Lange war die Aussenpolitik fest in der Hand des Bundesrates – das Parlament spielte eine Nebenrolle. Heute ist das anders: Mit klaren Verfassungsrechten, internationaler Vernetzung und eigener diplomatischer Präsenz prägt die Bundesversammlung die Aussenpolitik aktiv mit.


  • Die Aussenpolitik war lange Zeit Sache des Bundesrates; das Parlament spielte höchstens eine Nebenrolle. Erst 1936 mit der Einrichtung der Aussenpolitischen Kommissionen begann eine systematische parlamentarische Mitwirkung.

  • Mit der neuen Bundesverfassung wurde die Mitgestaltung der Aussenpolitik als klare Kompetenz der Bundesversammlung verankert (Art. 166 BV). Der Bundesrat muss das Parlament informieren, konsultieren und Verträge grundsätzlich genehmigen lassen.

  • Die Bundesversammlung betreibt eigene Diplomatie über Kommissionen, Ratspräsidien und Delegationen in internationalen Organisationen (u. a. IPU, Europarat, OSZE, OECD, NATO-PV, APF).

  • In einer globalisierten Welt ist die aktive Mitgestaltung des Parlaments keine Symbolpolitik, sondern zentral für Interessenvertretung, Sicherheit, Werte und Glaubwürdigkeit der Schweiz nach innen und aussen.

Aimé Humbert-Droz​

Im Winter des Jahres 1862 besteigt der Neuenburger Aimé Humbert-Droz in Marseille ein Schiff, das ihn auf eine monatelange Reise ins ferne Japan bringen soll. Kurz zuvor hatte Humbert-Droz sein Ständeratsmandat abgegeben. Eine Dekade Jahre sass er in der kleinen Kammer und präsidierte sie 1856. Am 17. November 1862 erreicht er schliesslich Nagasaki, bevor er am 26. April 1863 schliesslich in Yokohama eintrifft. Die Schweizer Regierung hat dem ehemaligen Ständerat eine aussergewöhnliche Mission anvertraut: Er soll einen Handelsvertrag mit dem Kaiserreich Japan aushandeln.


Zu jener Zeit verfügten nur Grossmächte wie Frankreich, England oder Russland über vergleichbare Verträge mit Japan – doch auch die kleine Schweiz wollte wirtschaftlich Fuss fassen. Zehn Monate lang verhandelte Humbert-Droz mit den japanischen Partnern. Am 6. Februar 1864 unterzeichnet er in der niederländischen Botschaft in Edo (heute Tokio) den ersten Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Japan.

Die Vereinbarung garantiert den Schweizern Niederlassungs- und Handelsrechte sowie konsularischen Schutz.

Was als individueller diplomatischer Einsatz begann, war Ausdruck einer Grundkonstellation des jungen Bundesstaats: Die Aussenpolitik gehörte seit 1848 zur Kernkompetenz des Bundesrates. Das Parlament blieb – trotz punktueller Einsätze früherer Parlamentarier wie Humbert-Droz oder später Albert Gobat, dem ersten Generalsekretär der Interparlamentarischen Union und späterem Friedensnobelpreisträger – lange aussen vor.

Vom Zuschauer zum​ Mitgestalter

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägte der Bundesrat die Aussenpolitik praktisch allein. Zwar genehmigte das Parlament internationale Verträge – etwa den Beitritt zum Völkerbund (1920) – doch auf die inhaltliche Ausrichtung hatte es kaum Einfluss. Auch die Teilnahme an Organisationen wie dem Europarat, der OECD oder der späteren OSZE wurde im Wesentlichen exekutiv vorbereitet.

Ein prägendes Beispiel für exekutive Alleingänge war die Affäre Hoffmann-Grimm (1917): Bundesrat Arthur Hoffmann, damals Vorsteher des Politischen Departements und Bundespräsident, versuchte über Mittelsmann und SP-Nationalrat Robert Grimm einen Sonderfrieden zwischen Russland und Deutschland zu vermitteln. Das geheime Vorhaben scheiterte – Hoffmann musste zurücktreten, Grimm blieb hingegen bis 1946 Nationalrat. Der Vorfall verdeutlichte, wie sensibel aussenpolitisches Handeln ohne parlamentarische Kontrolle sein kann.

Ein Wendepunkt kam 1936: Nach wiederholten Vorstössen richtete der Nationalrat eine ständige Aussenpolitische Kommission (APK-N) ein. Damit entstand ein neues Gremium, das das Parlament systematisch in aussenpolitische Fragen einband. 1967 folgte die APK des Ständerates. Die parlamentarische Aussenpolitik nahm Fahrt auf.

Verfassungsrevision 1​999: Der entscheidende Schritt

Zwar räumte bereits die Bundesverfassung von 1874 der Bundesversammlung formelle Zuständigkeiten bei internationalen Verträgen ein. Doch in der Praxis agierte der Bundesrat oft ohne vorgängige Mitsprache des Parlaments. Erst mit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 wurde die Rolle der Bundesversammlung in der Aussenpolitik verfassungsrechtlich klar festgeschrieben. 

