Der Pflegebereich kann in die einheitliche Finanzierung der Gesundheitsleistungen einbezogen werden, wenn die notwendige Kostentransparenz hergestellt und die Pflegeinitiative vollständig umgesetzt ist. Das ist der Kompromissvorschlag der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N). Sie unterbreitet dem Nationalrat ihre Anträge erst nach einer zweiten Lesung.

Die SGK-N hat beim Entwurf zur Umsetzung der Pa. Iv.Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus (09.528) die Differenzbereinigung abgeschlossen. Sie hat entschieden, die Langzeitpflege in diese wichtige Reform der Finanzströme im Gesundheitssystem einzubeziehen. Sie folgt damit dem Beschluss des Ständerates, möchte aber dennoch grössere Änderungen an dessen Konzept vornehmen. Die Kommission will insbesondere sicherstellen, dass der Einbezug der Pflege flexibel und nur dann erfolgt, wenn im Pflegesektor die notwendige Kostentransparenz hergestellt und die Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» vollständig umgesetzt ist. Zudem beantragt die Kommission, dass sich die Patientenbeteiligung an Pflegekosten systematisch von den Kantonen übernommen wird. Schliesslich beantragt sie, die Höchstdauer der Akut- und Übergangspflege zu verlängern und die Übernahme der Aufenthaltskosten vorzusehen.

In Bezug auf die Rechnungskontrolle und den Datenbedarf der Kantone schliesst sich die Kommission im Grossen und Ganzen den Beschlüssen des Ständerates an, nimmt aber einige Präzisierungen vor. Sie anerkennt, dass die Kantone Zugang zu den Daten der Versicherer benötigen, ist aber der Ansicht, dass die Rechnungskontrolle in der Zuständigkeit der Versicherer bleiben sollte. Die Kommission beantragt daher, Artikel 21 KVG so anzupassen, dass die Kantone von den Versicherern die Informationen erhalten können, die sie brauchen, um zu überprüfen, ob die Leistungserbringer – insbesondere die Spitäler – mit dem Kanton eine entsprechende Leistungsvereinbarung abgeschlossen haben. Die Kantone sollen Zugang zu allen Originalrechnungen haben, die den Spitalbereich betreffen (Art. 60 Abs. 7). Im Gegensatz zum Ständerat beantragt die SGK-N jedoch, den Kantonen nicht die Möglichkeit einzuräumen, die Kostenübernahme zu verweigern, wenn die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (Art. 60 Abs. 7bis und 7ter).

Die Kommission hält zudem an ihrer Position zur Finanzierung der Vertragsspitäler (Art. 49a) fest, mit dem Ziel, dieses Instrument weiter zu fördern. Bezüglich der Beteiligung der Kantone an der neuen Organisation für Tarifstrukturen für Pflegeleistungen (Art. 47a) sowie der Schaffung von Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone bei starkem Kostenanstieg im ambulanten Bereich (Art. 55b) schliesst sie sich hingegen den Beschlüssen des Ständerates an.

Angesichts der Komplexität des Geschäfts und um sicherzustellen, dass ihre Beschlüsse kohärent sind, hat die Kommission entschieden, ihre Anträge an ihrer nächsten ordentlichen Sitzung zu überprüfen, bevor sie sie dem Nationalrat unterbreitet. Die Abstimmungs­ergebnisse und Minderheitsanträge werden erst nach einer zweiten Lesung publizieren.

Gesundheitsversorgung ohne spezifische Netzwerke koordinieren und rascher Zugang zu innovativen Medikamenten ermöglichen

Die Kommission hat die Detailberatung des zweiten Kostendämpfungspakets (22.062) aufgenommen. Zuvor hatte sie die Verwaltung unter anderem beauftragt, runde Tische zu den Netzwerken zur koordinierten Versorgung durchzuführen. Wie die Mehrheit der Teilnehmenden an diesen runden Tischen lehnt auch die Kommission die Schaffung eines solchen neuen Leistungserbringers ab: Sie sprach sich mit 16 zu 9 Stimmen gegen einen Kompromissantrag aus, der weniger Vorgaben als der bundesrätliche Entwurf vorsieht. Stattdessen will sie die bestehenden Regelungen anpassen und so eine bessere Koordination ermöglichen. Namentlich soll den Krankenversicherern erlaubt werden, die Daten ihrer Versicherten zu nutzen, um diese individuell über mögliche Einsparungen oder passendere Versorgungsmodelle zu informieren (15 zu 8 Stimmen). Mit zwei Motionen will die Kommission zudem alternative Versicherungsmodelle langfristig attraktiver machen, indem Mehrjahresverträge ermöglicht und Prämienrabatte anders berechnet werden sollen (18 zu 6 bei 1 Enthaltung bzw. 15 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Die Kommission befürwortet, dass Apothekerinnen und Apotheker neu verschiedene Tätigkeiten in der Beratung und Prävention gegenüber der Grundversicherung abrechnen können, sie möchte aber mehr Tätigkeiten zulassen als der Bundesrat. Daher lässt die Kommission noch abklären, inwiefern das zu erwartende Kostenwachstum aufgrund der neuen Leistungen mit einer Verordnungsänderung abgefedert werden könnte.

