Im Winter des Jahres 1862 besteigt der Neuenburger
Aimé Humbert-Droz in Marseille ein Schiff, das ihn auf eine monatelange Reise ins ferne
Japan bringen soll. Kurz zuvor hatte Humbert-Droz sein Ständeratsmandat abgegeben. Eine Dekade Jahre sass er in der kleinen Kammer und präsidierte sie 1856. Am 17. November 1862 erreicht er schliesslich Nagasaki, bevor er am 26. April 1863 schliesslich in Yokohama eintrifft. Die Schweizer Regierung hat dem ehemaligen Ständerat eine aussergewöhnliche Mission anvertraut: Er soll einen Handelsvertrag mit dem Kaiserreich Japan aushandeln.
Zu jener Zeit verfügten nur Grossmächte wie Frankreich, England oder Russland über vergleichbare Verträge mit Japan – doch auch die kleine Schweiz wollte wirtschaftlich Fuss fassen. Zehn Monate lang verhandelte Humbert-Droz mit den japanischen Partnern. Am 6. Februar 1864 unterzeichnet er in der niederländischen Botschaft in Edo (heute Tokio) den ersten Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Japan.
Die Vereinbarung garantiert den Schweizern Niederlassungs- und Handelsrechte sowie konsularischen Schutz.
Was als individueller diplomatischer Einsatz begann, war Ausdruck einer Grundkonstellation des jungen Bundesstaats: Die Aussenpolitik gehörte seit 1848 zur Kernkompetenz des Bundesrates. Das Parlament blieb – trotz punktueller Einsätze früherer Parlamentarier wie Humbert-Droz oder später Albert Gobat, dem ersten Generalsekretär der Interparlamentarischen Union und späterem Friedensnobelpreisträger – lange aussen vor.
Vom Zuschauer zum Mitgestalter
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägte der Bundesrat die Aussenpolitik praktisch allein. Zwar genehmigte das Parlament internationale Verträge – etwa den Beitritt zum Völkerbund (1920) – doch auf die inhaltliche Ausrichtung hatte es kaum Einfluss. Auch die Teilnahme an Organisationen wie dem Europarat, der OECD oder der späteren OSZE wurde im Wesentlichen exekutiv vorbereitet.
Ein prägendes Beispiel für exekutive Alleingänge war die Affäre Hoffmann-Grimm (1917): Bundesrat
Arthur Hoffmann, damals Vorsteher des Politischen Departements und Bundespräsident, versuchte über Mittelsmann und SP-Nationalrat
Robert Grimm einen Sonderfrieden zwischen Russland und Deutschland zu vermitteln. Das geheime Vorhaben scheiterte – Hoffmann musste zurücktreten, Grimm blieb hingegen bis 1946 Nationalrat. Der Vorfall verdeutlichte, wie sensibel aussenpolitisches Handeln ohne parlamentarische Kontrolle sein kann.
Ein Wendepunkt kam 1936: Nach wiederholten Vorstössen richtete der Nationalrat eine ständige Aussenpolitische Kommission (APK-N) ein. Damit entstand ein neues Gremium, das das Parlament systematisch in aussenpolitische Fragen einband. 1967 folgte die APK des Ständerates. Die parlamentarische Aussenpolitik nahm Fahrt auf.
Verfassungsrevision 1999: Der entscheidende Schritt
Zwar räumte bereits die Bundesverfassung von 1874 der Bundesversammlung formelle Zuständigkeiten bei internationalen Verträgen ein. Doch in der Praxis agierte der Bundesrat oft ohne vorgängige Mitsprache des Parlaments. Erst mit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 wurde die Rolle der Bundesversammlung in der Aussenpolitik verfassungsrechtlich klar festgeschrieben.
Artikel 166 BV hält fest: «Die Bundesversammlung beteiligt sich an der Gestaltung der Aussenpolitik und beaufsichtigt die Pflege der Beziehungen zum Ausland.»
Seither gilt: Grundsätzlich muss jeder völkerrechtliche Vertrag vom Parlament genehmigt werden – von Staatsverträgen über Beitritte zu internationalen Organisationen bis hin zur Übernahme von EU-Rechtsakten. Der Bundesrat darf solche Verträge nur dann allein abschliessen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
Das Parlamentsgesetz stärkte gleichzeitig die Rolle der Ratspräsidien und Aussenpolitischen Kommissionen, insbesondere im Bereich der Information, Konsultation und Kontrolle. Der Bundesrat ist verpflichtet, die parlamentarischen Gremien über wichtige Entwicklungen zu informieren und bei wesentlichen Vorhaben einzubeziehen.