Artikel 166 BV hält fest: «Die Bundesversammlung beteiligt sich an der Gestaltung der Aussenpolitik und beaufsichtigt die Pflege der Beziehungen zum Ausland.»

Seither gilt: Grundsätzlich muss jeder völkerrechtliche Vertrag vom Parlament genehmigt werden – von Staatsverträgen über Beitritte zu internationalen Organisationen bis hin zur Übernahme von EU-Rechtsakten. Der Bundesrat darf solche Verträge nur dann allein abschliessen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.

Das Parlamentsgesetz stärkte gleichzeitig die Rolle der Ratspräsidien und Aussenpolitischen Kommissionen, insbesondere im Bereich der Information, Konsultation und Kontrolle. Der Bundesrat ist verpflichtet, die parlamentarischen Gremien über wichtige Entwicklungen zu informieren und bei wesentlichen Vorhaben einzubeziehen.

Parlamentarische Aussen​politik heute: aktiv und mehrgleisig

Mit der zunehmenden Globalisierung und der engen Verflechtung von Politik und Wirtschaft hat auch die sogenannte «parlamentarische Aussenpolitik» an Gewicht gewonnen. Das Parlament unterhält heute eigene diplomatische Kanäle, pflegt aktive Beziehungen zu anderen Parlamenten und beteiligt sich an multilateralen Gremien. 

Delegationen aus der Schweiz wirken unter anderem in der Interparlamentarischen Union (IPU) – mitbegründet von der Schweiz 1889 –, im Europarat, der EU/Efta, der OSZE, der OECD sowie in der NATO-Parlamentarierversammlung und der APF mit. Die Ratspräsidien führen parlamentarische Diplomatie, empfangen internationale Gäste in Bern oder reisen zu Partnerparlamenten.


Unter der Leitung von Nationalratspräsidentin Maja Riniker versammelten sich am 28. Juli 2025 in Genf über 30 hochrangige Parlamentarierinnen zum internationalen Gipfel der Parlamentspräsidentinnen.


Ein besonders symbolträchtiges Kapitel war der UNO-Beitritt: Nachdem ein erster Versuch 1986 scheiterte, gelang 2002 – nach der Motion von Remo Gysin (SP/BS) und erfolgreicher Volksabstimmung – der Beitritt. Seither nimmt die Schweiz auch auf der globalen Bühne offiziell ihre Verantwortung wahr.  ​​

Mitsprache ist keine ​​Symbolpolitik

In einer Welt, in der Handelsabkommen, Sicherheitsfragen und Klimapolitik grenzüberschreitend verhandelt werden, ist es unerlässlich, dass die Bundesversammlung ihre aussenpolitische Verantwortung aktiv wahrnimmt. Es geht nicht um Symbolpolitik – sondern um handfeste Interessenvertretung: wirtschaftlich, sicherheitspolitisch, wertebasiert.

Nur ein Parlament, das gut informiert, eng vernetzt und ernst genommen wird, kann die Schweiz glaubwürdig nach aussen vertreten – und innenpolitisch Rückhalt schaffen.


  

Das Personal der ersten Schweizer Gesandtschaft in Japan, 1862. In der Mitte sitzend der Gesandte und ehemalige Ständeratspräsident Aimé Humbert-Droz (1819–1900), der im Auftrag des Bundesrates in Edo (heute Tokio) den Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Japan aushandelte und unterzeichnete.

Quelle: Archives de l’État de Neuchâtel, Fonds Photographies, Signatur 67PHO-HUMBERT.2. 
Online verfügbar über Wikimedia Commons.  



Rückkehr von einer Delegationsreise (Juli 1968): Die Nationalrat Anton Muheim (Mitte) sowie die Ständeräte Werner Jauslin und Eduard Amstad (links) berichten einem Reporter der «Tagesschau» über ihren Besuch im britischen Unter- und Oberhaus. 

Bildquelle: Screenshot SRF, «Tagesschau vor 25 Jahren», 27.07.1993.)​


Häufig gestellte Fragen zur Rolle der Eidgenössischen Bundesversammlung in der Aussenpolitik und zu den Dienstreisen ihrer Mitglieder​

  • Die auswärtigen Angelegenheiten sind grundsätzlich Sache des Bundes (Art. 54 BV). Die Bundesversammlung beteiligt sich aber an der Gestaltung der Aussenpolitik und beaufsichtigt die Pflege der Beziehungen zum Ausland (Art. 166 BV, Art. 24. Bundesgesetz über die Bundesversammlung). Sie genehmigt auch die völkerrechtlichen Verträge (Staatsverträge) – mit Ausnahme der Verträge, die auf Grund vom Gesetz im Zuständigkeitsbereich des Bundesrats liegt. Diese Kompetenz ist ferner in Art. 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes geregelt. Darüber hinaus pflegen die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen und der Bundesrat gegenseitigen Kontakt und Meinungsaustausch (Art. 152 Abs. 1 ParlG). 
  • Ausführendere Erklärungen zur Mitwirkung des Parlaments in der Aussenpolitik befinden sich auf der Parlamentswebseite «Mitwirkung in der Aussenpolitik».