Der Nationalrat hat in der Frühjahrssession knapp einem Antrag zugestimmt, der bei schweren Gewalttaten einen Automatismus bei der Anordnung der Verwahrung bei erwachsenen Tätern vorsieht, die bereits einmal einen Mord, eine vorsätzliche Tötung oder eine Vergewaltigung begangen haben (22.071, Entwurf 1). Die RK-S geht davon aus, dass eine solche Bestimmung nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar wäre und dazu führen würde, dass therapierbare Straftäter keine medizinische Behandlung erhalten würden. Entsprechend hat sie mit 8 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen entschieden, ihrem Rat die Streichung dieser Bestimmung zu beantragen. Mit 7 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen schliesst sich die Kommission in der Frage des Intervalls zur Überprüfung der Verwahrung dem Nationalrat an. Demnach soll die bedingte Entlassung aus der Verwahrung nur noch alle drei Jahre von Amtes wegen überprüft werden, wenn sie von der zuständigen Behörde mindestens dreimal in Folge rechtskräftig abgelehnt worden ist.
Die Kommission hat anlässlich der Differenzbereinigung im Entwurf 2 eine ausführliche Diskussion zur Frage der Strafrahmen im Jugendstrafrecht geführt. Zwar beantragt sie ihrem Rat ohne Gegenstimme, an der Version des Ständerats festzuhalten und im Rahmen der hängigen Vorlage keine Anpassung der Strafrahmen im Jugendstrafrecht vorzunehmen, wie dies vom Nationalrat für die Fälle des Mordes beschlossen wurde. Sie wird die Fragen des Strafmündigkeitsalters und der Strafrahmen im Jugendstrafrecht jedoch an einer ihrer nächsten Sitzungen im Rahmen von Anhörungen weiter vertiefen, um einen allfälligen Handlungsbedarf auszuloten.
Noch keine Entscheide in der Vorlage zu den Baumängeln
Die Kommission hat mit der Detailberatung der Vorlage zu einer Revision des Kauf- und Werkvertragsrechts (22.066) begonnen und die Verwaltung mit weiteren Abklärungen beauftragt. Die Kommission möchte die Vorlage an ihrer nächsten Sitzung fertig beraten und sie dem Ständerat für die Sommersession unterbereiten.
Weitere Geschäfte:
- Die Kommission hat nach der Anhörung von Vertreterinnen und Vertreter der Anwaltschaft sowie der Justizbehörden die Eintretensdebatte zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (23.022) geführt und ist mit 7 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung auf die Vorlage eingetreten. Die Kommission unterstützt im Grundsatz die verstärkte Digitalisierung im Justizbereich und wird an ihrer nächsten Sitzung die Detailberatung der Vorlage durchführen.
- Die Kommission hat ihre Beratung des Bundesgesetzes über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise (23.073) begonnen. Sie hat sich in diesem Rahmen über die technischen Rahmenbedingungen der vorgesehenen Vertrauensinfrastruktur informieren lassen und wird an ihrer nächsten Sitzung die Eintretensdebatte führen.
- Die Kommission hat die Beratung der Motion 22.4113 «Chat-Kontrolle. Schutz vor anlassloser dauernder Massenüberwachung» mit 9 zu einer Stimme sistiert, um die Ergebnisse eines Berichtes des EJPD zum Handlungsbedarf des Kindes- und Jugendschutzes im Internet in der Schweiz abzuwarten. Der Bericht wird im Verlauf dieses Jahres erscheinen.
- Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 5 zu 4 Stimmen, die Motion 22.3980 («Wirksame Ausstiegsprogramme zur beruflichen und sozialen Neuorientierung für Menschen, die aus der Prostitution aussteigen wollen») abzulehnen, um nicht in einen Bereich einzugreifen, der in der Hoheit der Kantone liegt.
- Mit 9 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, die Motion 21.3426 («Betreibung von OKP-Forderungen auf Pfändung anstatt auf Konkurs») abzulehnen. Das Motionsanliegen steht nämlich im Widerspruch zum jüngsten Beschluss des Parlamentes, die Ausnahmen von der Konkursbetreibung für öffentlich-rechtliche Schulden (Artikel 43 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs) abzuschaffen.
Die Kommission hat am 18./19. März 2024 unter dem Vorsitz von Ständerat Daniel Jositsch (SP, ZH) in Bern getagt.