​Seit 1848 ist der Kreis der Wahlberechtigten stark ausgeweitet worden. Welche Personengruppen wurden in der Vergangenheit benachteiligt, und wann fanden die grossen Veränderungen statt?

Wer das 18. Lebensjahr erreicht hat, das Schweizer Bürgerrecht besitzt und nicht unter einer Geisteskrankheit oder -schwäche leidet, darf heutzutage an Nationalratswahlen teilnehmen. Dieses Recht, das für uns selbstverständlich ist, war es allerdings bei Weitem nicht immer. Von der Gründung der Eidgenossenschaft und der Bundesverfassung 1848 bis zu den aktuellen Wahlen wurde der Anteil der Wahlberechtigten von etwa 23 Prozent auf 65 Prozent der Bevölkerung angehoben, wobei der grösste Sprung 1971 stattgefunden hat, als die Frauen erstmals wählen durften. Diese Thematik wird hier ausführlich dargestellt.

Hier soll ein Überblick über weitere Personengruppen gegeben werden, welche nicht immer wählen durften.

Ausschluss von Randgruppen

Das allgemeine Wahlrecht für Männer wurde in der Schweiz 1848 als Prinzip eingeführt - allerdings mit Einschränkungen bei der Umsetzung in den Kantonen. Konkret durften beispielsweise Armengenössige, Steuerschuldner, Konkursite, aber auch Verurteilte oder Aufenthalter nicht wählen und stimmen. Nebst diesen ziemlich verbreiteten Ausschlussfällen gab es auch kantonale Spezialitäten: Leute mit einem Wirtshausverbot durften in Bern, Schwyz, Freiburg, Solothurn und Aargau nicht wählen, im Tessin Wahlbetrüger, in Neuenburg und Genf Söldner oder in Solothurn Bettler und Landstreicher. Diese Massnahmen galten teilweise bis Anfang des 20. Jahrhunderts.

Das Bundesgericht erklärte den Steuerzensus (Steuerzahlung in bestimmter Höhe als Voraussetzung für das Wahlrecht) erst 1915 als verfassungswidrig, gleichzeitig legitimierte es weiterhin den Ausschluss von Armengenössigen. Erst seit 1971 ist eine Verurteilung oder eine finanziell prekäre Situation kein Ausschlussgrund mehr.

Mit dieser Ausschlusspolitik wurden vor allem die Sozialdemokraten benachteiligt, da sich unter den Betroffenen ein Grossteil ihrer potenziellen Wählerschaft befand. Die Katholisch-Konservativen wurden vor allem aufgrund der Wahlkreisgestaltung benachteiligt.

Das Wahlrecht ab 18 Jahren

Die letzte grosse Veränderung fand 1991 statt und betraf die Herabsetzung des Wahlrechtsalters von 20 auf 18 Jahre. Der politische Prozess begann 1970 mit den ersten parlamentarischen Beratungen, die Frage tauchte allerdings schon mit der 68er-Bewegung auf. Ein wichtiger Schritt war die von Nationalrat Jean Ziegler (Genf/SP) 1975 lancierte parlamentarische Initiative. Das Parlament stimmte der Herabsetzung des Stimm- und Wahlrechtsalters zu, gegen den Willen des Bundesrates, der die Initiative als nicht dringlich ansah und auf ablehnende Volksabstimmungen in den Kantonen hinwies. Die Vorlage wurde in der Volksabstimmung 1979 mit 50,8 Prozent Neinstimmen abgelehnt, worauf die Initianten den gleichen Kampf auf kantonaler Ebene fortführten, sodass bis zur nächsten Abstimmung 1991 schon 16 Kantone das Stimm- und Wahlrechtsalter auf 18 Jahre herabgesetzt hatten. Dieses Mal wurde die Senkung des Alters in allen Kantonen und mit 72,7 Prozent Jastimmen angenommen. Einzig die konservative EDU (Eidgenössisch-Demokratische Union) setzte sich gegen die Veränderung ein.

Bemerkenswert ist, dass Kantone, die tendenziell gegen das Frauenstimmrecht waren – vor allem in der Innerschweiz –, am ehesten das Wahlrechtsalter herabsetzten. So dürfen die 18- und 19-Jährigen im Kanton Schwyz seit 1833 wählen.