Im Bereich der Arzneimittel unterstützt die Kommission grundsätzlich den Vorschlag des Bundesrates, Preismodelle für hochpreisige Medikamente im Gesetz zu verankern. Inwiefern die verhandelten Preise vertraulich sein sollen, wird die Kommission aber erst nach weiteren Abklärungen entscheiden. Zusätzlich hat sich die Kommission mit 17 zu 8 Stimmen für ein neues Vergütungsmodell ausgesprochen, dank dem neue Medikamente rascher verfügbar sein sollen. So sollen Arzneimittel, für die ein grosser medizinischer Bedarf besteht, ab der Zulassung durch Swissmedic während 24 Monaten zu einem provisorischen Preis vergütet und auf einer separaten Liste geführt werden. In dieser Zeit soll das Bundesamt einen wirtschaftlichen Preis festlegen, der später ausgeglichen wird, und über die Aufnahme in die Spezialitätenliste entscheiden. Die besondere Situation bei den Medikamenten zur Behandlung seltener Krankheiten berücksichtigt die Kommission zusätzlich mit einer Motion (13 zu 7 Stimmen bei 5 Enthaltungen). Zudem soll der Bundesrat eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit einem Beitritt zur Beneluxa-Initiative im Rahmen eines Postulates prüfen (18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung). Dagegen hat sie wie bereits im Rahmen des Kostendämpfungspaket 1b ein Referenzpreissystem für Arzneimittel abgelehnt (17 zu 8 Stimmen). Schliesslich spricht sie sich dafür aus, dass Medikamente von der periodischen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit ausgenommen werden können (21 Stimmen bei 4 Enthaltungen).

Die Kommission setzt ihre Beratungen an einer nächsten Sitzung fort.

Arbeitslosenversicherung für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung

Die Kommission hat die Detailberatung zur Pa. Iv. Silberschmidt (20.406 n) fortgesetzt. Mit der Umsetzung dieser Initiative sollen Arbeitnehmende in arbeitgeberähnlicher Stellung, die Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen, einfacher und rascher Zugang zu Entschädigungen erhalten können. Die Kommission plant, die Vernehmlassung zur Vorlage im 3. Quartal zu eröffnen.

Zinslose Anlage von Freizügigkeitsgeldern der Auffangeinrichtung bei der Bundestresorerie: Verlängerung der Geltungsdauer der Bestimmung

Die Kommission hat die Vorlage zur Änderung des Gesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG; 23.027) einstimmig angenommen. Diese bezweckt, die Geltungsdauer von Artikel 60b BVG, wonach die Auffangeinrichtung die Gelder aus dem Freizügigkeitsbereich unverzinslich und unentgeltlich bei der Bundestresorerie anlegen darf, um vier Jahre zu verlängern. Die Kommission folgt ohne Gegenstimme dem Antrag ihrer ständerätlichen Schwesterkommission, eine Dringlichkeitsklausel in die Vorlage aufzunehmen, damit die Geltungsdauer der Bestimmung ohne Unterbruch bis September 2027 verlängert werden kann. Beide Räte beraten das Geschäft in der Sommersession.

Weitere Geschäfte

Die Kommission hat eine Motion(23.3500) beschlossen, die verlangt, die Rechtsgrundlagen für die Leistungen der Psychologinnen und Psychologen in Weiterbildung zu schaffen. Die Krankenpflege-Leistungsverordnung soll dahingehend angepasst werden, dass die Leistungen der Psychologinnen und Psychologen in Weiterbildung, die unter Beaufsichtigung einer qualifizierten Person erbracht werden, ebenfalls übernommen werden.

Darüber hinaus hat die Kommission in Abwesenheit der Initiantin mit 17 zu 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen beschlossen, der Pa. Iv. Prezioso. Für einen gesicherten, solidarischen und umweltbewussten Ruhestand (22.410) keine Folge zu geben. Die Kommission weist im Übrigen darauf hin, dass die Initiative nicht die Einheit der Materie wahrt, die in Artikel 194 Absatz 2 der Bundesverfassung für jede Teilrevision der Verfassung gefordert wird. Die Minderheit hingegen will der parlamentarischen Initiative Folge geben.

Die Kommission hat ferner mit 13 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen der Pa. Iv. Dobler. Die Kosten der ärztlichen Beratungen im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung sollen von der Krankenversicherung übernommen werden(22.420) Folge gegeben. Nun muss ihre ständerätliche Schwesterkommission entscheiden, ob sie diesem Beschluss zustimmen will.

Die Kommission beantragt, zwei Standesinitiativen des Kantons Waadt und einer des Kantons Basel-Stadt keine Folge zu geben, die zwingende Vorschriften zum Abbau der Krankenkassenreserven und zum Ausgleich zu viel bezahlter Prämien verlangen. (21.325: 17:8 Stimmen, 21.324: 16:9 Stimmen, 22.316: 16:8 Stimmen). Mit 15 Stimmen bei 8 Enthaltungen beantragt sie auch, der Kt. Iv. VD. Mehr Mitsprache für die Kantone (21.323) keine Folge zu geben, da die Verwaltung bereits daran ist, das Anliegen im Rahmen einer Motion umzusetzen.

Mit 16 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen beantragt die Kommission, die Pa. Iv. Lohr. Beschwerderecht der Krankenversicherer gegen Entscheide des BAG betreffend Spezialitätenliste (17.453) abzuschreiben.

Die Kommission tagte vom 26. bis 28. April 2023 in Bern unter der Leitung von Céline Amaudruz (SVP, GE) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset.