Nach der Annahme der 13. AHV-Rente will die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates auch IV-Bezügerinnen und Bezügern eine zusätzliche Rente auszahlen lassen. Dies mit der Absicht, jegliche Diskriminierung in der ersten Säule zu vermeiden. Zudem hat sich die Kommission über die Eckwerte des Bundesrates zur Finanzierung der 13. AHV-Rente informiert und unterbreitet ihm hierzu ihre Empfehlungen.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat mit 13 zu 12 Stimmen beschlossen, eine Kommissionsinitiative auszuarbeiten mit dem Ziel, analog zur 13. AHV-Rente auch IV-Bezügerinnen und Bezügern eine 13. Rente auszuzahlen (24.424). Dieser Zuschlag soll weder zu einer Reduktion der Ergänzungsleistungen noch zum Verlust des Anspruchs auf diese Leistungen führen.

Die erste Säule ist die Basis des Schweizer Vorsorgesystems und wurde bisher stets als Einheit behandelt: Parlament und Bundesrat bemühten sich, AHV und IV parallel weiterzuentwickeln. Die Kommission erinnert zudem daran, dass die Renten der beiden Versicherungen laut Bundesverfassung den Existenzbedarf angemessen zu decken haben (Art. 112 Abs. 2 Bst. b BV). Dies sei im Falle der Invalidenversicherung umso wichtiger, da sich deutlich mehr IV-Bezügerinnen und -Bezüger als AHV-Beziehende in prekären Verhältnissen befinden. Bei der letzten Volksabstimmung beschlossen Volk und Stände mit grosser Mehrheit, eine 13. AHV-Rente einzuführen. In den Augen der Kommission ist es angebracht und gerecht, auch eine 13. IV-Rente auszubezahlen, um die Gleichbehandlung sowie eine kohärente und einheitliche Entwicklung in der ersten Säule zu gewährleisten.

13. AHV-Rente: Nein zur separaten, einseitigen Finanzierungsvorlage und zur Senkung des Bundesbeitrags

Die Kommission hat sich über die vom Bundesrat festgelegten Eckwerte zur Finanzierung der 13. AHV-Rente informieren lassen. Der Bundesrat will zwei Varianten zur Sicherstellung der Zusatzfinanzierung ab 2026 in die Vernehmlassung schicken: Die erste Variante sieht eine Finanzierung ausschliesslich über die Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,8 Prozentpunkte vor, die zweite Variante eine kombinierte Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,5 Prozentpunkte und der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte.

Angesichts der angespannten finanziellen Lage des Bundes sieht der Bundesrat zudem vor, den Bundesbeitrag an die AHV ab dem 1. Januar 2026 bis zum Inkrafttreten der nächsten AHV-Reform von derzeit 20,2 Prozent auf 18,7 Prozent zu senken.

Die Kommission ist mit der Finanzierungsstrategie des Bundesrates nicht einverstanden und unterbreitet ihm zwei Empfehlungen. Sie spricht sich mit 13 zu 12 Stimmen dafür aus, auf die separate, einseitige Finanzierungsvorlage zu verzichten und die Finanzierung der 13. AHV-Rente erst im Rahmen der nächsten grossen AHV-Reform festzulegen. Dies, um einen umfassenden und ausgereiften Ansatz sicherzustellen, mit dem die AHV und ihre Finanzierung für das nächste Jahrzehnt gesichert werden kann. Die Kommission fordert den Bundesrat zudem mit 17 zu 8 Stimmen auf, den Bundesbeitrag an die AHV nicht zu senken. Sollte der Bundesbeitrag dennoch gesenkt und bei der Finanzierung eine kombinierte Erhöhung von Lohnbeiträgen und Mehrwertsteuer angewendet werden, so empfiehlt die Kommission mit 13 zu 12 Stimmen, diese beiden Elemente dem Parlament verknüpft in einem einzigen Geschäft vorzulegen.

Die Kommission hat ausserdem die Verwaltung beauftragt, Massnahmen aufzuzeigen, mit denen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit über das AHV-Referenzalter hinaus erleichtert wird, und darzulegen, wie die 13. AHV-Rente kaufkraftbereinigt ins Ausland ausbezahlt werden könnte.

Bezug von Leistungen zulasten der OKP: Statistiken nach Nationalität der Versicherten

Im Rahmen der Differenzbereinigung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) betreffend den Datenaustausch und den Risikoausgleich (23.048) hat die Kommission mit 13 zu 12 Stimmen eine Motion eingereicht, die verlangt, dass die Nationalität der Versicherten in den Statistiken zu den von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergüteten Leistungen berücksichtigt wird (24.3470). Die Motion beauftragt den Bundesrat, die dazu erforderlichen Anpassungen auf Verordnungsebene vorzunehmen. Gleichzeitig verzichtet die Kommission auf eine zusätzliche Bestimmung im KVG (Art. 23 Abs. 1bis), mit der das gleiche Ziel verfolgt worden wäre, und folgt damit dem Beschluss des Ständerates. Eine Kommissionsminderheit beantragt die Ablehnung der Motion mit der Begründung, dass der Aufwand für eine solche Statistik angesichts der Informationen, die sie liefern würde, unverhältnismässig ist.

Berechnung der Invalidenrente: Berücksichtigung der realen Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt

Mit 19 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission der Pa. Iv. Kamerzin. Berücksichtigung der realen Beschäftigungsmöglichkeiten gesundheitlich beeinträchtigter Personen (23.448) Folge gegeben. Die Initiative hat zum Ziel, die rechtlichen Grundlagen so anzupassen, dass bei der Berechnung der Invalidenrente die realen Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung besser berücksichtigt werden. Die SGK-N hatte zu diesem Thema bereits eine Motion (22.3377) eingereicht, die vom Parlament angenommen wurde. Die Kommission erachtet die vom Bundesrat beschlossene Umsetzung jedoch als ungenügend. Diese besteht aus einem Pauschalabzug von 10 Prozent vom berechneten theoretischen Lohn, den eine als arbeitsfähig eingestufte Person mit Behinderung erhalten könnte, um dem inhärenten Lohnunterschied zwischen Menschen mit und Menschen ohne Behinderung Rechnung zu tragen. Die Kommission weist zudem darauf hin, dass das heutige System regelmässig zu Situationen führt, in denen Personen trotz einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung als arbeitsfähig eingestuft werden, tatsächlich jedoch keine Chance auf eine Beschäftigung haben, und letztlich eine gekürzte oder gar keine Rente erhalten.

Mehr Transparenz bei den Verwaltungskosten von Pensionskassen

Mit 12 zu 11 Stimmen hat die Kommission die Mo.Kostentransparenz in der zweiten Säule (24.3471) eingereicht. Sie hatte sich davor den Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) über die Verwaltungskosten in der 2. Säule vorstellen lassen. Angesichts der hohen Beträge, die jährlich für die Verwaltung von Vorsorgeeinrichtungen ausgegeben werden (2021: 6,9 Milliarden Franken), ist die SGK-N der Ansicht, dass detaillierte Informationen zu den Kosten ausgewiesen werden müssen. Sie teilt die Auffassung der EFK, dass Informationen über die Verwaltungskosten einfach zugänglich sowie leicht verständlich sein sollten und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit wünschenswert wäre. Eine Minderheit der Kommission hält die bestehenden Regeln für ausreichend und lehnt die Motion mit Verweis auf die in den Jahresberichten der Vorsorgeeinrichtungen und der Schweizerischen Sozialversicherungsstatistik bereits ausgewiesenen Zahlen ab.

Weitere Geschäfte

Die Kommission nahm von der ablehnenden Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Entwurf in Erfüllung der Pa. Iv. Silberschmidt. Unternehmerinnen und Unternehmer, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen, sollen auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sein (20.406) Kenntnis. Die Vorlage, welche Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung sowie deren mitarbeitende Ehegattinnen und -gatten besser gegen Arbeitslosigkeit absichern will, wird in der Sommersession vom Nationalrat behandelt.

