Die Immunitätskommission des Nationalrates (IK-N) ist mit 6 zu 2 Stimmen auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 25. Juni 2021 (21.190) eingetreten. Sie hat einstimmig entschieden, die Immunität von Nationalrätin Sibel Arslan nicht aufzuheben.

Am 14. Juni 2020 fanden in Basel diverse Frauenstreik-Demos statt. Nationalrätin Sibel Arslan stiess zu einer illegalen Demonstration dazu, um zwischen der Einsatzleitung der Polizei und den Demonstrantinnen zu vermitteln. Es wird ihr vorgeworfen, dass sie nach der erfolgslosen Vermittlung vor Ort blieb und die rechtswidrige Demonstration unterstützte. Sie habe die Polizeikräfte an den nötigen und mehrfach angekündigten Amtshandlungen gehindert, sodass sie gegen ihren Willen weggebracht werden musste, um die Räumung geordnet vollziehen zu können. Dabei habe sie sich unter anderem wegen der Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) und der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen (Art. 239 StGB), strafbar gemacht und gegen die Covid-2-Verordnung verstossen.

Die Kommission hat Nationalrätin Arslan angehört. Sie macht geltend, dass sie an die Demonstration gerufen worden sei, um in ihrer Rolle als Nationalrätin in Absprache mit der Einsatzleitung der Polizei zwischen den Demonstrantinnen und der Polizei zu vermitteln. Sie habe dabei zur Deeskalation der Situation beigetragen und man habe sich in der Folge für ihre Vermittlungsarbeit explizit bei ihr bedankt.

Die Kommission weist darauf hin, dass Nationalrätin Sibel Arslan nicht als Demonstrantin an der Demonstration teilnahm, sondern aufgrund ihrer Stellung als Nationalrätin als Vermittlerin vor Ort gerufen wurde. Sie kommt deshalb mit 6 zu 2 Stimmen zum Schluss, dass vorliegend ein unmittelbarer Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit oder Stellung besteht. Die Kommission erachtet es als fraglich, ob die Handlungen, die Nationalrätin Sibel Arslan vorgeworfen werden, überhaupt eine strafrechtliche Relevanz aufweisen. Angesichts der ehrenwerten Absichten von Nationalrätin Arslan erkennt sie in deren Handlungen keine schwere Verfehlung. Sie kommt daher einstimmig zum Schluss, dass in diesem Fall die institutionellen Interessen des Parlaments gegenüber dem rechtsstaatlichen Interesse an der Strafverfolgung überwiegen und eine Aufhebung der Immunität unverhältnismässig wäre.

Am 20. September 2021 wird die Rechtskommission als zuständige Kommission des Ständerates das Gesuch behandeln. Bei gleichlautendem Beschluss der ständerätlichen Kommission ist der Schutz der Immunität von Nationalrätin Arslan definitiv und die Einleitung eines Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nicht möglich. Sollte die Kommission des Ständerates einen abweichenden Beschluss fällen, würde das Geschäft zur Differenzbereinigung an die Immunitätskommission des Nationalrates zurückgehen.