Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat zwei Vorlagen verabschiedet, mit welchen die Möglichkeiten zur Anfechtung von Anfangsmietzinsen beschränkt (16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung) und der Nachweis der sogenannten Orts- und Quartierüblichkeit erleichtert werden sollen (16 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Die Kommission hat vom Ergebnisbericht über die Vernehmlassung zu den beiden von Alt-Nationalrat Hans Egloff eingereichten parlamentarischen Initiativen 16.451 («Für Treu und Glauben im Mietrecht. Anfechtung des Anfangsmietzinses nur bei Notlage des Mieters») und 17.493 («Beweisbare Kriterien für die Orts- und Quartierüblichkeit der Mieten schaffen») Kenntnis genommen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse hat sie über das weitere Vorgehen betreffend diese beiden Geschäfte diskutiert.

Die Kommission teilt die Ansicht mehrerer Vernehmlassungsteilnehmender, wonach sich die Anliegen der parlamentarischen Initiativen auf verschiedene Aspekte des Mietrechts beziehen. Entsprechend hat sie sich entschieden, die parlamentarischen Initiativen in zwei separaten Entwürfen umzusetzen. Die Kommission hat grossen Handlungsbedarf bei der Mietzinsgestaltung festgestellt, da die momentane Rechtslage zu bedeutender Rechtsunsicherheit führt und langwierige Verfahren mit hohem administrativem Aufwand für die Streitparteien und Schlichtungsbehörden begünstigt. Weiter hat die Kommission diskutiert, ob die parlamentarischen Initiativen jeweils gemäss dem Wortlaut ihres Initiativtextes oder gemäss einer ebenfalls in die Vernehmlassung gegebenen Variante umgesetzt werden sollte. In beiden Sachverhalten hat sich die Kommission für eine Umsetzung gemäss Wortlaut entschieden (bezüglich Anfechtung des Anfangsmietzinses mit 16 zu 9 Stimmen, bezüglich Orts- und Quartierüblichkeit mit 15 zu 9 Stimmen). Die Kommission begrüsst somit, dass Anfangsmietzinse nur noch dann angefochten werden können, wenn sich die mietende Partei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einer persönlichen oder familiären Notlage befand. Ebenfalls befürwortet sie die diversen vorgeschlagenen Spezifikationen im Bereich der Orts- und Quartierüblichkeit. Diese sollen es leichter machen, nachzuweisen, dass die Mietzinsen eines Objektes den Mietzinsen von vergleichbaren Objekten entsprechen und somit nicht missbräuchlich sind. So sollen unter anderem die Anzahl für den Vergleich notwendiger Objekte reduziert und neu auch branchenetablierte Statistiken als Beweismittel zugelassen werden.

Es wurden mehrere Minderheitsanträge eingereicht. Sie beantragen dem Rat unter anderem, auf die beiden Vorlagen nicht einzutreten und die parlamentarischen Initiativen gemäss den in die Vernehmlassung gegebenen Varianten umzusetzen, die den Interessen sowohl der Mieter als auch der Vermieter Rechnung tragen.

Die nun verabschiedeten Vorlagen werden voraussichtlich in der Frühjahrssession 2025 im Nationalrat beraten.

Baumänge​​​l: Festhalten am Modell des Nationalrats

Die Kommission hat sich mit den Beschlüssen des Ständerats im Entwurf zur Revision des Gewährleistungsrechts bei Baumängeln (22.066) auseinandergesetzt. Sie beantragt ihrem Rat mit 17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung, am Modell des Nationalrats festzuhalten, wonach für Baumängel künftig eine jederzeitige Rügemöglichkeit während der Verjährungsfrist möglich wäre. Mit 15 zu 9 Stimmen hat die Kommission jedoch beschlossen, die Verjährungsfrist bei den heute geltenden 5 Jahren zu belassen und auf die ursprünglich beabsichtigte Verdoppelung auf 10 Jahre zu verzichten. Eine Minderheit der Kommission beantragt ihrem Rat, sich dem Ständerat anzuschliessen und für Baumängel eine Rügefrist von 60 Tagen vorzusehen. Die RK-S wird die Differenzbereinigung im nächsten Quartal vornehmen.

Gewalt geg​​en Frauen

Die Kommission hat zwei parlamentarische Initiativen von Nationalrätin Céline Amaudruz vorgeprüft, welche die Frage der individuellen Strafzumessung bei schweren Straftaten aufwerfen. Sie kommt mit 11 zu 4 Stimmen bei 10 Enthaltungen zum Schluss, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die «(im Vergleich relativ kurze) Dauer der Vergewaltigung» bei der individuellen Strafzumessung berücksichtigt werden dürfe (Urteil 7B_15/2021, 7B_16/2021), vom Gesetzgeber korrigiert werden muss (23.479). An einer ihrer nächsten Sitzungen wird sie zudem prüfen, ob die Regeln der individuellen Strafzumessung bei schweren Straftaten, die im Kontext von häuslicher Gewalt begangen werden, angepasst werden sollten, wie dies die Initiative 23.480 anregt.

Cybergrooming und Cyb​​ermobbing im Strafrecht?

Die Kommission hat den Bericht des Bundesrats vom 8. Dezember 2023 in Erfüllung der Postulate 19.4016 (Feri) und 19.4105 (Regazzi) zu den Massnahmen zur Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern im Internet und Kindsmissbrauch via Live-Streaming zur Kenntnis genommen. Im Rahmen der Vorlage zur Revision des Sexualstrafrechts (18.043, E. 3) hat es der Ständerat mehrfach abgelehnt, neue Tatbestände zu Cybergrooming oder Cybermobbing ins Strafrecht aufzunehmen, wie dies der Nationalrat im Rahmen der Umsetzung von zwei parlamentarischen Initiativen vorgeschlagen hatte (18.434 und 20.445). Die Kommission wird nun prüfen, wie die Anliegen doch noch umgesetzt werden können und dazu an einer ihrer nächsten Sitzungen Anhörungen durchführen. 

Weitere B​​eschlüsse:

  • Mit 13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission, einer parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Sophie Michaud Gigon, die einen freiwilligen Rechtsstatus «Nachhaltiges Unternehmen» für Schweizer Unternehmen einführen will (23.454), keine Folge zu geben. Sie ist unter anderem der Meinung, dass der Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 23.4062 «Unterstützung von Schweizer KMU bei der Anwendung von ESG-Richtlinien» abgewartet werden soll, bevor über das weitere Vorgehen entschieden wird. Eine Minderheit unterstützt das Anliegen der Initiative und beantragt, ihr Folge zu leisten.
  • Die Kommission beantragt mit 17 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die parlamentarische Initiative (Rickli) Rutz Gregor 18.467 («Keine Anerkennung von Kinder- und Minderjährigenehen in der Schweiz») abzuschreiben.
  • Nach Kenntnisnahme vom Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Caroni 20.4399 («Für ein modernes Bundesgerichtsgesetz») beantragt die Kommission einstimmig, die gleichbetitelte Motion 24.3023 anzunehmen, damit die im Postulatsbericht vorgeschlagenen technischen Änderungen schnell umgesetzt werden können. Diese «kleine» Revision würde die Rechtslage verbessern, ohne jedoch das Problem der Überlastung zu lösen. Mit diesem Problem wird sich die Kommission zu einem späteren Zeitpunkt erneut befassen.

Die Kommission tagte am 15./16. August 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrat Vincent Maitre

(M-E GE) in Bern.