Mit 15 zu 9 Stimmen beantragt die Kommission, der Pa. Iv. Grüne Fraktion. Finanzierung der Krankenversicherung analog der Unfallversicherung (23.451), die einkommens- und vermögensabhängige Krankenkassenprämien verlangt, keine Folge zu geben. Die Kommission teilt die Bedenken in Bezug auf die steigenden Kopfprämien in der Krankenversicherung. Sie ist jedoch der Ansicht, dass das derzeitige Finanzierungssystem grundsätzlich gut funktioniert und die parlamentarische Initiative zu einer massiven Änderung des Systems führen würde.

Mit 14 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission, der Pa. Iv. Töngi. Heizkosten bei Ergänzungsleistungen vollständig berücksichtigen (22.443) keine Folge zu geben. Die Kommission hat sich erneut mit diesem Geschäft befasst, nachdem ihre Schwesterkommission dem Beschluss, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben, nicht zugestimmt hatte. Die Kommission weist darauf hin, dass der Bundesrat bereits verschiedene Massnahmen getroffen hat, um die höheren Lebenshaltungs- und Energiekosten aufzufangen.

Mit 16 zu 8 Stimmen beantragt die Kommission, der Pa. Iv. (Hurni) Dandrès. Für eine leichtere Anerkennung stressbedingter Krankheiten als Berufskrankheiten (23.415) keine Folge zu geben. Aus ihrer Sicht hat sich die aktuelle Regelung bewährt und ist weiterhin zeitgemäss.

Die Kommission beantragt mit 16 zu 8 Stimmen, die Mo. (Kuprecht) Friedli Esther. Sozialversicherung. Umfassende und einheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren schaffen (eATSG, 23.4041) in einer geänderten Fassung anzunehmen. Demnach soll eine umfassende und kohärente Rechtsgrundlage für die elektronische Kommunikation geschaffen werden. Die Änderung habe zudem die Interessen aller Sozialversicherungen zu berücksichtigen, die Interoperabilität der Systeme zu gewährleisten und in Einklang mit bestehenden digitalen Verfahren zu stehen. Die Mehrheit will damit die Einführung einer Plattform für die Sozialversicherungen ermöglichen und die verschiedenen Elemente der Vorschläge eATSG und BISS besser aufeinander abstimmen.

Die Kommission beantragt einstimmig, die Mo. Ettlin. 23.4153 Halbjährliches Monitoring zur Umsetzung des Anordnungsmodells (23.4153) abzulehnen. Sie hat von einem ersten Monitoringbericht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Kenntnis genommen und erachtet das bereits laufende, jährliche Monitoring der Verwaltung als ausreichend.

Die Kommission beantragt, die Frist für die Umsetzung der zwei Motionen zum Sparpotenzial bei der Festsetzung von Preisen für medizinische Mittel und Gegenstände zu verlängern (05.3522 mit 17 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen; 05.3523 einstimmig).

Die Kommission hat sich erneut über den Stand der Gespräche im Zusammenhang mit dem WHO-Pandemieabkommen informieren lassen. Sie wird diese Angelegenheit weiterhin nah begleiten.

Die Kommission hat sich mit der Thematik der Antibiotikaresistenzen befasst und eine Delegation des Vereins «Round Table Antibiotika Schweiz» angehört. Die SGK-N will diese Problematik genau verfolgen und hat die Verwaltung beauftragt, einen Bericht über alternative Modelle zur Abgabe, Übernahme der Kosten und Finanzierung von Antibiotika zu erstellen.

Die Kommission liess sich über die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms 74 «Gesundheitsversorgung» informieren. Sie stellt fest, dass die insgesamt 34 Forschungsprojekte erlaubten, konkrete Ansätze für eine patientenzentrierte, koordinierte Versorgung aufzuzeigen. Nun gehe es darum, diese vielversprechenden Ansätze in Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten des Gesundheitswesens umzusetzen und möglichst rasch bei Bund, Kantonen und Gemeinden zu etablieren.

Die Kommission tagte am 2. und 3. Mai 2024 in Bern unter der Leitung von Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.