Die RK-N hat sich bereits mehrfach mit der Vorlage des Bundesrats befasst, welche bessere Instrumente zur Durchsetzung von Ansprüchen bei Massen- und Streuschäden vorsieht. Sie hat im Juli 2023 die Resultate einer Regulierungsfolgeabschätzung (RFA) zur Kenntnis genommen und die Verwaltung damit beauftragt, die anzunehmenden Kostenfolgen bei direktbetroffenen Unternehmen in der Schweiz zu validieren. Die Resultate dieser Zusatzuntersuchung liegen nun vor und zeigen, dass die in der RFA getroffenen Annahmen und Einschätzungen weitgehend bestätigt werden (Link zur Studie). Nach der jüngsten Verurteilung der Schweiz durch den EGMR (in der Sache «Verein KlimaSeniorinnen Schweiz u.a. vs Schweiz») sieht die Kommission jedoch weiteren Klärungsbedarf. Sie hat die Verwaltung deshalb damit beauftragt, ihr in einer Notiz darzulegen, welche direkten oder auch indirekten Folgen dieser Entscheid für die Ausgestaltung von Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes im System des Schweizerischen Privatrechts allenfalls haben könnte. Die Vorlage wird deshalb frühestens in der Herbstsession vom Nationalrat beraten werden können.
Minderjährigenheiraten bekämpfen: Kommission tritt auf Entwurf des Bundesrates ein
Wie ihre Schwesterkommission und der Ständerat sieht auch die RK-N in der Thematik der Minderjährigenheiraten in der Schweiz klaren Handlungsbedarf. Entsprechend ist sie einstimmig auf den Entwurf des Bundesrates bezüglich Massnahmen gegen Minderjährigenheiraten (23.057) eingetreten, welcher die heutige Gesetzgebung in diesem Bereich weiter verbessern soll. Die im Entwurf vorgeschlagenen Änderungen des Zivilgesetzbuches und des internationalen Privatrechtes stellen aus Sicht der Kommission wirksame Mittel im Kampf gegen Minderjährigenheiraten dar. So sollen die sogenannten «Sommerferienheiraten» – Heiraten, in welchen in der Schweiz wohnhafte Minderjährigen während der Ferien im Ausland verheiratet werden – sowie Heiraten mit Kindern unter 16 Jahren künftig in jedem Fall als ungültig erklärt werden. Darüber hinaus befürwortet die Kommission, dass minderjährig verheiratete Ehepartner künftig bis zur Erreichung ihres 25. Lebensjahres eine Ungültigkeitsklage aufgrund von Minderjährigkeit einreichen können sollen, was heute nur bis zum 18. Lebensjahres möglich ist. An ihrer nächsten Sitzung wird die Kommission die Detailberatung zur Vorlage führen.
Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen: Solidaritätsbeiträge von Gemeinden und Kantonen
Die Kommissionen hat einstimmig einen Erlassentwurf zu Handen ihres Rates verabschiedet, mit dem erreicht werden soll, dass für Empfängerinnen und Empfänger von allfälligen kantonalen oder kommunalen Solidaritätsbeiträgen keine finanziellen Nachteile entstehen (23.472). Entsprechende Beiträge werden dem Solidaritätsbeitrag des Bundes in steuer-, schuldbetreibungs-, sozialversicherungs- und sozialhilferechtlicher Hinsicht gleichgestellt (Erlassentwurf und begleitender Bericht). Die Vorlage wird vom Nationalrat voraussichtlich in der Sommersession beraten werden.
Neues Foltergütergesetz wird grossmehrheitlich unterstützt
Nachdem die Kommission an ihrer letzten Sitzung bereits auf die Vorlage zum Foltergütergesetz (23.066) eingetreten ist, hat sie den Entwurf nun im Detail beraten. Sie unterstützt grossmehrheitlich das Vorhaben des Bundesrates, den Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum Zweck der Folter verwendet werden können, zu regeln. Um den Datenschutz bei der Durchführung von Bewilligungs- und Kontrollverfahren zu stärken, beantragt die Kommission allerdings, im Gesetz präziser zu definieren, welche Daten zu welchem Zweck zwischen den Behörden ausgetauscht und bearbeitet werden dürfen (Art. 12a-14). Es liegen diverse Minderheiten vor, die entweder eine Limitierung oder einen Ausbau des Anwendungsbereichs des Gesetzes fordern. Die Vorlage wird in der Sommersession vom Nationalrat behandelt.
Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums
Gemäss aktueller Praxis zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums werden die laufenden Steuern nicht berücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass während einer laufenden Pfändung unvermeidbare neue Steuerschulden entstehen. Nach Kenntnisnahme des Berichts des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 18.4263 «Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums prüfen» sieht die Kommission Handlungsbedarf und hat sich einstimmig für die Annahme der Kommissionsmotion 24.3000 ausgesprochen, die den Bundesrat beauftragt, eine Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs auszuarbeiten. Gleichzeitig beantragt sie der Standesinitiative des Kantons Genf 23.303 «Bekämpfung der Schuldenspirale. Berücksichtigung der Steuerlast des laufenden Jahres in den Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums» mit 19 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen keine Folge zu geben.
Weitere Beschlüsse
- Die Kommission beantragt mit 15 zu 10 Stimmen, der parlamentarische Initiative Addor 23.464 (Beleidigende Handlungen gegen die Schweizer Flagge und andere Schweizer Hoheitszeichen sind in jedem Fall zu bestrafen) keine Folge zu geben.
Die Kommission tagte am 11./12. April 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrat Vincent Maitre (M-E GE) in Bern.