Parlamentarische Aussenpolitik heute: aktiv und mehrgleisig
Mit der zunehmenden Globalisierung und der engen Verflechtung von Politik und Wirtschaft hat auch die sogenannte «parlamentarische Aussenpolitik» an Gewicht gewonnen. Das Parlament unterhält heute eigene diplomatische Kanäle, pflegt aktive Beziehungen zu anderen Parlamenten und beteiligt sich an multilateralen Gremien.
Delegationen aus der Schweiz wirken unter anderem in der
Interparlamentarischen Union (IPU) – mitbegründet von der Schweiz 1889 –, im
Europarat, der
EU/Efta, der
OSZE, der
OECD sowie in der
NATO-Parlamentarierversammlung und der
APF mit. Die
Ratspräsidien führen parlamentarische Diplomatie, empfangen internationale Gäste in Bern oder reisen zu Partnerparlamenten.
Unter der Leitung von Nationalratspräsidentin Maja Riniker versammelten sich am 28. Juli 2025 in Genf über 30 hochrangige Parlamentarierinnen zum internationalen Gipfel der Parlamentspräsidentinnen.
Ein besonders symbolträchtiges Kapitel war der UNO-Beitritt: Nachdem ein erster Versuch 1986 scheiterte, gelang 2002 – nach der Motion von
Remo Gysin (SP/BS) und erfolgreicher Volksabstimmung – der Beitritt. Seither nimmt die Schweiz auch auf der globalen Bühne offiziell ihre Verantwortung wahr.
Mitsprache ist keine Symbolpolitik
In einer Welt, in der Handelsabkommen, Sicherheitsfragen und Klimapolitik grenzüberschreitend verhandelt werden, ist es unerlässlich, dass die Bundesversammlung ihre aussenpolitische Verantwortung aktiv wahrnimmt. Es geht nicht um Symbolpolitik – sondern um handfeste Interessenvertretung: wirtschaftlich, sicherheitspolitisch, wertebasiert.
Nur ein Parlament, das gut informiert, eng vernetzt und ernst genommen wird, kann die Schweiz glaubwürdig nach aussen vertreten – und innenpolitisch Rückhalt schaffen.
Das Personal der ersten Schweizer Gesandtschaft in Japan, 1862. In der Mitte sitzend der Gesandte und ehemalige Ständeratspräsident Aimé Humbert-Droz (1819–1900), der im Auftrag des Bundesrates in Edo (heute Tokio) den Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Japan aushandelte und unterzeichnete.
Quelle: Archives de l’État de Neuchâtel, Fonds Photographies, Signatur 67PHO-HUMBERT.2.
Online verfügbar über Wikimedia Commons.
Rückkehr von einer Delegationsreise (Juli 1968): Die Nationalrat Anton Muheim (Mitte) sowie die Ständeräte Werner Jauslin und Eduard Amstad (links) berichten einem Reporter der «Tagesschau» über ihren Besuch im britischen Unter- und Oberhaus.
Bildquelle: Screenshot SRF, «Tagesschau vor 25 Jahren», 27.07.1993.)
Häufig gestellte Fragen zur Rolle der Eidgenössischen Bundesversammlung in der Aussenpolitik und zu den Dienstreisen ihrer Mitglieder
- Die auswärtigen Angelegenheiten sind grundsätzlich Sache des Bundes (Art. 54 BV). Die Bundesversammlung beteiligt sich aber an der Gestaltung der Aussenpolitik und beaufsichtigt die Pflege der Beziehungen zum Ausland (Art. 166 BV,
Art. 24. Bundesgesetz über die Bundesversammlung). Sie genehmigt auch die völkerrechtlichen Verträge (Staatsverträge) – mit Ausnahme der Verträge, die auf Grund vom Gesetz im Zuständigkeitsbereich des Bundesrats liegt. Diese Kompetenz ist ferner in Art. 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes geregelt. Darüber hinaus pflegen die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen und der Bundesrat gegenseitigen Kontakt und Meinungsaustausch (Art. 152 Abs. 1 ParlG).
- Im Inland: Die Mahlzeitenentschädigung beträgt 115 Franken pro Tag, die Übernachtungsentschädigung 180 Franken. Diese sind weiter in
Art. 3 der Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsressourcengesetz geregelt (VPRG). Darüber hinaus erhalten Ratsmitglieder ein SBB-Generalabonnement 1. Klasse. Weitere Bestimmungen befinden sich in
Art. 4 VPRG.
