Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK) verzichtet darauf, ihren Vorentwurf für ein eidgenössisches Ombudsgesetz als Kommissionsinitiative dem Nationalrat zu unterbreiten. Nach der Kenntnisnahme der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens beschliesst sie mit 14 zu 9 Stimmen, auf den Gesetzesentwurf nicht einzutreten.

In der Vernehmlassung, die im Auftrag der Kommission durch den Bundesrat durchgeführt wurde, stiess der Gesetzesentwurf bei den insgesamt 68 Vernehmlassungsteilnehmern auf unterschiedlichen Zuspruch. So sprachen sich dreizehn Kantonsregierungen (AG, AI, BL, BS, GE, GL, GR, LU, SO, TG, UR, SZ, VS) gegen und sechs (JU, NE, SH, VD, ZG, ZH) für die Schaffung einer Ombudsstelle aus, während drei Kantonsregierungen (AR, SG, OW) lediglich Bemerkungen zu Einzelaspekten anbrachten oder in einem Falle (BE) ganz auf eine Stellungnahme verzichteten. Von den Parteien unterstützen SP, Grüne und EVP die Schaffung einer eidgenössischen Ombudsstelle grundsätzlich, während FDP und SVP den Vorentwurf ablehnten. Die CVP plädierte für ein Moratorium bis zur Besserung der Finanzlage des Bundes.

Die Kommission erachtet die Ergebnisse der Vernehmlassung als zu wenig zwingend und lehnt die Einführung einer eidgenössischen Ombudsstelle vor allem wegen der angespannten Finanzlage des Bundes ab. Sie weist darauf hin, dass konfliktträchtige Bürgerkontakte vor allem auf Gemeinde- und Kantonsstufe, weniger aber auf Bundesebene stattfinden. Die SPK bezweifelt deshalb, dass durch die Tätigkeit der Ombudsstelle aufwändige Verwaltungsgerichtsverfahren in grösserem Ausmass vermieden werden können und verweist auf das in der parlamentarischen Beratung stehende Öffentlichkeitsgesetz, welches für eine ausreichende Transparenz in der Verwaltung sorgen wird. Mit einer Ombudsstelle auf Bundesebene werden zusätzliche Bundesstellen geschaffen, für welche das Verhältnis von Kosten und Nutzen höchst fragwürdig ist. Schliesslich ist die Kommission der Meinung, dass die Rolle von Ombudsleuten in ausreichendem Umfang von den 246 Bundesparlamentariern und -parlamentarierinnen wahrgenommen wird, die in der Regel in einer engen Beziehung zur Bevölkerung stehen.

Die Kommissionsminderheit erachtet die Einführung einer eidgenössischen Ombudsstelle, die erstmals 1970 durch Gewerbekreise angeregt und seither in zahlreichen weiteren Vorstössen an den Bundesrat gefordert wurde, als längst fällige Ergänzung der bundesstaatlichen Institutionen. Sie ist der Überzeugung, dass sich die Einrichtung einer Ombudsstelle in finanzieller, volkswirtschaftlicher und menschlicher Hinsicht lohnen würde. Durch ihr Wirken könnte die Ombudsstelle einen wichtigen Beitrag zum Abbau bürokratischer Hürden, zu einem bürgernäheren Verhalten der Verwaltung und letztlich zur Vermeidung teurer Rechtshändel leisten.

Durch den Nichteintretensentscheid wird der Vorentwurf der Kommission für das Ombudsgesetz hinfällig. Der Nationalrat wird sich zur Frage der Einführung einer eidgenössischen Ombudsstelle jedoch im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initative Jossen (02.431 Einführung einer Eidgenössischen Ombudsstelle) noch grundsätzlich äussern können.

Im Weiteren beantragt die Kommission mit 13:12 Stimmen, der von Rudolf Joder (SVP, BE) eingereichten parlamentarischen Initiative „Einbürgerung. Mehr Freiheit für Gemeinden und Kantone" (03.455) Folge zu geben. Die Initiative verlangt, die Bürgerrechtsgesetzgebung so zu revidieren, dass die Gemeinden und Kantone bei der Einbürgerung abschliessend entscheiden können. Zudem soll eine inhaltliche Überprüfung des Einbürgerungsentscheides durch Gerichte ausgeschlossen werden. Die Kommission teilt die Ansicht des Initianten, dass die Freiheit der Kantone und Gemeinden zur selbständigen Regelung ihres Einbürgerungsverfahrens nicht durch auf Bundesebene gefällte Entscheide beschnitten werden darf. Die Gemeindeautonomie ist in diesem Bereich hoch zu halten. Insbesondere geht es auch nicht an, dass das Bundesgericht die Rolle des Gesetzgebers übernimmt und den Kantonen und Gemeinden Vorschriften macht.

Die Kommissionsminderheit machte geltend, dass die in der Bundesverfassung festgehaltenen rechtsstaatlichen Prinzipien nicht einfach missachtet werden dürfen. So müssen zum Beispiel Entscheide begründet werden, so dass Urnenabstimmungen kaum möglich seien. Den Kantonen und Gemeinden dürfe deshalb nicht einfach freie Hand gelassen werden, sondern diese müssten sich an gewisse rechtsstaatliche Kriterien halten.

Eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion fordert, dass Vorlagen des Parlamentes neu dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müssen, wenn das Volk in den vorangehenden fünf Jahren eine Vorlage zu demselben Thema abgelehnt hat (03.451 Pa.Iv. Fraktion V. Volksentscheide ernst nehmen). Anlass zu dieser Initiative gab die vom Parlament am 3. Oktober 2003 angenommene Mutterschaftsversicherung. Die Kommission lehnt diese parlamentarische Initiative mit 14:0 Stimmen bei 7 Enthaltungen ab. Häufig geben nur einzelne Punkte eines Gesetzes zu Kritik Anlass und führen zur Ablehnung in einer Volksabstimmung, obwohl der grundsätzliche Regelungsbedarf nicht bestritten ist. In derartigen Situationen soll das Parlament negative Volksentscheide eben gerade in der Weise ernst nehmen, indem es der Kritik Rechnung trägt und die abgelehnte Vorlage mit verbessertem Inhalt neu verabschiedet.

Die Kommission tagte am 19./20. Februar 2004 unter dem Vorsitz von Nationalrat Hermann Weyeneth (SVP/BE) in Bern.

Bern, 20.02.2004    Parlamentsdienste