Für die ersten sechs Jahrgänge von Frauen, die von der Erhöhung des Rentenalters betroffen sind, soll es grosszügigere Ausgleichsmassnahmen geben, als dies der Bundesrat und der Ständerat vorgesehen haben. Dies beantragt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N).

Die Kommission beriet die Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21; 19.050) durch, wartet aber vor der Gesamtabstimmung noch Berechnungen zu den finanziellen Konsequenzen ab. Wie der Bundesrat und der Ständerat will die Mehrheit der Kommission das Referenzalter für Frauen in vier Schritten auf 65 Jahre anheben (mit 17 zu 8 Stimmen). Sie sieht jedoch mit 18 zu 7 Stimmen für die ersten sechs Jahrgänge der betroffenen Frauen grosszügigere Ausgleichsmassnahmen vor als der Bundesrat und der Ständerat, welche die ersten neun Jahrgänge berücksichtigen. Jene Frauen, welche die Rente bis zu drei Jahre vorbeziehen möchten, sollen gemäss dem Modell der SGK-N in den meisten Fällen noch weniger hohe Kürzungen in Kauf nehmen müssen, als dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Und jene Frauen, die bis zum gesetzlichen Referenzalter erwerbstätig sind, sollen einen Zuschlag auf die Rente erhalten: 150 Franken pro Monat bis zu einem massgebenden durchschnittlichen Einkommen von 57 360 Franken, 100 Franken bis zu einem Einkommen von 71 700 Franken und 50 Franken bei einem höheren Einkommen. Dieses Modell sei grosszügiger, fairer und zugleich fokussierter auf Frauen mit tiefen Einkommen, argumentierte die Mehrheit der Kommission. Ihr Modell entspricht einem Kompensationsvolumen von 40 Prozent, während jenes des Bundesrates 33 Prozent und jenes des Ständerates 22 Prozent erreicht (siehe Beilage).
Bei der Flexibilisierung des Rentenbezugs will die Mehrheit der Kommission einen Rentenvorbezug wie der Ständerat generell ab 63 Jahren zulassen (mit 15 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung); der Bundesrat hatte einen Rentenvorbezug ab 62 Jahren ermöglichen wollen. Hingegen lehnt die Mehrheit der Kommission die vom Ständerat beschlossene Erhöhung des Freibetrags für Erwerbstätige im Rentenalter ab (mit 14 zu 11 Stimmen). Vielmehr sollen diese die Möglichkeit erhalten, auf den Freibetrag zu verzichten, um ihre Rente auch bei geringem Einkommen aufzubessern (17 zu 8 Stimmen).
Um betagten Menschen den Verbleib zu Hause zu erleichtern, beantragt die Kommission schliesslich, die Wartefrist für die Hilflosenentschädigung von einem Jahr auf 90 Tage zu verkürzen (mit 14 zu 11 Stimmen).
Um die AHV bis 2030 finanziell abzusichern, beantragt die Mehrheit der Kommission, die Mehrwertsteuer (MWSt) um 0,4 Prozentpunkt zu erhöhen (mit 15 zu 10 Stimmen). Die vom Ständerat beschlossenen 0,3 % MWSt seien zu knapp, während mit den vom Bundesrat vorgesehenen 0,7 % MWSt Steuern auf Vorrat erhoben würden.

Zu der Vorlage, die für die Beratung im Nationalrat während der Sommersession bereit sein wird, wurden 30 Minderheitsanträge eingereicht. Mit 16 zu 8 Stimmen beschloss die Kommission eine Motion (21.3462), mit welcher der Bundesrat beauftragt werden soll, bis Ende 2026 eine nächste Reform zu Stabilisierung der AHV für die Zeit von 2030 bis 2040 vorzulegen.

Kurzarbeitsentschädigung und Corona-Erwerbsersatz rasch verlängern

Die Kommission führte mit Bundesrat Alain Berset und seinen Fachleuten eine Aussprache über die aktuelle Lage in der Covid-19-Pandemie, wobei die Konkretisierung des Drei-Phasen-Modells und das Covid-Zertifikat im Zentrum standen. Angesichts zahlreicher offener Umsetzungsfragen beschloss die Kommission, sich zum entsprechenden Verordnungsentwurf konsultieren zu lassen.
In einem Schreiben empfiehlt sie dem Bundesrat, eine verzugslose Information der Kantone über die Entwicklung der Impfstofflieferungen sicherzustellen. Weiter legt sie ihm nahe, die Validierung von zusätzlichen Selbsttests stark zu beschleunigen, damit Firmen, die auf eigene Kosten ihren Mitarbeitenden Selbsttests anbieten wollen, rasch beliefert werden können.
Nachdem der Bundesrat vom Parlament die Kompetenz erhalten hat, die Kurzarbeitsentschädigung von 18 auf 24 Monate zu verlängern, erwartet die Kommission, dass er diesen Schritt an seiner nächsten Sitzung vollzieht. Zudem fordert sie ihn in ihrem Schreiben auf, dem Parlament rechtzeitig eine Vorlage zu unterbreiten, damit die Massnahmen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls gemäss Artikel 15 des Covid-19-Gesetzes bis Ende Jahr verlängert werden können. Befriedigt nahm sie zur Kenntnis, dass in der Verwaltung entsprechende Vorarbeiten laufen.

Ja zu einer umfassenden Regulierung von Cannabis

Mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung beschloss die Kommission, der Pa. Iv. Siegenthaler. Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz (20.473 n) Folge zu geben. Indem Cannabis nicht mehr verboten, sondern umfassend geregelt und kontrolliert wird, sollen kohärente und an die gesellschaftliche Realität angepasste Vorschriften geschaffen werden. Die Kommission will bei ihren Arbeiten, die Zeit beanspruchen werden, auf den Pilotprojekten zum nicht medizinischen Cannabiskonsum aufbauen. In einem nächsten Schritt wird die ständerätliche SGK zur parlamentarischen Initiative Stellung nehmen.

Weitere Geschäfte

Mit jeweils 13 zu 10 Stimmen beantragt die Kommission ihrem Rat, den Petitionen ACAT-Schweiz. Unterzeichnung und Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta (14.2023) und Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen. Für ein nationales Rahmengesetz über die Sozialhilfe (16.2003) keine Folge zu geben. Eine Minderheit beantragt jeweils, die Petitionen an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, einen Vorstoss auszuarbeiten.

Die Kommission tagte am 28., 29. und 30. April 2021 in Bern unter der Leitung von Ruth Humbel (Die Mitte, AG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.