Die Kommission hat mit 18 zu 6 Stimmen den von den Nationalrätinnen de Quattro bzw. Porchet eingereichten Initiativen 21.410 bzw. 21.411 («Wer schlägt, geht!») Folge gegeben. Die Initiativen verlangen, im Gesetz den Grundsatz zu verankern, wonach die gewalttätige Person und nicht das Opfer aus der gemeinsamen Wohnung weggewiesen wird. Ausserdem hat die Kommission Kenntnis genommen von den Berichten des Bundesrates in Erfüllung dreier Postulate, eines zur medizinischen Versorgung bei häuslicher Gewalt (14.4026), eines zur Verbesserung des Opferschutzes (19.4369) und eines zu den Ursachen der Femizide und den möglichen Präventionsmassnahmen (19.3618). Die Kommission begrüsst die zahlreichen Empfehlungen sowie die bereits getroffenen Massnahmen und befürwortet mit 17 zu 6 Stimmen Präventionskampagnen gegen häusliche sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt (Motion 21.4418 von Ständerätin Maret und Petition 21.2045 der Frauensession 2021). Mit knapper Mehrheit (12 zu 11 Stimmen) beantragt die Kommission allerdings, der Petition 21.2043 keine Folge zu geben. Diese verlangt, dass 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt aufgewendet wird. Zu guter Letzt beantragt sie mit 7 zu 2 Stimmen bei 15 Enthaltungen, der Initiative 21.488 von Nationalrätin Amaudruz keine Folge zu geben. Die Initiative verlangt eine härtere Strafe, wenn das Opfer einer Straftat eine Frau ist. Die Kommission versteht zwar das Anliegen der Initiantin, betont jedoch, dass diese Massnahme kaum eine präventive Wirkung hätte und damit im Strafgesetzbuch eine Ungleichhandlung eingeführt würde, die nicht mit den Grundrechten vereinbar ist.
Kollektiver Rechtsschutz
Mit der Überweisung der Motion Birrer-Heimo 13.3931 («Förderung und Ausbau der Instrumente der kollektiven Rechtsdurchsetzung») wurde der Bundesrat vom Parlament beauftragt, die notwendigen Gesetzesänderungen auszuarbeiten, welche es einer grossen Anzahl gleichartig Geschädigter erleichtern, ihre Ansprüche gemeinsam vor Gericht geltend zu machen. Der Bundesrat entschied im Jahr 2020, die kollektive Rechtsdurchsetzung von der laufenden ZPO-Revision (20.026) abzutrennen und separat zu behandeln.
Der Bundesrat legt nun in einer am 10. Dezember 2021 verabschiedeten Vorlage (21.082) eine gegenüber dem Vorentwurf insgesamt schlankere Lösung vor, mit welcher die bestehende Verbandsklage ausgebaut werden und künftig auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen bei sogenannten Massen- und Streuschadensfällen ermöglicht werden soll. Die Kommission hat nun Anhörungen zu dieser neuen Vorlage durchgeführt und dazu verschiedene Personen bzw. Organisationen aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Konsumentenschutz eingeladen. Sie wird an einer ihrer nächsten Sitzungen die Beratung der Vorlage (Eintretensdebatte, Detailberatung) aufnehmen.
Ermöglichung von Doppelnamen bei der Heirat
Die Kommission hat mit 23 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen einen Vorentwurf zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative (Stamm) Walliser 17.523 («Ermöglichung von Doppelnamen bei der Heirat») verabschiedet, welcher eine «kleine Lösung» und eine «grosse Lösung» vorsieht. Die «kleine Lösung» beruht auf dem Konzept, wie es dem Namensrecht vor der am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Revision zugrunde gelegen hat (Bildung eines Doppelnamens durch Voranstellen des bisherigen Namens der oder des Verlobten, deren oder dessen Ledignamen bei der Eheschliessung nicht zum gemeinsamen Familiennamen wird). Die Kommission stellt sich aber die Frage, ob nicht die Gelegenheit ergriffen werden sollte, um eine weitergehende Lösung einzuführen, die den verschiedenen Bedürfnissen besser gerecht wird. Sie schlägt deshalb mit der «grossen Lösung» ein neues Konzept vor, welches es in Zukunft beiden Ehegatten ermöglichen würde, einen Doppelnahmen zu führen – und zwar wahlweise mit oder ohne Bindestrich – unabhängig davon, ob sie einen gemeinsamen Familiennamen bilden oder ihren bisherigen Namen behalten. Der bislang nicht als amtlicher Name anerkannte Allianzname würde damit gleichzeitig gesetzlich geregelt.
Die «grosse Lösung» geht davon aus, dass Verlobte, bei denen die Beibehaltung der bisherigen Identität im Vordergrund steht, ihren bisherigen Namen behalten und diesem jenen der bzw. des anderen anfügen können. Wenn die Verlobten sich für einen Familiennamen entscheiden, wird der Familienname hingegen stets an erster Stelle des Doppelnamens geführt und beide Ehegatten tragen – sofern sich beide für einen Doppelnamen entscheiden – einen identischen Doppelnamen. Die «grosse Lösung» knüpft somit an die Logik des geltenden Rechts an, wonach die Verlobten sich entscheiden müssen, ob sie ihren Namen behalten oder einen ihrer Ledignamen zum gemeinsamen Familiennamen erklären wollen. Auf diese Grundsatzentscheidung soll später auch mit dem Übergangsrecht nicht mehr zurückgekommen werden, weshalb dieses die nachträgliche Bildung eines Doppelnamens nur in der Logik des zum Zeitpunkt der Eheschliessung gewählten Modells (Name behalten oder Familienname bilden) ermöglichen soll. Auf die Namensführung der Kinder hat die vorgeschlagene Revision keine Auswirkungen. Insbesondere ist nicht vorgesehen, für die Kinder die Möglichkeit der Führung eines Doppelnamens einzuführen.
Die Kommission wird in den nächsten Wochen die Vernehmlassung eröffnen.
Kein Grundrecht auf eine gesunde Umwelt und keine Rechte der Natur
Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 14 zu 11 Stimmen, den fünf gleichlautenden parlamentarische Initiativen 21.436 21.437 21.438 21.439 21.440 («Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur») keine Folge zu geben. Nach Ansicht der Kommission ist der Begriff «gesunde Umwelt» nicht hinreichend bestimmt, um als grundrechtlicher Anspruch in der Bundesverfassung verankert zu werden. Auch den Begriff der «Natur» erachtet die Kommission für die Umschreibung eines Rechtssubjektes als zu unpräzise. Eine Minderheit sieht die parlamentarischen Initiativen als Chance, um über die darin aufgeworfenen Grundsatzfragen zu diskutieren. Sie beantragt deshalb Folge zu geben. In einem nächsten Schritt wird der Nationalrat das Geschäft beraten.
Kommission will Bekämpfung von Zwangsarbeit intensivieren
Mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid der Sitzungspräsidentin hat die Kommission beschlossen, der von Nationalrätin Cornelia Gredig eingereichten parlamentarischen Initiative 21.427 («Bekämpfung von Zwangsarbeit durch die Ausweitung der Sorgfaltspflicht») Folge zu geben. Da Zwangsarbeit ein reales Problem darstellt, von dem namentlich Uigurinnen und Uiguren betroffen sind, erachtet es die Kommission als notwendig, den Anwendungsbereich des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative, der am 1. Januar 2022 in Kraft trat, mit Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Bereich der Zwangsarbeit zu ergänzen. Die parlamentarische Initiative wird von der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates an einer ihrer nächsten Sitzungen vorgeprüft.
Weitere Geschäfte:
- Die Kommission hat mit 16 zu 9 Stimmen beschlossen, der von Nationalrat Dandrès eingereichten parlamentarischen Initiative 21.430 («Entschädigungen und Verfahrenskosten bei Verfahren vor einem Schiedsgericht nach Artikel 335j des Obligationenrechts») keine Folge zu geben. Eine Minderheit beantragt Folge geben.
- Die Kommission hat sich mit 14 zu 9 Stimmen für die Annahme der Motion Minder 21.4183 («Keine Namensänderung für Personen mit Landesverweis») ausgesprochen. Eine Minderheit beantragt die Ablehnung der Motion.
- Mit 14 zu 11 Stimmen beantragt die Kommission, dem Beschluss des Ständerates zu folgen und die von Ständerätin Herzog eingereichte Motion 21.4191 («Schaffung einer Datengrundlage zu Unterhaltsentscheiden im Familienrecht») anzunehmen. Eine Minderheit beantragt die Ablehnung der Motion.
- Die Kommission beantragt mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung, der von Nationalrat Fivaz eingereichten parlamentarischen Initiative 21.413 («Anpassungen des Beschäftigungsgrads für Eltern erleichtern») keine Folge zu geben. Die Minderheit will der Initiative Folge geben.
- Die Kommission ist der Ansicht, dass bei Scheidungen das Kindeswohl im Zentrum stehen muss und dementsprechend die alternierende Obhut zu fördern ist. Sie hat deshalb der von Nationalrat Sidney Kamerzin eingereichten parlamentarischen Initiative 21.449 («Bei gemeinsamer elterlicher Sorge die alternierende Obhut fördern») mit 22 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung Folge gegeben.
- Mit 14 zu 0 Stimmen bei 10 Enthaltungen beantragt die Kommission ihrem Rat, der Sistierung der Motion Nantermod 19.3597 («StGB. Vergehen gegen die Familie. Verweigerung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit Strafe bedrohen») gemäss Art. 87 Abs. 2 ParlG die Zustimmung zu erteilen.
Die Kommission tagte am 19./20. Mai 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrat Vincent Maitre (M-E/GE) und Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP/GE) in Bern.