An ihren Sitzungen vom 15. Januar und 12. Februar wurde die APK-S zum Mandatsentwurf des Bundesrates für Verhandlungen mit der EU konsultiert. Das Mandat wurde von der Kommission umfassend und kontrovers diskutiert, wobei namentlich die engere institutionelle Anbindung, der vorgesehene Streitschlichtungsmechanismus, das angestrebte Stromabkommen sowie die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie teils kritisch hinterfragt wurden. In einer Gesamtabwägung begrüsst eine Mehrheit der Kommission ausdrücklich den Gesamtpaket-Ansatz, die Integration institutioneller Regeln in die Markzugangsabkommen (vertikaler Ansatz) sowie den Verzicht auf Guillotine-Klauseln in künftigen Verträgen. Wichtig erscheint der Kommission, dass die verhandelten Regeln über staatliche Beihilfen nur sektoriell im jeweiligen Bereich bzw. Abkommen gelten und keine horizontale Wirkung entfalten.
Die Kommission begrüsst auch, dass ein ganzes Paket neuer Abkommen (Strom, Gesundheit, Lebensmittelsicherheit) verhandelt wird. Abgesehen von den entsprechenden Schweizer Interessen in diesen Bereichen ermöglicht dies eine zusätzliche Verhandlungsmasse. Sollte sich zeigen, dass unsere Interessen in einem dieser Bereiche ungenügend gewahrt werden könnten oder ein Abkommen aus anderen Gründen unbefriedigend bleibt, sollte auf einen entsprechenden Abschluss eines einzelnen Abkommens verzichtet werden können, ohne dass andere verhandelte Bereiche in irgendeiner Weise betroffen sind. Insbesondere betreffend das Stromabkommen äusserten sich verschiedene Kommissionsmitglieder kritisch zum Einbezug des Stromhandels sowie der Stromproduktion in die Verhandlungen.
Die Kommission würdigt auch die Haltung der Kantone, die sich positiv hinter das Verhandlungsmandat stellen.
Mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung hat sie ihre Stellungnahme zuhanden des Bundesrates verabschiedet.
Wichtige Absicherungen
In verschiedenen Punkten bestärkt die Kommission den Bundesrat, in den Verhandlungen auf klare Absicherungen gegen unerwünschte und allenfalls nicht voraussehbare Entwicklungen zu drängen:
- Klares Verfahren bei der Mitwirkung an der EU-Gesetzgebung («decision shaping») unter Einbezug des Parlaments;
- klare Beschränkung der Kompetenz des EuGH, nur falls notwendig auf Begehren des Schiedsgerichts indirekt zur Auslegung unionsrechtlicher Begriffe tätig zu werden;
- Konzentration des Stromabkommen auf die Zusammenarbeit im Bereich Netzstabilität, den Stromhandel und die Versorgungssicherheit; Absicherung der Wahlfreiheit der Haushalte und KMUs zum Verbleib in der geschützten Grundversorgung;
- Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie nur mit striktem Bezug zum Arbeitsmarkt und präzisierende Absicherungen, damit kein unrechtmässiger oder unerwünschter Bezug von Sozialleistungen möglich ist;
- Unterstützung der Personenfreizügigkeit unter Beachtung der klar definierten Ausnahmen bei der Entsendung von Arbeitnehmenden in die Schweiz nach dem Grundsatz «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort»;
- Aktualisierung des Landverkehrsabkommens ohne Beeinträchtigung des nationalen Verkehrs und unter Sicherung der Trassen für denselben;
- rasche und dauerhafte Vollassoziierung an «Horizon» einschliesslich einer schnellen und für den Rest der laufenden Programmperiode verbindlichen Übergangsregelung sowie Teilnahme am Programm «Erasmus+».
Zusätzliche Forderungen
In folgenden Punkten fordert die Kommission den Bundesrat auf, Ergänzungen oder Präzisierungen im Verhandlungsmandat vorzunehmen:
- Sicherstellung, dass allfällige Ausgleichsmassnahmen erst in Kraft treten können, nachdem das Schiedsgericht über die Frage deren Verhältnismässigkeit entschieden hat;
- vertragliche Absicherung der heutigen Produktionsformen und –kapazitäten im Strombereich, welche die Schweiz aufbaut und betreibt.
Der Bundesrat soll sodann aufzeigen, wie die Umsetzung der Abkommen innenpolitisch abgewickelt wird, so zum Beispiel durch den Einbezug des Parlaments und bei der Definition und Zusammensetzung der schweizerischen Überwachungsbehörden.
Schliesslich regt die Kommission an, dass die parlamentarische Zusammenarbeit zwischen der Bundesversammlung und dem EU-Parlament im Sinne eines institutionalisierten Austauschs geregelt wird. Das ist ein Element der für die Kommission wichtigen Verankerung und Akzeptanz der bilateralen Verträge in der Schweiz. Die Kommission hat zudem entschieden, die Referendumsfrage dann anzugehen, wenn ein Verhandlungsergebnis auf dem Tisch liegt.
Naher Osten
Die APK-S hat sich über die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten und die Situation des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) informieren lassen. Dabei ging es namentlich um die Freilassung der Geiseln, die jüngsten Militäroffensiven Israels und die diplomatischen Initiativen im UNO-Sicherheitsrat. Im Weiteren hat sich die Kommission über die humanitären Bedürfnisse in der Region orientieren lassen. Sie hat Kenntnis genommen von der dramatischen Situation und der Vertreibung von Menschen – beides stellt für Staaten wie Ägypten und Jordanien vor allem auf logistischer Ebene eine beispiellose Herausforderung dar. Diskutiert wurde auch über das UNRWA und dabei insbesondere über die Vorwürfe bezüglich dessen Verbindungen zur Hamas sowie über die Finanzierung des Hilfswerks. Die APK-S hat davon Kenntnis genommen, dass der Bundesrat das Ergebnis der Evaluation der vom UNO-Generalsekretär eingesetzten unabhängigen Untersuchungsgruppe abwarten will, bevor er über das weitere Vorgehen entscheidet.
Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik
Die APK-S hat vom Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2023 Kenntnis genommen. Sie zeigt sich erfreut über die Qualität des Berichts und hat sich eingehend mit verschiedenen Themen befasst, darunter der Zugang zum digitalen Binnenmarkt der EU, die laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Indien und dem Mercosur sowie die soziale Verantwortung von Unternehmen. Sie beantragt zudem einstimmig, den Entwurf für einen Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen anzunehmen.