allem aus der SVP fest. Die Gegner befürchten, dass mit der Initiative der Zugang zu fachgerecht durchgeführten Eingriffen verschlechtert würde. Die finanziellen Möglichkeiten einer Frau würden wieder eine grössere Rolle spielen. Zudem funktioniere das heutige System mit der Fristenregelung, das 2002 vom Volk mit 72,2 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde.
  • NUMERUS CLAUSUS: Der Nationalrat fordert, dass die Zulassungsbeschränkungen zum Medizinstudium aufgehoben werden. Er hat eine Motion angenommen, die Massnahmen gegen den Numerus Clausus verlangt. Der Rat stimmte dem Vorstoss mit 110 zu 49 Stimmen bei 12 Enthaltungen zu, gegen den Willen des Bundesrates. Innenminister Alain Berset gab vergeblich zu bedenken, durch eine Aufhebung des Numerus Clausus würde kein einziger zusätzlicher Arzt ausgebildet, da nicht mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stünden. Die Mehrheit im Rat folgte der Argumentation von Viola Amherd (CVP/VS), die sich überzeugt zeigte, dass durch die Aufhebung des Numerus Clausus endlich genügend Fachkräfte in der Schweiz ausgebildet werden könnten. Nun muss der Ständerat über den Vorstoss befinden.
  • GLEICHSTELLUNG: Der Nationalrat will nichts wissen von einer Informationskampagne zur Gleichstellung. Er hat Vorstösse von Josiane Aubert (SP/VD) und Corrado Pardini (SP/BE) zu diesem Thema abgelehnt. Aubert forderte eine Informationskampagne zur Lohndiskriminierung. Die Gleichstellung sei seit vielen Jahren in der Verfassung und in einem Gesetz verankert, sagte Aubert. Dennoch sei die Lohndiskriminierung immer noch erheblich. Pardini forderte eine Informations- und Sensibilisierungskampagne zu allen Formen indirekter Diskriminierung, also auch zur Benachteiligung bei der Anstellung oder Beförderung. Die Mehrheit im Rat sah jedoch für beides keine Notwendigkeit. Nein sagte er auch zu einer Motion von Silvia Schenker (SP/BS). Sie wollte den Bundesrat beauftragen zu prüfen, wie Unternehmen verpflichtet werden könnten, ihre Lohnstruktur betriebsintern offenzulegen.
  • LANDWIRTSCHAFT I: Frauen in der Landwirtschaft sind bei Scheidungen, Betriebsübergaben oder Unfällen finanziell oft schlecht abgesichert. Der Nationalrat will nun wissen, wo die Probleme genau liegen und wie sie behoben werden könnten. Er hat einer Motion stillschweigend zugestimmt, die vom Bundesrat einen Bericht verlangt. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Der Bundesrat hatte sich mit dem Auftrag einverstanden gezeigt. Er will die Ausgangslage darlegen und allfälligen Handlungsbedarf aufzeigen.
  • LANDWIRTSCHAFT II: Die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft wird auch künftig nicht unter Berücksichtigung der drei Aspekte Ökonomie, Soziales und Ökologie bewertet. Der Nationalrat hat eine Motion aus dem Ständerat mit 97 zu 70 Stimmen abgelehnt, die den Bundesrat mit einer entsprechenden Änderung des Landwirtschaftsgesetzes beauftragen wollte. Die Befürworter argumentierten vergeblich, dass der Gesetzesartikel heute auf einem überholten Nachhaltigkeitsbegriff basiere.
  • PALMÖL: Der Import von Palmöl wird nicht eingeschränkt. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Freiburg abgelehnt. Der Kanton verlangte, dass der Import von Palmöl verboten wird, das nicht schweizerischen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen entspricht. Ausserdem sollte die Verwendung von Palmöl in Lebensmitteln ausdrücklich gekennzeichnet werden müssen. Die zweite Forderung will der Bundesrat erfüllen: Die Deklarationspflicht werde voraussichtlich noch in diesem Jahr eingeführt, teilte er im Februar mit. Heute kann Palmöl als "pflanzliches Öl" deklariert werden. Neu würde eine exakte Bezeichnung verlangt, beispielsweise "Rapsöl" oder "Palmöl".
  • LITTERING: Von einem obligatorischen Pfand auf Getränkeflaschen und -dosen gegen Littering hält der Nationalrat weiterhin nichts. Er lehnte die Forderung zum fünften Mal in sechs Jahre ab - diesmal mit 90 zu 58 Stimmen bei 17 Enthaltungen. Nach Ansicht der Ratsmehrheit funktioniert das Recycling-System. Alois Gmür (CVP/SZ) wollte mit seiner parlamentarischen Initiative gegen herumliegenden Abfall in der Öffentlichkeit vorgehen. Mit einem Pfand erhielten Alu-Dosen, Glas- und PET-Flaschen einen Wert und würden nicht mehr achtlos weggeworfen, sagte er. Das Problem sei vor allem auf dem Land markant: Im Gras herumliegende Aludosen verletzten Kühe.
  • NATIONALGESTÜT: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Waadt zum Nationalgestüt abgelehnt. Das Anliegen der Initiative sei bereits erfüllt, argumentierte die vorberatende Kommission. Im Landwirtschaftsgesetz wurde verankert, dass der Bund ein Nationalgestüt betreibt. Dies hatte der Kanton Waadt mit seiner Standesinitiative gefordert.

