​In welchem Kontext und unter welchen Bedingungen konnten die Wahlen während den beiden Kriegsausbrüchen stattfinden?

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 und des Zweiten Weltkrieges 1939 befand sich auch die Schweiz in einem Ausnahmezustand mit gravierenden Folgen und Konsequenzen. Die zu treffenden kriegsentsprechenden Massnahmen, wie die Mobilmachung der Armee, brachten neue Umstände mit sich, die zwar den gesellschaftlichen und politischen Alltag stark veränderten, die es aber zu bewältigen galt. So konnten sowohl 1914 wie auch 1939 eidgenössische Nationalratswahlen stattfinden, unter ausserordentlichen Rahmenbedingungen und in einem einzigartigen politischen Klima.

Der Erste Weltkrieg

Entsprechend der «Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität» vom 2. August 1914 beschloss die Bundesversammlung, die an einer ausserordentlichen Sitzung am 3. August eingeladen wurde, dem Bundesrat unbeschränkte Vollmachten zu erteilen.

Von der Bundesversammlung wurde zudem die Mobilisierung der Truppe beschlossen. Aufgrund dieser Massnahme wollten die Parteien die Wahlen vom 25. Oktober 1914 verschieben, was allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Bundesrat abgelehnt wurde.

Zudem wurde in fast jedem Kanton der sogenannte Burgfrieden befolgt, das heisst, dass die politischen Parteien ihre Auseinandersetzungen provisorisch zurückstellten und sich hinter die Regierung stellten. Dementsprechend fanden auch «Burgfriedenswahlen» statt: Es gab praktisch keinen Wahlkampf, folglich auch wenig Veränderungen in den Parteipräferenzen. Für die Wehrmänner, die es nicht schafften, rechtzeitig zu wählen, wurde in gewissen Wahlkreisen ein zweiter Wahlgang organisiert. Trotz diesen Massnahmen erreichte die Wahlbeteiligung 1914 nur ein Minimum.

Der Zweite Weltkrieg

Auch 1939 gab es einen «Bundesbeschluss zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität», mit einer Vollmacht für den Bundesrat. Und wieder wurde anhand eines Bundesratsbeschlusses die Kriegsmobilmachung der Armee beschlossen. Der politische Kontext war stark geprägt von den ausländischen Ereignissen: Wegen der Bedrohungslage wurde wie im Ersten Weltkrieg die Kluft zwischen den Bürgerlichen und den Sozialisten kleiner. Letztere gaben ihre sozialrevolutionären Ansprüche auf und näherten sich Ersteren an, indem sie sich zur Landesverteidigung bekannten.

Diese Haltung führte zu innerparteilichen Spaltungen: So wurde der Genfer Linkssozialist Léon Nicole, ein Befürworter der sowjetischen Politik gegenüber Deutschland, 1939 von der Partei ausgeschlossen und gründete darauf die «Fédération socialiste suisse (FSS)», der ein grosser Teil der Waadtländer und Genfer Sozialisten beitrat. Die FSS wurde jedoch bereits im Mai 1941 vom Bundesrat verboten.

Kritik am Parlament

Die schon seit dem Ersten Weltkrieg vorhandene Tendenz zum Antiparlamentarismus konnte sich nun mit dem Aufbruch des Nationalsozialismus auf eine entsprechende Ideologie stützen. Dem Parlament und dem liberalen System wurde vorgeworfen, die Wirtschaftskrise zu wenig bekämpft zu haben. Zudem sei das Parlament veraltet und korrumpiert und es habe die zeitgenössischen Probleme nicht nur nicht bekämpft, sondern auch verursacht. Man hörte von einem «Versagen des Liberalismus» oder einer «irresponsabilité du parlementarisme». Nebst raren Fällen, wie Nationalrat Otto Pfändler (Landesring der Unabhängigen), der als Parlamentarier Staatsreformen predigte, kamen diese Kritiken und der Wunsch nach radikalen Parlamentsrevisionen von den «Frontenbewegungen». Die stärksten Parteien waren in der Deutschschweiz die «Nationale Front», in der Suisse Romande die «Union National». Sie erlebten jedoch bei den Nationalratswahlen von 1939 keinen eidgenössischen Durchbruch, der Erfolg blieb auf kantonaler Ebene.

Wahlen 1939

Im Vergleich zu den Wahlen 1935 lassen sich 1939 keine grossen Veränderungen in den Parteistärken feststellen. Die Wahlen konnten normal am 29. Oktober stattfinden, für die Wehrmänner wurde die notwendige Infrastruktur organisiert. Allerdings fanden dieses Mal in den Kantonen Luzern, Schwyz, Zug, Solothurn, Appenzell Ausserrhoden, Tessin, Waadt, Wallis und Neuenburg stille Wahlen statt.

Zwei Regierungsräte des Kantons Basel-Landschaft wurden 1939 in den Nationalrat gewählt, Dr. Hugo Gschwind (KK) und Walter Hilfiker (SP). Da nur ein Mitglied des Regierungsrates in den Nationalrat wählbar war, musste das Los entscheiden.