Die Ergebnisse der von der GPK-N im Juni 2010 bei der PVK in Auftrag gegebenen Evaluation zeigen, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes bereits ab 2004, als die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit in Kraft getreten sind, einen Lohndruck zur Folge hatte. Die Auswirkungen dieser Öffnung breiteten sich nach und nach auf das ganze Land aus, wobei die Arbeitnehmenden mit niedrigem Bildungsniveau und das neu angestellte Personal am stärksten davon betroffen sind. Daraus lässt sich allerdings nicht schliessen, ob es formalrechtlich zu „wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietungen“ kommt. Der Gesetzgeber hat diesen Begriff nicht näher bestimmt und auch in der Praxis gibt es kein gemeinsames Kriterium für dessen Präzisierung. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die PVK nicht das Personenfreizügigkeitsabkommen als Ganzes untersucht hat, sondern nur die Lohnentwicklung seit der Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes und die flankierenden Massnahmen unter dem Gesichtspunkt ihrer Steuerung bzw. Umsetzung sowie deren Wirkungen und Wirksamkeit.
Die GPK-N musste im Rahmen ihrer anfangs 2010 beschlossenen Untersuchung feststellen, dass es vor diesem Jahr weder von Seiten des Bundesrates noch von Seiten des EVD eine Steuerungsstrategie gab. Einzig aufgrund der Besorgnis und der Anstrengungen der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft wurde in der Zwischenzeit eine gute und umfassende Strategie erarbeitet. Gemäss PVK wird das System der flankierenden Massnahmen jedoch frühestens ab 2012 über die nötigen Aufsichtsinstrumente verfügen. Die Kommission formulierte in ihrem Bericht eine diesbezügliche Empfehlung an den Bundesrat, womit sie diesen einlädt, sich im Bereich der strategischen und operativen Steuerung u. a. für eine rasche Umsetzung einer klaren, auf objektiven Indikatoren beruhenden Strategie einzusetzen.
Ferner stellte die GPK-N fest, dass die fehlende Steuerung durch den Bundesrat und der undefinierte Rahmen dazu führten, dass die Umsetzungsakteure der flankierenden Massnahmen zu Praktiken griffen, die zu unterschiedlich sind, um die vom Gesetzgeber festgelegten Ziele zu erreichen. Deshalb lädt die Kommission den Bundesrat mit einer weiteren Empfehlung ein, die Prozesse zu harmonisieren, indem u. a. eine Richtlinie sowie eine Feststellungsmethode und Kriterien für die „wiederholte missbräuchliche Lohnunterbietung“ bestimmt werden.
Die politische Steuerung der flankierenden Massnahmen erfolgte bisher ohne zuverlässige Erkenntnisse über deren Wirksamkeit, sie hing vielmehr von politischen Überlegungen ab. Nach Meinung der GPK-N müsste sie aber – wie die Zielfestlegung auch – auf objektiven Indikatoren und auf bezüglich ihrer Wirksamkeit verlässlichen Datengrundlagen beruhen.
Die Evaluation der PVK zeigte auch, dass keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen gemacht werden können. Die Kommission betont, dass der Bundesrat wie auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), die wiederholt zum Schluss gekommen waren, die flankierenden Massnahmen seien wirksam und die Personenfreizügigkeit hätte keinen Lohndruck zur Folge gehabt, dabei nicht von aussagekräftigen, vollständigen, verlässlichen und objektiven Daten ausgingen. Deshalb lädt die Kommission den Bundesrat mit ihrer dritten im Bericht enthaltenen Empfehlung ein, seine Kommunikation auf eine verlässliche Datenbasis zu stützen.
Ferner lädt die GPK-N den Bundesrat mit einem Postulat ein, den gesetzlichen Handlungsbedarf im Bereich der Normalarbeitsverträge zu prüfen und die Problematik der Subunternehmerketten eingehend zu untersuchen. In diesem Zusammenhang betont die Kommission allerdings auch, dass die kürzlich vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen in die richtige Richtung gehen. Dennoch bleibt die GPK-N überzeugt, dass ihr Bericht und die Evaluation der PVK dem Bundesrat zusätzliche konkrete Anhaltspunkte zur Optimierung seiner künftigen Analysen und Arbeiten geben können.
Die GPK-N zeigt sich in ihrem Bericht zwar sehr kritisch, anerkennt allerdings auch, dass die Steuerung der flankierenden Massnahmen unter Einbezug zahlreicher Umsetzungsakteure und mit dem bestehenden Vollzugsföderalismus ein komplexes Unterfangen darstellt. Schließlich ersucht die GPK-N den Bundesrat, sich bis Ende Januar 2012 zu ihren Feststellungen und zur Evaluation der PVK zu äussern und in dieser Stellungnahme aufzuzeigen, wie und bis wann er die Empfehlung der Kommission umzusetzen gedenkt.
Die Kommission hat am 21. Oktober 2011 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi (SP, GE) in Bern getagt.
Bern, 21. Oktober 2011 Parlamentsdienste