Pflegefachpersonen sollen im Rahmen eines neuen Modells der Zusammenarbeit mit den Versicherern mehr Kompetenzen erhalten. Dies schlägt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) in ihrem indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative vor.

​Die Kommission liess sich über die Ergebnisse der Vernehmlassung informieren, die sie über ihren indirekten Gegenvorschlag (Pa. Iv. 19.401) zur Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» (18.079) durchgeführt hatte. Ziel des Gegenvorschlags ist es, mit einer Ausbildungsoffensive den Mangel an Pflegefachpersonen zu mildern und die Attraktivität des Pflegeberufs dank zusätzlichen Kompetenzen zu steigern. Zu diesem Punkt nahm die Kommission mit 14 zu 9 Stimmen einen Vorschlag aus der Vernehmlassung auf. Zusätzlich zum heute gültigen Modell, wonach die Ärzte die Pflegeleistungen anordnen, soll ein neues Modell eingeführt werden: Pflegefachpersonen sollen gestützt auf Vereinbarungen mit Versicherern bestimmte, vom Bundesrat festgelegte Leistungen ohne ärztliche Anordnung erbringen können (Art. 25a Abs. 3 KVG). Solche Vereinbarungen sollen zum Beispiel regeln, wie der Pflegebedarf erhoben oder die Koordination zwischen Pflegenden und Ärzten sichergestellt wird. Die Mehrheit der Kommission argumentierte, dieses neue Modell sei nicht nur vorteilhaft zur Kostenkontrolle, sondern trage auch zur Qualität bei. Eine Lockerung des Vertragszwangs steht im Rahmen des Gegenvorschlags hingegen nicht mehr zur Diskussion. Im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage nahm die Kommission noch eine zweite grössere Änderung vor und verzichtete mit 13 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung auf neue Bestimmungen zum Schutz der Berufsbezeichnungen, da diese Änderungen zu Rechtsunsicherheit führen könnten.

In der Gesamtabstimmung nahm die Kommission das neue Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege mit 16 zu 6 Stimmen an. Zur Finanzierung dieser Ausbildungsoffensive beantragt die Kommissionsmehrheit einen Verpflichtungskredit von maximal 469 Millionen Franken für acht Jahre. Dazu kommen weitere Massnahmen zur Erhöhung der Ausbildungsabschlüsse in Pflege an den Fachhochschulen und zur Förderung der Interprofessionalität. Nun kann der Bundesrat zum indirekten Gegenvorschlag Stellung nehmen, der damit behandlungsreif sein wird für die Wintersession.

In der Folge beantragte die Kommission mit 13 zu 8 Stimmen, die Pflegeinitiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Eine Minderheit empfiehlt, die Initiative anzunehmen, da der indirekte Gegenvorschlag die Anliegen des Pflegepersonals nicht ausreichend berücksichtige.

SGK-NR hält an Kürzung der Zusatzrenten für Eltern fest

Die Kommission beriet die Differenzen in der Weiterentwicklung der IV (17.022). Mit 18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung hielt die Kommission daran fest, den missverständlichen Begriff «Kinderrente» zu ersetzen; neu schlägt sie den Begriff «Zusatzrente für Eltern» vor.
Mit 12 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen hielt sie daran fest, dass die Zusatzrenten von 40 auf 30 Prozent der massgebenden IV- oder AHV-Rente gesenkt werden sollen. Die Mehrheit argumentierte, diese Massnahme sei nötig, um vor allem die hoch verschuldete IV zu entlasten. Die Minderheit wies darauf hin, dass ein Teil der IV-Rentner bereits mit dem Übergang zum stufenlosen Rentensystem finanziell schlechter gestellt werde; ihnen sollten nicht auch noch die Kinderrenten gekürzt werden. Zudem habe sich seit der letzten Beratung im Nationalrat gezeigt, dass Familien mit Kinderrenten und EL weniger Einkommen zur Verfügung hätten als vergleichbare Familien ohne Kinderrente und EL.
Mit 13 zu 12 Stimmen schloss sich die Kommission dem Beschluss des Ständerates an, wonach Rentner ab 55 Jahren beim Übergang zum stufenlosen Rentensystem keine Rentenkürzung in Kauf nehmen müssen. Auch in den Bestimmungen über die Gutachten folgte die Kommission dem Ständerat. Mit 16 zu 8 Stimmen sprach sie sich dafür aus, dass von den Interviews zwischen dem Gutachter und dem Versicherten eine Tonaufnahme erstellt und zu den Akten genommen wird, sofern es der Versicherte nicht anders bestimmt. Die Vorlage ist damit bereit für die Wintersession.

Bekämpfung des Organhandels und Stärkung der Organspende

Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 14 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung, das Übereinkommen des Europarats gegen den Handel mit menschlichen Organen und die zur Umsetzung nötigen Änderungen des Transplantations- und des Humanforschungsgesetzes (19.047) anzunehmen. Das Übereinkommen sei essentiell für den Kampf gegen den internationalen Organhandel. In der Kommission unbestritten blieben die Gesetzesanpassungen zur besseren Strafverfolgung des Organhandels.

Mit 21 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission der «Pa. Iv. Nantermod. Organspende dank der Versichertenkarte stärken» (18.443 n) Folge gegeben. Sie sieht darin eine effiziente und rasch umsetzbare Möglichkeit, die Zahl der Organspenden zu erhöhen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission unterstützt einstimmig die Kommissionsinitiative ihrer Schwesterkommission, die sicherstellen will, dass Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen keine Einbussen bei den Ergänzungsleistungen hinnehmen müssen, weil sie eine Solidaritätszahlung erhalten haben (19.476). Die SGK-SR kann nun eine Gesetzesvorlage ausarbeiten, welche im raschesten Fall bereits in der Wintersession vom Ständerat behandelt wird.
Einstimmig trat die Kommission auf das Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherer in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ein, das der Ständerat zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 16.411 (Eder) beschlossen hatte. Im Einklang mit dem Bundesrat beantragt sie, einen Schritt weiterzugehen als der Ständerat: Die Versicherer sollen dem Bundesamt für Gesundheit auch anonymisierte Individualdaten zum Einsatz von Arzneimitteln und von Medizinprodukten der Mittel- und Gegenständeliste liefern (Art. 21 Abs. 2 Bst. d KVG; mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Sie beantragt weiter, dass die Daten nur jährlich geliefert werden müssen und Interessierten unter Beachtung des Datenschutzes zugänglich gemacht werden. In der Gesamtabstimmung hiess die Kommission das Gesetz mit 18 zu 7 Stimmen gut.

Weiter beantragt die Kommission mit 14 zu 5 Stimmen der parlamentarischen Initiative Nantermod «Chronische Krankheiten. Programme für die Behandlung und Vorteile für die Patientinnen und Patienten» (18.485) keine Folge zu geben. Die Zielsetzung der Initiative sei bereits mit anderen Vorstössen aufgenommen worden.

Die Kommission beantragt schliesslich mit 11 zu 9 Stimmen und einer Enthaltung, der Standesinitiative St. Gallen «Keine Prämiengelder für Vermittlungsprovisionen» (18.305 s) keine Folge zu geben.

Die Kommission tagte am 17. und 18. Oktober 2019 in Bern unter der Leitung von Thomas de Courten (SVP, BL) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.