1. Schwerpunkte der Session
2. Weitere Wortmeldungen von Mitgliedern der ERD
3. Spezielle Sitzungen, Rahmenevents und Treffen
1. Schwerpunkte der Session
Ukraine
Die Lage in der Ukraine stand erneut im Fokus der Diskussionen in der PVER. In einer Dringlichkeitsdebatte über die Lage der ukrainischen Zivilbevölkerung, einschliesslich Kindern, die gewaltsam in die Russische Föderation oder in ukrainische Gebiete, die de facto unter der Kontrolle der Russischen Föderation stehen, vertrieben oder gebracht wurden, hörte die Versammlung die ukrainische First Lady
Olena Selenska an, die per Video zugeschaltet wurde.
In einer
Resolution basierend auf einem Bericht von
Paulo Pisco (Portugal, SOC) forderte die PVER die sichere Rückkehr der ukrainischen Kinder, welche nach Russland oder in die von Russland besetzen Gebiete verschleppt wurden. Die Versammlung begrüsste die vom Internationalen Strafgerichtshof ausgesprochenen Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten und die Beauftragte für Kinderrechte der russischen Föderation. Die zuständige Kommission hatte bereits im Januar einen Austausch mit der Direktorin des Center for Civil Liberties der Ukraine, Frau Oleksandra Matwijtschuk, geführt.
Ausserdem wurde eine
Aktualitätsdebatte zum Thema «Russlands Rolle bei der Eskalation der Spannungen in der Republik Moldova» geführt.
#RoadToReykjavik
Am 16. und 17. Mai 2023 findet erstmals seit 2005 ein Gipfel der Staatsoberhäupter des Europarates statt, diesmal in der isländischen Hauptstadt. Die Schweiz wird an diesem Gipfel durch Bundespräsident Alain Berset vertreten sein. Der Präsident der ERD, Nationalrat Damien Cottier (FDP, NE), nimmt als Teil der offiziellen Delegation teil. Die Versammlung führte am Dienstag, 25. April 2023, eine Aktualitätsdebatte zum Gipfeltreffen durch. Sie hörte
Síofra O'Leary, Präsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dazu an und tauschte sich mit der isländischen Aussenministerin,
Thórdís Kolbrún Reykfjörd Gylfadóttir aus. Insbesondere die Frage nach der Einrichtung eines Sondertribunals für das Verbrechen der Aggression treibt die Versammlung um. Sie hatte dies an der Wintersession ohne Gegenstimmen gefordert. Der Gipfel von Reykjavik wäre ein geeigneter Zeitpunkt für die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs, sich in einer Erklärung deutlich dafür auszusprechen. Der isländische Präsident,
Gudni Th. Jóhannesson, schloss seine
Rede vor der Versammlung im Rahmen des isländischen Vorsitzes im Ministerkomitee mit folgenden Worten ab: «In nur drei Wochen werden die europäischen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs in Island zum vierten Gipfel des Rates seit seiner Gründung zusammenkommen. Hoffen wir, dass es ein fruchtbares Treffen wird, das den Völkern Europas zugutekommt. Für mich steht fest, dass der Europarat zwar nicht das Machtzentrum dieses Kontinents ist, aber dessen Gewissen bleiben kann und sollte».
Politische Strategien zur Vorbeugung, Vorbereitung und Bewältigung der Folgen von Naturkatastrophen
Nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien forderte die PVER ihre Mitgliedsstaaten in einer
Resolution dazu auf, die Behörden der Türkei und Syriens stärker zu unterstützen. Die Versammlung rief allgemein dazu auf, sich besser auf Naturkatastrophen und Extremereignisse vorzubereiten und Massnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Klimakrise zu ergreifen. Diskutiert wurde auch das Recht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Im Bereich des Katastrophenmanagements fordert die Versammlung eine bessere Zuweisung von Mitteln, widerstandsfähigere Institutionen, stärkere dezentrale Lösungen und Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung.
Die zuständige Kommission für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene (AS/Mig) rief in einem
Statement die Mitgliedsstaaten dazu auf, die Ausstellung von Notvisa für die von den Erdbeben betroffene Bevölkerung zu erleichtern, die vorübergehend mit ihren Angehörigen zusammengeführt werden möchte. Die Kommission begrüsste in diesem Zusammenhang namentlich auch die Initiative der Schweizer Behörden.
Auf der PVER-Webseite finden Sie die Wortmeldungen von
Sibel Arslan (Grüne, BS) und
Jean-Pierre Grin (SVP, VD) zur Resolution.
