Um die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen, besteht die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) darauf, dass alle Kantone die Zahl der Ärztinnen und Ärzte beschränken. Sie verzichtet aber auf die umstrittene Lockerung des Vertragszwangs zwischen Versicherern und Ärzten.

​Die Kommission beriet über die Differenzen in der Vorlage KVG. Zulassung von Leistungserbringern (18.047). Sie unterbreitet ihrem Rat insbesondere folgende Anträge:

  • Bei der Steuerung der Zahl von Ärztinnen und Ärzten (Art. 55a) kommt sie dem Ständerat einen Schritt entgegen und verzichtet darauf, den Vertragszwang zu lockern (Abs. 1bis; mit 14 zu 10 Stimmen). Hingegen hält sie daran fest, dass die Kantone die Zahl der Ärzte und Ärztinnen beschränken müssen und nicht bloss können (Abs. 1; mit 19 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Falls die Versicherer nicht einverstanden sind mit den von den Kantonen festgelegten Höchstzahlen, sollen sie die kantonalen Erlasse anfechten können (Abs. 7, mit 14 zu 5 Stimmen). Auch sollen die Kantone keine neuen Spezialisten zulassen dürfen, wenn die Kosten in einem Fachgebiet überdurchschnittlich steigen (Abs. 6; mit 15 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen).
  • Was die Sprachkompetenzen der Ärztinnen und Ärzte betrifft, übernimmt die Kommission im Grundsatz einstimmig das Modell des Ständerats, wobei sie gleichzeitig präzisiert, wer von der Sprachprüfung befreit wird (Art. 37 Abs. 1).
  • Unter dem Vorbehalt, dass die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates dem Rückkommen zustimmt, beantragt die Kommission in mehreren Punkten Anpassungen, um die Kompetenzen der Kantone und der Versicherer bei der Aufsicht über die Leistungserbringer zu klären und die Koordination zu verbessern (Art. 36a Abs. 3, Art. 38 Abs. 2 und 3, Art. 40e Abs. 3). Auf diese Weise will sie die Vorlage optimal auf die bereits vom Parlament beschlossene Vorlage «KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» (15.083) abstimmen.
  • Gegen den Willen des Ständerates hält die Kommission mit 16 zu 6 Stimmen daran fest, dass die Vorlage über die Zulassung der Leistungserbringer nur zusammen mit der Vorlage über die einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich (09.528 Pa. Iv. Humbel) in Kraft tritt. Sie will die Verknüpfung der beiden Reformen nicht aufgeben, bevor nicht auch die Kantone ein Entgegenkommen bei der einheitlichen Finanzierung erkennen lassen.

Die Vorlage, zu der fünf Minderheitsanträge eingereicht wurden, ist damit behandlungsreif für die Herbstsession 2019.

Ebenfalls bereit für den Rat ist die Vorlage über die einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich (Pa. Iv. 09.528). Die Kommission nahm die Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Entwurf zur Kenntnis. Wie vom Bundesrat beantragt, legte sie fest, dass der Kantonsbeitrag ausgehend von den Nettokosten und nicht aufgrund der Bruttokosten berechnet werden soll (Art. 60 Abs. 2bis, 3 und 4; mit 13 zu 9 Stimmen). Mit einer Motion beauftragt die Kommission den Bundesrat, das Anliegen der Kantone aufzunehmen und den Einbezug der Langzeitpflege in die einheitliche Finanzierung vorzuschlagen, sobald die nötigen Grundlagen erarbeitet sind (19.3970).

Bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung

Mit 14 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen ist die Kommission auf das Bundesgesetz zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung (19.027 n) eingetreten und hat es in der Gesamtabstimmung mit 12 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen. Der Bundesrat will die Situation der betroffenen Personen mit vier Massnahmen verbessern: Regelung der kurzzeitigen Arbeitsabwesenheiten, Betreuungsurlaub für Eltern schwer beeinträchtigter Kinder, Erweiterung des Anspruchs auf AHV-Betreuungsgutschriften, Ausrichtung der Hilflosenentschädigung und des Intensivpflegezuschlags auch während des Spitalaufenthalts von Kindern. Die Kommission unterstreicht den Handlungsbedarf in dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Thematik, die sie im Rahmen ihrer Arbeiten schon seit längerer Zeit begleitet. Es sei zentral, dass die grosse Arbeit, die von pflegenden Angehörigen freiwillig geleistet würde, besser anerkennt und auch finanziell unterstützt werde.
Eine Kommissionsminderheit beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie zieht sozialpartnerschaftliche Lösungen solchen des Staates vor, zumal erstere heute bereits konkret gelebt würden und funktionierten. Zudem sei die weitere finanzielle Belastung der Sozialwerke, insbesondere der AHV und der Erwerbsersatzordnung (EO), abzulehnen.

In der Detailberatung ist die Kommission weitestgehend dem Bundesrat gefolgt. So befürwortet sie bei der Frage der Dauer des kurzzeitigen Urlaubs für die Betreuung von Angehörigen den bundesrätlichen Vorschlag, der dafür höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr vorsieht. Anträge, die kürzere oder längere Urlaubsdauern beantragten, wurden abgelehnt. Auch bei der Frage des maximal 14-wöchigen Betreuungsurlaubs für Eltern von schwer beinträchtigen Kindern folgte die Kommission dem Bundesrat. Die Kosten für die Entschädigung dieses Urlaubs über die EO wurden vom Bundesrat auf 74 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Eine Minderheit der Kommission beantragte die Verlängerung des entschädigten Betreuungsurlaubs auf höchstens 28 Wochen, um auch Kinder mit schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs möglichst lange betreuen zu können. Der Nationalrat wird die Vorlage in der Herbstsession 2019 beraten. Es liegen aus der Kommission weitere Minderheitsanträge vor.

Mehr Wettbewerb im Bereich der Mittel und Gegenstände

Mit 13 zu 5 Stimmen hiess die Kommission ihren Vorentwurf über Preise von Medizinprodukten der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) gut. Sie setzt damit die parlamentarische Initiative 16.419 von Nationalrätin Ruth Humbel um. Gemäss Vorentwurf sollen alle Preise für Mittel und Gegenstände künftig in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart werden. Das aktuelle System mit administrierten Höchstvergütungsbeträgen für Produktegruppen will die SGK-NR aufgeben. Durch die Neuregelung will die Kommission den Wettbewerb unter den Anbietern von Mitteln und Gegenständen ankurbeln und damit günstigere Preise fördern. Eine Minderheit beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten.

Die in der MiGeL geführten Produkte dienen der Untersuchung oder Behandlung einer Krankheit und werden von den Versicherten direkt oder mit Hilfe einer nichtberuflich beteiligten Person angewendet. Das Kostenvolumen der Vergütungen im MiGeL-Bereich betrug 2017 rund 720 Millionen Franken. Zu den umsatzstärksten Produktegruppen gehören etwa Verband-, Inkontinenz- und Diabetesmaterial.

Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende

Die Kommission beschloss, die parlamentarischen Initiative «Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende» von Nationalrat Gienzendanner (16.504) gemäss dem eingereichten Text umzusetzen.

Die Kommission tagte am 29. und 30. August 2019 in Bern unter der Leitung von Thomas de Courten (SVP, BL) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.