Nach mehreren Jahrzehnten mit tiefen Inflationsraten hat in den letzten Jahren die Teuerung in der Schweiz wieder angezogen. Ab Frühling 2021 stieg die Inflation auf bis zu 3,5 Prozent im August 2022. So hohe Inflationsraten traten in der Schweiz letztmals in den 1990er-Jahren auf – mit einem Spitzenwert von über 6 Prozent im Jahr 1991. Abgesehen von einer kurzen Zeitperiode vor der Finanzkrise 2008 lag die Inflationsrate seither immer unter 2 Prozent. Zwischen 2009 und 2020 war die Teuerung sogar teilweise negativ.
In der Europäischen Union (EU) ist die Entwicklung der Inflationsraten gravierender. Im Oktober 2022 wurde mit 10,6 Prozent gar die höchste Inflationsrate seit Bestehen der EU festgestellt. Seither hat sich die Situation zwar leicht entspannt (Inflationsraten im Mai 2023 von 2,2 Prozent in der Schweiz und 8,1 Prozent in der EU), sie bleibt aber eine grosse Herausforderung für die Zentralbanken.
Nicht zuletzt beeinflusst die Inflation auf vielfältige Art und Weise den Bundeshaushalt und die bundesnahen Betriebe. Sowohl die Ausgaben- als auch die Einnahmen des Bundeshaushaltes reagieren auf Veränderungen bei Teuerungsraten. Je nachdem, wie diese Reaktionen ausfallen, kann sich im Zusammenhang mit der Schuldenbremse finanzpolitischer Handlungsbedarf ergeben. Aufgrund der Aktualität und der finanzpolitischen Relevanz entschieden sich die FK, das Finanzpolitische Seminar dem Thema «Bundeshaushalt und Inflation» zu widmen.
Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen zur Inflation
Im ersten Teil des Seminars haben Beatrice Weder di Mauro und Cédric Tille Referate zu den Ursachen und Konsequenzen des derzeitigen Inflationsanstiegs sowie zu den Kosten der Inflation und dem Zusammenhang zwischen dem Arbeitsmarkt und der Inflation gehalten. Beide Referierende sind Professoren für Wirtschaftswissenschaften am
Institut de hautes études internationales et du développement (IHEID) in Genf. Für Diskussionen sorgten die Unterschiede bei der Teuerung zwischen der Schweiz, der EU und den USA und deren Ursachen sowie die Frage, wie die längerfristige Inflationsentwicklung aussehen wird.
Die Geldpolitik als Instrument zur Bekämpfung der Inflation
Im zweiten Themenblock des Seminars, bei dem die Zentralbanken im Fokus standen, hörte die Kommission Referate von zwei Personen, die täglich mit der Bekämpfung der gestiegenen Inflationsraten beschäftigt sind: Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), referierte über das Ziel und die Instrumente der Geldpolitik der SNB. Aufgabe der Geldpolitik ist es, einer Verbreiterung der Teuerung entgegenzuwirken. Die bisherige geldpolitische Straffung hat den Franken gestärkt und so die importierte Inflation gedämpft. Darüber hinaus wirkt die Geldpolitik auch direkt der inländischen Teuerung entgegen. Eine weitere Straffung der Geldpolitik ist nicht auszuschliessen, um sicherzustellen, dass die Inflation in der mittleren Frist nachhaltig in den Bereich der Preisstabilität, d.h. zwischen 0% und 2%, zurückkehrt.
Christiane Nickel, stellvertretende Generaldirektorin des Zentralbereichs Volkswirtschaft der Europäischen Zentralbank (EZB), erläuterte die Perspektive der EZB auf den aktuellen Inflationsanstieg. In der EU waren insbesondere die gestiegenen Energiepreise, die nun am Sinken sind, ein starker Treiber der Inflation. Da die Teuerung bei den Nahrungsmittel aber weiter hoch bleibt, rechnet die EZB damit, dass die Inflation noch über einen längeren Zeitraum über dem mittelfristigen Inflationsziel von 2 Prozent bleibt.
Bedeutung der Inflation für den Bund und die Bundesunternehmen
Im dritten und letzten Teil des Seminars befassten sich die Finanzkommissionen mit den Auswirkungen der Inflation auf den Bundeshaushalt und die bundesnahen Betriebe. Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) ging in ihren zwei Referaten auf die positiven und negativen Auswirkungen der Teuerung, auf die Höhe der Ausgaben und Einnahmen sowie des Rechnungssaldos ein. Der Bund sei tendenziell ein Verlierer der höheren Teuerungsraten.
Auch die bundesnahen Betriebe sind von den höheren Inflationsraten betroffen: Bei der SBB, Post und Swisscom betrifft dies mindestens 75 Prozent der Ausgaben. Inwieweit die bundesnahen Betriebe imstande sind, die negativen Auswirkungen der Inflation abzufedern, hängt hauptsächlich davon ab, ob sie im freien Markt agieren (z. B. Swisscom und RUAG international) und inwiefern sie selbst über ihre Tarife bestimmen können (z. B. SBB und Post).
Das Finanzpolitische Seminar hat am 28. Juni 2023 unter der Leitung von Nationalrat Roland Fischer (GLP, LU) in Luzern stattgefunden. Das Seminar wird jeweils im Kanton des Präsidenten bzw. der Präsidentin der für die Organisation verantwortlichen Kommission durchgeführt. Ein solches Seminar bietet auch Gelegenheit, den Austausch mit Mitgliedern der Exekutiven des Gastkantons zu pflegen. Die FK wurden vom Stadtpräsidenten von Luzern, Beat Züsli, empfangen, der das Seminar mit einer Willkommensrede eröffnete. Zudem tauschten sich die FK intensiv mit dem Departementsvorsteher des Luzerner Finanzdepartements, Regierungsrat Reto Wyss, aus.