Sollen Volksinitiativen neu auch dann für ungültig erklärt werden können, wenn sie den Kerngehalt von Grundrechten nicht beachten? Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates spricht sich mit Stichentscheid des Präsidenten für eine Motion des Nationalrates aus, welche dies fordert.

Am 20. Dezember 2011 sprach sich der Nationalrat mit 99 zu 59 Stimmen für die Motion seiner SPK aus, wonach neu auch Volksinitiativen für ungültig erklärt werden sollen, welche den Kerngehalt der Grundrechte nicht beachten (11.3468 n Mo. Nationalrat. Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit den Grundrechten). In der Ständeratskommission war dieser Vorschlag umstritten. Ein Teil der Kommission ist der Ansicht, dass es neue Regeln braucht, da die Zahl der Volksinitiativen, welche Grundrechte tangieren, immer mehr zunimmt. Es ist unbefriedigend, dass diese Volksinitiativen dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden, dann aber nicht vollumfänglich umgesetzt werden können. Die andere Hälfte der Kommission sieht im Vorschlag jedoch eine Einschränkung der Volksrechte. Sie bezweifelt zudem dessen Wirksamkeit: auch mit dem neuen Kriterium hätten die in den letzten Jahren behandelten Volksinitiativen, welche in einem Spannungsfeld zu gewissen Grundrechten standen, nicht für ungültig erklärt werden können. Die Kommission stimmte mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten der Motion zu.

11.446 s Pa.Iv. Lombardi. Für ein Auslandschweizergesetz

Die rechtlichen Bestimmungen, welche die Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen betreffen, befinden sich in etwa einem Dutzend Bundesgesetze und Verordnungen, für deren Anwendung verschiedene Departemente zuständig sind. Die SPK erachtet diesen Zustand als unbefriedigend. Sie spricht sich mit 9 zu 2 Stimmen für die parlamentarische Initiative von Ständerat Lombardi (CE, TI) und somit für die Schaffung einer einheitlichen gesetzlichen Grundlage aus. Dadurch soll eine kohärente Auslandschweizerpolitik ermöglicht werden.

11.448 s Pa.Iv. Berberat. Lobbyismus im Schweizer Parlament. Transparenz und Regulierung

Mit seiner parlamentarischen Initiative verlangt Ständerat Berberat (S, NE), dass Lobbyisten von einer von der Bundesversammlung bezeichneten Stelle akkreditiert werden sollen. Die Liste der akkreditierten Lobbyisten soll öffentlich einsehbar sein. Die Kommission spricht sich mit 7 zu 5 Stimmen gegen die Initiative aus. Sie weist darauf hin, dass seit Beginn der neuen Legislaturperiode die Liste der von den Ratsmitgliedern mit Zutrittsausweisen ausgestatteten Personen auf dem Internet einsehbar ist. Sie möchte daran festhalten, dass die Ratsmitglieder weiterhin an zwei Personen Zutrittsausweise abgeben können. Bei einer Akkreditierung durch eine zentrale Stelle würden sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen und es entstünde ein beachtlicher administrativer Aufwand. Die Minderheit erachtet es als problematisch, wenn Ratsmitglieder Lobbyisten als „persönliche Mitarbeiter“ bezeichnen und ihnen so unbeschränkten Zugang in das Parlamentsgebäude gewähren.

11.417 n Pa.Iv. Heer. Einschränkung der Suspensionsverfügungen

Die parlamentarische Initiative von Nationalrat Alfred Heer (V, ZH) verlangt, dass Ausländern, die mit einem Landesverweis oder mit einer Einreisesperre belegt sind, Einreisebewilligungen zwecks Familienbesuchen in der Schweiz durch sog. Suspensionsverfügungen nicht mehr erteilt werden dürfen. Am 8. September 2011 hatte die SPK des Nationalrates dieser Initiative mit 14 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen zugestimmt. Die SPK des Ständerates verweigert nun mit 6 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung die Zustimmung zu diesem Entscheid. Die Kommission lehnt die Initiative ab, weil sie keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht, sondern bloss Probleme beim Vollzug des geltenden Rechts. Die Kommission will den Bundesrat mit einem Postulat beauftragen, den möglichen Missbrauch von Suspensionsverfügungen abzuklären und Massnahmen gegen diesen Missbrauch zu prüfen.

10.484 n Pa.Iv. Müller Philipp. Keine Bevorzugung von Personen aus dem Asylbereich bei der Niederlassungsbewilligung

Die Kommission hält an ihrem Beschluss vom 25. März 2011 fest, wonach anerkannte Flüchtlinge bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung weiterhin eine Vorzugsbehandlung geniessen sollen. Die Initiative von Nationalrat Philipp Müller (RL, AG) beabsichtigt, dieser Personengruppe eine Niederlassungsbewilligung nach denselben Kriterien zu gewähren, wie Ausländerinnen und Ausländern aus Nicht-EU/-Efta-Staaten, also erst nach 10 Jahren anstatt wie bisher nach 5 Jahren Aufenthalt. Die Kommission hat ihren Entscheid, den sie mit 6 zu 6 Stimmen und mit Stichentscheid des Präsidenten gefasst hatte (vgl. Medienmitteilung vom 25.3.2011), an ihrer heutigen Sitzung mit 6 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen bestätigt. Den definitiven Entscheid zu dieser parlamentarischen Initiative wird nun der Ständerat zu fällen haben. Der Nationalrat hatte der Initiative am 12. September 2011 mit 85 zu 54 Stimmen Folge gegeben.

In der ausserordentlichen Session „Zuwanderung und Asylwesen“ vom 28. September 2011 angenommene Motionen des Nationalrates

Die Kommission hatte über sechs vom Nationalrat an seiner ausserordentlichen Session „Zuwanderung und Asylwesen“ angenommene Motionen zu befinden. Die Kommission musste erneut feststellen, dass der Nationalrat über die einzelnen Motionen nur abgestimmt, aber nicht debattiert hat. Dieses Verfahren widerspricht den Mindestanforderungen an die Qualität parlamentarischer Arbeit.

Die Kommission stellt dem Rat folgende Anträge:

10.3066n Mo. Nationalrat (Fraktion CEG). Bekämpfung der Ausländerkriminalität: Zustimmung mit 6 zu 5 Stimmen;

10.3067n Mo. Nationalrat (Fraktion CEG). Einführung einer Charta bei Einbürgerungen: Ablehnung mit 6 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung;

10.3173n Mo. Nationalrat (Freysinger). Runter mit den Masken!: Ablehnung mit 7 zu 3 Stimmen;

10.3174n Mo. Nationalrat (Müller Philipp). Verteilung von Personen mit Eurodac-Treffern: Zustimmung mit 8 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen;

11.3383n Mo. Nationalrat (Flückiger Sylvia). Keine Ferienreisen für Flüchtlinge mit Status F: Zustimmung mit 6 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung;

11.3732n Mo. Nationalrat (Müller Philipp). Neustrukturierung des Asylbereichs statt Asylchaos: Ablehnung mit 9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen.

Parlamentarische Initiativen zum Ausweisgesetz

Die Kommission beharrt auf ihrem Standpunkt, dass die mit der Volksabstimmung über das Ausweisgesetz vom 17. Mai 2009 beschlossene obligatorische Speicherung von biometrischen Ausweisdaten in einer zentralen Datenbank nicht wieder rückgängig gemacht werden soll. Mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnt sie vier entsprechende parlamentarische Initiativen aus dem Nationalrat (09.431, 09.435, 09.440 und 09.441) ab.

 

Die Kommission tagte am 12./13. Januar 2012 unter dem Vorsitz von Ständerat Robert Cramer (G, GE).

 

Bern, 13. Januar 2012 Parlamentsdienste