- Im Ausland: Für die Tätigkeit im Ausland beträgt die Mahlzeiten- und Übernachtungsentschädigung insgesamt 395 Franken pro Tag. Die Verwaltungsdelegation kann in Ausnahmen höhere Entschädigung festsetzen, wenn es die Verhältnisse erfordern. Diese sind weiter in
Art. 3 VPRG geregelt. Für Reisen zu offiziellen parlamentarischen Anlässen im Ausland organisiert der Bund die notwendigen Billette. Weitere Bestimmungen befinden sich in
Art. 4 VPRG. Detaillierter Angaben befinden sich zudem in der
Weisung betreffend internationale Aktivitäten von ständigen und nicht ständigen parlamentarischen Delegationen.
- 2007 hatte die Verwaltungsdelegation beschlossen, dass die Reisekosten der parlamentarischen Auslandsreisen lediglich in den Jahresberichten der einzelnen Delegationen und Kommissionen zu veröffentlichen sind. Seit der Wintersession 2019 besteht nun gemäss
Art 9a VPiB die Pflicht ein
öffentliches Register über die amtlichen Reisen von Ratsmitgliedern im Ausland zu führen. In diesem Register werden die Reisen von Ratsmitgliedern ins Ausland erfasst, die sie zulasten der Rechnung der Bundesversammlung unternehmen. Zusätzlich werden die jährlichen Kosten pro Organ publiziert. Auf eine weitere Aufschlüsselung der Reiseinformationen wird verzichtet, da es sich immer um institutionell begründete und nicht personenbezogene Reisen handelt, die in Zusammenhang mit den parlamentarischen Aussenbeziehungen gemäss
Art 24 Abs 4 des Parlamentsgesetzes stehen.
- Flugreisen werden organisiert, wenn die Reisezeit mit dem Flugzeug kürzer ist als mit dem Zug und die Reisezeit mit dem Zug mindestens sechs Stunden beträgt (oder wenn die Reisezeit weniger als sechs Stunden beträgt, mit einer Zugreise jedoch eine oder mehrere zusätzliche Übernachtungen notwendig werden). Einzelheiten regelt die
Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsressourcengesetz, insbesondere
Art. 4.
- Gestützt auf die Verordnung über den Lufttransportdienst des Bundes (V-LTDB) vom 24. Juni 2009 (Stand am 1. August 2023) und auf die Weisung der Verwaltungsdelegation betreffend internationale Aktivitäten von ständigen und nicht ständigen parlamentarischen Delegationen vom 13. Mai 2022 können die Ratspräsidien bei Bedarf auf den Lufttransport des Bundes zurückgreifen. Bei Lufttransporten des Bundes entstehen für die Parlamentsdienste und das Parlament keine Kosten.
- Eine Dienstleistung des LTDB kann beansprucht werden, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
- Die Dienstleistung ist im Vergleich mit Linienflügen oder anderen Transportmitteln wirtschaftlicher.
- Die Dienstleistung vermindert die Unannehmlichkeiten oder die Dauer der Reise erheblich.
- Die Dienstleistung ist aus Gründen der Sicherheit, der Diskretion oder der Repräsentation erforderlich.
- Die Parlamentsdienste führen ein
öffentliches Register von Ratsmitgliedern im Ausland, die sie gestützt auf die Verordnung der Bundesversammlung über die Pflege der internationalen Beziehungen des Parlaments (VPiB) zulasten der Rechnung der Bundesversammlung unternehmen. Das Register enthält folgende Angaben:
- Die Liste der Reisen (mit Angabe des verantwortlichen Organs, des Grundes, des Zielortes und der Namen der teilnehmenden Ratsmitglieder).
- Die jährlichen Kosten der Reisen pro Organ.
- Parlamentarische Gruppen, die Beziehungen zu Staaten, Staatengruppen oder internationalen Organisationen pflegen, die von der Schweiz und/oder der UNO anerkannt werden oder einen Beobachterstatus bei der UNO haben, werden als sogenannte «Freundschaftsgruppen» separat geführt.
- Die Gruppen melden ihre Konstituierung und ihre Mitglieder den Parlamentsdiensten. Diese führen ein öffentliches Register der Gruppen.
- Die parlamentarischen Gruppen sind keine Organe der Bundesversammlung; sie können nicht im Namen der Bundesversammlung auftreten.
- National- und Ständerat unterhalten Delegationen in folgenden multilateralen Gremien:
- Europäische Freihandelsassoziation / Europäisches Parlament (EFTA/EP)
- Interparlamentarische Union (IPU)
- Assemblée parlementaire de la Francophonie (APF)
- Parlamentarische Versammlung der
OSZE
- Parlamentsdelegation beim Europarat (ERD)
- PDel bei der parlamentarischen Versammlung der
NATO
- PDel für die Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der OECD (PD-OECD)