2. Weitere Wortmeldungen von Mitgliedern der ERD
«Europäische Menschenrechtskonvention und nationale Verfassungen» und «Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte»
Die PVER befasste sich in zwei Resolutionsentwürfen mit dem Verhältnis der Mitgliedsstaaten zum
EGMR und zur
Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Umstand, dass die Stellung letzterer im Verhältnis zu nationalen Verfassungen in einigen Mitgliedsstaaten wiederholt hinterfragt wird, stellt den Europarat vor gewichtige Herausforderungen. Die Versammlung ging der Frage nach, wie diesen Spannungen begegnet werden soll. In der Diskussion wurde sodann der Umstand, dass einige Staaten ihrer Verpflichtung, die Urteile des EGMR umzusetzen, nicht nachkommen, erneut thematisiert. In seiner Funktion als Präsident der Kommission für Rechtsfragen und Menschenrechte (AS/Jur) bezeichnete
Damien Cottier die EMRK als Herzstück des Europarates und als Grundlage von dessen Daseinsberechtigung.
In zwei Resolutionen, basierend auf Berichten von
George Katrougalos (Griechenland, UEL) und
Constantinos Efstathiou (Zypern, SOC), fordert die PVER ihre Mitgliedsstaaten u. a. dazu auf, sich an die Urteile des EGMR zu halten, alle notwendigen Schritte einzuleiten, um diese Urteile rasch umzusetzen, und nichts zu unternehmen, was einen möglichen Konflikt zwischen der nationalen Verfassungsordnung und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verschärfen könnte.
Evaluation der Funktionsweise der Partnerschaft für Demokratie
Jean-Pierre Grin (SVP, VD) sprach zum Programm «Partnerschaft für Demokratie». Sein Redebeitrag findet sich ebenfalls auf der Internetseite der PVER.
3. Spezielle Sitzungen, Rahmenevents und Treffen
Die Kommission für Rechtsfragen und Menschenrechte (AS/Jur) und die Kommission für politische Fragen und Demokratie (AS/Pol) führten eine gemeinsame Anhörung durch zum Thema «Rolle des Europarates in der Sicherstellung der Verantwortlichkeit der Russischen Föderation für die Aggression gegen die Ukraine».
Damien Cottier als Präsident der AS/Jur leitete die Anhörung zusammen mit dem Präsidenten der AS/Pol,
Zsolt Németh (Ungarn, EC/DA). Die Anhörung reiht sich ein in die bisherigen Arbeiten des Europarates im Hinblick auf die mögliche Errichtung eines Schadensregisters, um Schadenersatzansprüche infolge der russischen Aggression gegen die Ukraine zu erfassen und zu dokumentieren.
Die Kommission für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien (AS/Cult) führte eine Anhörung zur Frage eines möglichen Ausschlusses russischer und belarussischer Athleten aus den olympischen Spielen durch.
Die AS/Jur, die AS/Cult und die Monitoring-Kommission (AS/Mon) führten eine gemeinsame Anhörung zur anhaltenden Verfolgung von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in Aserbaidschan. Die Sitzung wurde durch die Präsidien der drei Kommissionen (Damien Cottier für AS/Jur,
Yevheniia Kravchuk für AS/Cult und
Piero Fassino für AS/Mon) geleitet.
Die Liste der Anhörungen (teilweise mit Videoaufzeichnungen):
hier
In seiner Funktion als Berichterstatter zum Thema «Illegale Pushbacks auf dem Land- und Seeweg» der Kommission für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene (AS/Mig) gab
Pierre-Alain Fridez am 27. April 2023 eine
Erklärung zu einer Gesetzesänderung in der Republik Litauen ab. Das litauische Parlament hatte vor Kurzem eine Änderung des Gesetzes über den Grenzschutz genehmigt, welche u. a. darauf abzielt, sogenannte Pushbacks an der litauischen Grenze zu Weissrussland zu legalisieren. Pierre-Alain Fridez äusserte seine Befürchtungen, dass dadurch der Zugang zu einem wirksamen, fairen und individuellen Verfahren nicht gewährleistet werden kann. Er wies das litauische Parlament darauf hin, dass «die Legalisierung von Pushbacks nicht bedeutet, dass solche Praktiken nach internationalen und EMRK-Standards rechtmässig sind.»
Der Präsident der PVER,
Tiny Kox würdigte gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden der Versammlung und in Anwesenheit seiner Gattin Evgenia Kara-Murza den russischen Oppositionsführer Wladimir Kara-Murza, der zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde. Der Präsident kritisierte sodann die Inhaftierung der belarussischen Aktivisten Ales Bialiatski und Maria Kalesnikava. Bei allen drei Personen handelt es sich um Träger des Václav-Havel-Menschenrechtspreises des Europarates. Im Namen der PVER sprach der Präsident den verfolgten Oppositionellen in Russland und Weissrussland seine Unterstützung aus.