Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) will die Überwachung von Versicherten klarer regeln. Wie der Ständerat will sie den Einsatz von GPS-Trackern bei Observationen zulassen. Hingegen beantragt sie, dass Observationen in jedem Fall richterlich genehmigt werden müssen.

​Die Kommission hat die Beratung der Vorlage Pa. Iv. «Gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten» (SGK-SR; 16.479 s) aufgenommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem Urteil vom Herbst 2016 bemängelt, dass in der Schweiz eine präzise und detaillierte gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten fehle. In der Folge stellten die Unfallversicherer und die Invalidenversicherung die Observationen ein. Um diese rasch wieder zu ermöglichen, trat die Kommission mit 18 zu 7 Stimmen auf die Vorlage ein, die der Ständerat in der Wintersession 2017 angenommen hatte. Die Minderheit lehnt den vorliegenden Observationsartikel im Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ab mit dem Argument, derart heikle Eingriffe in die Privatsphäre von verletzlichen Personen müssten in der Strafprozessordnung geregelt werden.

Die Kommission führte Anhörungen zu Fragen aus der Praxis und der Grundrechte durch. In der Detailberatung stellt sie ihrem Rat insbesondere folgende Anträge:

  • Bei der Observation sollen nicht nur Bild- und Tonaufnahmen gemacht, sondern auch technische Instrumente zur Standortbestimmung (GPS-Tracker) eingesetzt werden können. Die Kommission folgte mit 16 zu 9 Stimmen dem Ständerat, da GPS-Tracker einen effizienten Einsatz der Observierenden ermöglichten.
  • Eine Observation soll unabhängig von den eingesetzten Instrumenten in jedem Fall von einer Richterin oder einem Richter des kantonalen Versicherungsgerichts genehmigt werden (12 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Der Ständerat sah nur für den Einsatz von GPS-Trackern das Erfordernis einer richterlichen Genehmigung vor.
  • Mit 17 zu 7 Stimmen lehnt sie es ab, Observationen auf allgemein zugängliche Orte wie Strassen und Parks zu beschränken. Wie der Ständerat will sie Observationen auch an Orten wie offenen Balkonen zulassen, die von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar sind.

Die Kommission will die Detailberatung an ihrer nächsten Sitzung abschliessen, damit der Nationalrat die Vorlage in der Frühjahrssession behandeln kann.

Die Kommission führte die Beratung über die EL-Reform (16.065 s) weiter. Eingehend diskutierte sie noch einmal über die Unterstützung des betreuten Wohnens. Am Ende bestätigte sie mit 13 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen, dass sie das Modell beantragen will, für das sie sich schon früher ausgesprochen hatte. Konkret sollen Altersrentnerinnen und -rentner, die Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung leichten Grades haben, bei der Berechnung der EL für das betreute Wohnen einen Mietzinszuschlag von bis zu 15‘000 Franken im Jahr beanspruchen können. Für Ehepaare soll der Zuschlag bis zu 22‘500 Franken betragen (Art. 10 Abs. 1 Bst. b). Die Kommission kam auch auf die Frage des Vermögensverzehrs (Art. 11a Abs. 3) zurück, fasste aber noch keinen Beschluss. Sie wird die Beratung an ihrer nächsten Sitzung im Februar 2018 fortführen.

Kohärente Gesetzgebung zu Sans-Papiers verlangt

Mit 17 zu 8 Stimmen beschloss die Kommission, eine Motion einzureichen mit dem Ziel, eine kohärente Gesetzgebung zu den Sans-Papiers zu erwirken. Eine Gesamtschau sei dringend nötig, wurde in der Kommission argumentiert. Der Bundesrat soll beauftragt werden, folgende Änderungen vorzuschlagen: Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus sollen grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherungen haben, insbesondere nicht der Krankenversicherung und der AHV; für kranke Sans-Papiers soll eine staatlich finanzierte Anlaufstelle zuständig sein; Arbeitgeber und Vermieter sollen härter bestraft werden; der Datenaustausch zwischen staatlichen Stellen soll erleichtert werden, damit insbesondere Schulen Kinder bei den Behörden melden können; schliesslich sollen die Härtefallkriterien für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen an gut integrierte Sans-Papiers-Familien konkretisiert werden.

Experimentierartikel für Studien zur Cannabis-Abgabe

Mit 13 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen beschloss die Kommission, eine parlamentarische Initiative für einen Experimentierartikel im Betäubungsmittelgesetz zu ergreifen. Sie will damit wissenschaftliche Projekte ermöglichen, die dem Zweck dienen, innovative Regulierungsansätze zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Freizeitkonsum von Cannabis zu erproben. Die Kommission reagierte damit auf einen Entscheid des Bundesamtes für Gesundheit, das die Bewilligung für eine entsprechende wissenschaftliche Studie in Bern verweigert hatte mit der Begründung, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage. Die Initiative geht nun an die SGK-SR.

Weitere Geschäfte

Mit 16 zu 2 Stimmen bei 5 Enthaltungen gab die Kommission der Pa. Iv. Giezendanner Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende (16.504) Folge. In der Kommission wurde argumentiert, die Blutversorgung müsse im Hinblick auf mögliche Engpässe aufgrund des demografischen Wandels als Aufgabe des Bundes festgeschrieben werden. Dies schliesse jedoch nicht aus, dass der Bund diese Aufgabe weiterhin einer geeigneten Organisation übertrage. In einem nächsten Schritt wird die Schwesterkommission des Ständerates zu der Initiative Stellung nehmen.

Die Kommission befasste sich mit der Standesinitiative des Kantons Thurgau Ergänzung von Artikel 64a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betreffend Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (16.312). Sie stimmte mit 16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Beschluss ihrer Schwesterkommission zu, der Initiative Folge zu geben. Heute übernehmen die Kantone 85 Prozent der Forderungen, welche Versicherer gegenüber den Versicherten haben. Die Verlustscheine bleiben dabei bei den Versicherern. Die Standesinitiative möchte den Gläubigerwechsel vom Versicherer zum Kanton ermöglichen, sobald letzterer die Forderungen zu 90 Prozent übernimmt. Dadurch können Kantone Verlustscheine selber bewirtschaften, statt lediglich in der Zahlungspflicht gegenüber den Versicherern zu stehen.

Die Kommission tagte am 25./26. Januar 2018 in Bern unter der Leitung von Thomas de Courten (SVP, BL).