 

Der Dienstag, 16. April

Der Nationalrat in Kürze

(sda) KONKURSRECHT: Sanierungen von Unternehmen in Schieflage sollen erleichtert werden. Der Nationalrat stimmte am Dienstag der Revision des Konkursrechts mit 99 zu 74 Stimmen zu. Damit sollen Elemente des US-Konkursrechts (Chapter 11) eingeführt werden. Marode Unternehmen sollen etwa eine Verschnaufpause erhalten können, während der sie sich sanieren können. Da die Erleichterungen auch auf Kosten der Arbeitnehmer gehen, hiess der Rat als Ausgleich eine Sozialplanpflicht bei Massenentlassungen gut. Die grosse Kammer nahm die Pflicht, die nur für Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern gilt, gegen den Willen der SVP und FDP mit 89 zu 78 Stimmen gut. Ohne die Pflicht wollte die Linke die Erleichterungen nicht akzeptieren. Dies hätte zur Ablehnung der ganzen Vorlage geführt, weil die SVP dagegen war. Das Geschäft geht zurück an den Ständerat.

  • FAMILIENBESTEUERUNG: Der Nationalrat sagt mit 109 zu 74 Stimmen bei 6 Enthaltungen Nein zur Familieninitiative der SVP. Die Ratsmehrheit aus Linken, FDP, GLP und BDP hält einen Steuerabzug für die Selbstbetreuung des Nachwuchses für ungerecht. Das traditionelle Familienmodell soll nicht speziell gefördert werden. Das Steuerrecht solle Familien in der Wahl ihrer Rollenteilung nicht beeinflussen, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Genau dies würde aber mit der Initiative passieren, weshalb der Bundesrat das Begehren ablehne. Die emotionale Debatte drehte sich unter anderem darum, welches das beste Kindererziehungsmodell ist. Streitpunkt waren auch die Finanzen. Die geschätzten Steuerausfälle von 1,4 Milliarden Franken bei Bund und Kantonen wurden ebenfalls als Gegenargument angeführt.
  • STAATSVERTRÄGE: Der Bundesrat soll künftig Staatsverträge nur noch dann vorläufig anwenden dürfen, wenn die zuständigen Parlamentskommissionen zustimmen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Gesetzesänderung gutgeheissen. Er reagierte damit auf den UBS-Staatsvertrag mit den USA. Der Bundesrat war damit einverstanden, seine Kompetenzen leicht einzuschränken. Er hätte aber nur dann auf die vorläufige Anwendung eines Vertrags verzichten wollen, wenn zwei Drittel der Mitglieder beider Parlamentskommissionen Nein sagen. Dies ging dem Nationalrat zu wenig weit: Der Vorschlag des Bundesrates erhielt keine einzige Stimme. Justizministerin Simonetta Sommaruga argumentierte vergeblich, der Bundesrat müsse handlungsfähig bleiben. Nun muss noch der Ständerat entscheiden.
  • MEHRWERTSTEUER: Für die Hotellerie soll bei der Mehrwertsteuer weiterhin ein Sondersatz gelten. Der Nationalrat hat sich mit 145 zu 36 Stimmen bei einer Enthaltung für eine Verlängerung bis Ende 2017 ausgesprochen. Sagt auch der Ständerat Ja, gilt für die Hotellerie weiterhin ein Mehrwertsteuersatz von 3,8 Prozent. Der Normalsatz beträgt 8 Prozent, der reduzierte Satz für lebensnotwendige Güter 2,5 Prozent. Der Sondersatz für die Hotellerie war 1996 wegen der schwierigen Wirtschaftslage befristet eingeführt worden. Seither wurde die Regelung viermal verlängert, zuletzt bis Ende 2013. Die Befürworter einer weiteren Verlängerung argumentierten mit der schwierigen Situation der Hotellerie. Dagegen sprach sich die SP aus. Es gehe nicht an, eine Branche dauerhaft zu bevorzugen, argumentierten die SP-Vertreter.
  • BOTSCHAFTEN: Die Schweizer Botschaft in Guatemala und das Generalkonsulat in Chicago sollen nicht geschlossen werden. Dies fordert der Nationalrat. Er hat Vorstössen seiner Aussenpolitischen Kommission deutlich zugestimmt. Die Schliessung der Vertretungen gehört zu den Sparmassnahmen, die der Bundesrat auf Geheiss des Parlaments vorgelegt hat. "Wenn Sie die Motionen annehmen, müssen Sie auch die finanziellen Folgen tragen", sagte Aussenminister Didier Burkhalter. Die Gegner der Schliessung argumentierten unter anderem mit den laufenden Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den zentralamerikanischen Ländern. Auch Hilfswerke hatten die Pläne für eine Schliessung der Botschaft in Guatemala kritisiert.
  • BANKEN: Der Nationalrat hat die Liquiditäts-Regeln für systemrelevante Banken ohne Gegenstimme gutgeheissen. Inhaltlich basiert die Vorlage auf den Vereinbarungen zwischen der FINMA und den beiden Grossbanken, die seit Sommer 2012 gelten. Systemrelevante Banken müssen gegenüber Liquiditätsschocks besonders robust sein. Über das entsprechende Kapitel der Liquiditätsverordnung muss nun noch der Ständerat entscheiden. Das Parlament hatte im Zuge der "Too-big-to-fail"-Gesetzgebung verlangt, dass der Bundesrat ihm die entsprechenden Verordnungen vorlegt. Die Regelungen zu den Eigenmittelanforderungen und zur Notfallplanung hatten die Räte bereits im Herbst genehmigt.

 

Der Montag, 15. April

Der Nationalrat in Kürze

FAMILIENBESTEUERUNG: Der Nationalrat hat sich am ersten Tag seiner Sondersession mit nur einem Geschäft befasst, der SVP-Familieninitiative. Zur umstrittenen Forderung nach einem Steuerabzug für den Selbstbetreuungsaufwand von Familien wollen sich aber so viele Parlamentarier äussern, dass die Debatte am Dienstag fortgesetzt werden muss. Die Voten zeigten aber, dass der Nationalrat wohl Nein sagen wird. Für die Initiative sprechen sich neben der SVP auch eine Mehrheit der CVP aus und einzelne FDP-Nationalräte. Die FDP-Mehrheit, die BDP, GLP auf bürgerlicher Seite sowie die SP und Grüne auf linker Seite wollen sie dagegen ablehnen.

 

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