Die GPK haben die Tätigkeiten der drei Hauptorgane untersucht, deren Aufgabe es war, den Bundesrat bei der Pandemiebewältigung zu unterstützen – die Taskforce des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), den Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) und den Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC) – und sich dabei auf den Zeitraum zwischen Januar und Juni 2020 konzentriert. Nach zweijähriger Arbeit veröffentlichen die Kommissionen heute ihren einstimmig genehmigten
Untersuchungsbericht, in dem sie den ihnen bekannten Sachverhalt und dessen Beurteilung aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht darlegen.
Die GPK ziehen insgesamt eine gemischte Bilanz zur Krisenorganisation des Bundes. Auf der einen Seite konnte die Schweiz mit dieser Krisenorganisation die erste Pandemiewelle im Grossen und Ganzen grundsätzlich zufriedenstellend bewältigen. Die Mitglieder und Mitarbeitenden dieser Organe erfüllten ihre Aufgaben mit grossem Einsatz, was die GPK lobend hervorheben. Die GPK sind sich auch bewusst, dass die Behörden rasch reagieren mussten und dies in Zeiten grosser Unsicherheit. Gerade zu Beginn der Pandemie war es insbesondere sehr schwierig, deren Tragweite und Dauer einzuschätzen. Auf der anderen Seite ist aber auch festzuhalten, dass die Bundesbehörden von dieser Pandemie in vielerlei Hinsicht unvorbereitet getroffen wurden und dass die Krisenorganisation in einigen Punkten stark von den vorgesehenen Strukturen und Vorgaben abwich.
Der Bundesrat erkannte nach Ansicht der GPK nicht früh genug, dass es sich bei der Covid-19-Pandemie um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt, und unterschätzte deren mögliche Dauer. Er versäumte es, zu Beginn der Krise grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation des Bundes anzustellen. Als Folge davon wurden die drei Hauptorgane (BAG-Taskforce, BSTB und KSBC) zeitlich versetzt und nicht koordiniert aktiviert, und die jeweiligen Zuständigkeiten waren nicht hinreichend klar definiert.
Die GPK halten ausserdem fest, dass in der ersten Pandemiewelle stark am Departementalprinzip festgehalten wurde und der Grossteil des Krisenmanagements in den üblichen Verwaltungsstrukturen erfolgte. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hatte einen vorherrschenden Einfluss auf das Krisenmanagement des Bundes, wohingegen den bereichsübergreifenden Organen (BSTB und KSBC) nur eine subsidiäre Rolle zukam. Die GPK halten es für notwendig, dass der Bundesrat Überlegungen darüber anstellt, wie künftig beim Krisenmanagement ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Departementalprinzip und dem bereichsübergreifenden Ansatz gefunden werden kann.
Die GPK verweisen in ihrem Bericht ferner auf verschiedene weitere Versäumnisse im Zusammenhang mit der Krisenorganisation, so z. B. in Sachen Krisenübungen und Einbezug der Kantone.
Was die Tätigkeiten der drei wichtigsten Krisenorgane des Bundes angeht, kommen die GPK zu folgenden Schlüssen:
BAG-Taskforce
Die BAG-Taskforce erfüllte ihre Rolle in der ersten Pandemiewelle bestmöglich. Sie wies aber verschiedene Schwächen auf, namentlich in Sachen Personalmanagement und Kompetenzverteilung, was darauf zurückzuführen ist, dass es zu Beginn der Pandemie versäumt wurde, gewisse wichtige Entscheide über die Organisation des BAG zu treffen. Positiv hervorgehoben ist allerdings, dass das BAG ab Herbst 2020 verschiedene Massnahmen ergriff, um diese Schwächen zu beheben.
Die GPK sind der Ansicht, dass die Rechtsgrundlagen und die sonstigen einschlägigen Vorgaben präzisiert und ergänzt werden müssen, und dass das Krisenhandbuch des BAG einer Revision bedarf. Im Weiteren fordern sie den Bundesrat mit einer Motion auf, die bestehenden Rechtsgrundlagen des Krisenmanagements zu ergänzen, um die Aktivitäten von Organen wie der Taskforce im Hinblick auf allfällige künftige Krisen besser einzurahmen.
Bundesstab Bevölkerungsschutz und Krisenstab des Bundesrates Corona
Der BSTB und der KSBC wurden nicht gemäss den rechtlichen Vorgaben und Weisungen eingesetzt. Sie wurden verspätet aktiviert und waren nicht in der Lage, ihre Aufgabe – die Vorbereitung von Entscheidgrundlagen des Bundesrates – zu erfüllen, da dies von der BAG-Taskforce übernommen wurde.
In Bezug auf den BSTB sind die GPK der Auffassung, dass der Bundesrat in den ersten Krisenmonaten die rechtlichen Grundlagen hätte anpassen müssen, was aber nicht getan wurde. Die Gründe, die von den befragten Personen dafür genannt wurden, warum der BSTB seine ihm eigentlich zugedachte Rolle nicht erfüllen konnte, sind nach Ansicht der GPK kaum nachzuvollziehen. Schwer verständlich ist für die Kommissionen auch, warum die Herausforderungen, die sich in Zusammenhang mit diesem Organ ergaben, nicht bereits vor der Krise erkannt wurden.
Die Kommissionen erachten es als kritisch, dass die Vertretung der verschiedenen Departemente im KSBC nicht genau geregelt wurde, und dass das EDI eine derart gewichtige Rolle in diesem Organ einnahm. Sie ersuchen den Bundesrat, zu hinterfragen, ob die Strukturen des BSTB und des KSBC geeignet sind, und ob die Aufgabenzuweisung an diese beiden Stäbe sinnvoll ist.
Überarbeitung der Krisenorganisation notwendig
Die GPK erachten es als unerlässlich, dass der Bundesrat so rasch wie möglich eine kritische Gesamtbilanz seiner Krisenorganisation zieht und die Rechtsgrundlagen und sonstigen einschlägigen Vorgaben auf der Grundlage dieser Bilanz überarbeitet. Die Kommissionen haben ein entsprechendes Postulat eingereicht. Sie begrüssen die Schritte in diese Richtung, die der Bundesrat bereits unternommen hat, und die Verbesserungen, die in den vergangenen Monaten an der Krisenorganisation vorgenommen wurden.
Die GPK werden sich im Rahmen ihrer Oberaufsichtstätigkeit weiterhin mit verschiedenen Aspekten der Pandemiebewältigung befassen. Eine Übersicht über die entsprechenden Arbeiten findet sich auf der
Webseite der GPK.
Die GPK haben am 16., 17. und 23. Mai 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP, LU) und Ständerat Matthias Michel (FDP, ZG) in Bern getagt.