Die Kommission hat einen Vorentwurf für ein Bundesgesetz über Cannabisprodukte in der Gesamtabstimmung mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Sie war zuvor mit 14 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen auf die Vorlage eingetreten, die eine Subkommission im Auftrag der SGK-N ausgearbeitet hatte. 2021 hatten die Kommissionen des National- und des Ständerates der pa. Iv. Siegenthaler. Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz (20.473) Folge gegeben. Seit Mitte 2022 beschäftigte sich die Subkommission damit, wie diese Initiative umgesetzt und Cannabis künftig geregelt werden soll.
Heute sind der Anbau, die Herstellung, der Handel und der Konsum von Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken verboten. Bei Erwachsenen wird der Konsum mit einer Ordnungsbusse bestraft, der Besitz einer geringfügigen Menge ist straffrei. Seit 2023 können zudem bereits konsumierende Personen im Rahmen von zeitlich begrenzten Pilotversuchen kontrolliert Cannabis erwerben. Die weit überwiegende Mehrheit der Konsumierenden bewegt sich aber auf dem illegalen Markt. Gemäss der Schweizer Gesundheitsbefragung haben 2022 vier Prozent der 15- bis 64-Jährigen in der Schweiz im letzten Monat Cannabis konsumiert. In der Kommission war unbestritten, dass der Konsum von Cannabis gesellschaftliche Realität ist. Die Kommissionsmehrheit hält die heutige Situation für unbefriedigend und den prohibitiven Ansatz für verfehlt. Ein strikt geregelter Zugang zu Cannabis mit einem kontrollierten Markt erlaubt es aus ihrer Sicht besser, die öffentliche Gesundheit zu schützen, den Jugendschutz zu stärken und die Sicherheit zu erhöhen. Konsumierende könnten so effektiver mit Präventionsbotschaften erreicht und hin zu weniger schädlichen Konsumformen gelenkt werden. Die Bevölkerung könnte besser vor negativen Auswirkungen des Konsums von Cannabis geschützt und Jugendliche davon abgehalten werden. Der illegale Markt soll eingedämmt werden.
Die Kommission schlägt daher vor, Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken in einem neuen Spezialgesetz zu regeln. Cannabis soll weiterhin als Betäubungsmittel gelten: Cannabiskonsum schadet der Gesundheit. Mit dem Gesetz sollen Anbau, Herstellung und Handel reguliert werden, ohne den Konsum zu fördern. Das Gesetz soll konsequent auf die öffentliche Gesundheit ausgerichtet sein und sich in die bewährte Vier-Säulen-Politik einfügen. Konkret soll es sich auf folgende wesentliche Elemente stützen:
- Volljährige Personen, die in der Schweiz leben, sollen Cannabis anbauen, kaufen, besitzen und konsumieren dürfen. Die Regeln des Passivrauchschutzes sind anzuwenden.
- Jegliche Abgabe und der Verkauf von Cannabis an Minderjährige sind verboten.
- Für die eigene Versorgung sollen maximal drei weibliche Pflanzen in Blütephase angebaut werden dürfen. Es gelten Höchstmengen für den Besitz im privaten und öffentlichen Raum.
- Eine gewinnorientierte, gewerbliche Produktion soll erlaubt werden. Anbauer und Hersteller haben strenge Auflagen zu erfüllen, damit sie eine Bewilligung vom Bund erhalten. Für spezifische Zwecke kann auch der Import oder Export bewilligt werden.
- Es sollen strenge Anforderungen an die Produktequalität gelten. Cannabisprodukte sind neutral, ohne Markenelemente, mit Warnhinweisen und Beipackzettel sowie kindersicher zu verpacken.
- Der Verkauf soll einem staatlichen Monopol unterliegen. Cannabisprodukte sollen in einer limitierten Anzahl konzessionierten Verkaufsstellen sowie online bei einem einzigen konzessionierten Händler gekauft werden können. Der Verkauf darf nicht gewinnorientiert erfolgen; allfällige Gewinne sind in die Prävention, Schadenminderung und Suchthilfe zu investieren. Die Kantone vergeben die Konzessionen für den Detailhandel, der Bund kann die Konzession für den Online-Handel erteilen. Das Angebot muss auch nicht rauchbare Produkte und solche mit tiefem THC-Gehalt enthalten, um einen risikoärmeren Konsum zu ermöglichen.
- Gemäss dem Verbot der vertikalen Integration sollen Organisationen nicht gleichzeitig Cannabis produzieren und verkaufen dürfen.
- Die gesamte Lieferkette soll mit einem digitalen Nachverfolgungssystem überwacht werden.
- Es soll ein umfassendes Werbeverbot für Cannabisprodukte, aber auch für Samen und Stecklinge sowie für einschlägiges Zubehör gelten.
- Cannabisprodukte sollen mit einer Lenkungsabgabe belegt werden, um den Konsum zu beschränken und hin zu risikoärmeren Formen zu lenken. Die Abgabe soll vom THC-Gehalt und der Konsumform abhängen. Die Erträge der Lenkungsabgabe werden über die Krankenversicherung rückverteilt, dabei werden generelle Vollzugskosten des Bundes abgezogen. Die Kantone können eine Aufsichtsabgabe sowie Gebühren erheben.
- Die Kantone sollen in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis eine wichtige Rolle im Vollzug wahrnehmen und weiterhin bei der Aufklärung, Beratung und Prävention besonders auf die Jugendlichen fokussieren. Sie haben die Produktequalität und den Verkauf zu kontrollieren. Zudem haben sie Testkäufe durchzuführen.
- Wer sich dem legalen Markt entzieht, soll im Vergleich zu heute härter bestraft werden.
- Die Nulltoleranz im Strassenverkehr bleibt unverändert: Wer nachweislich Cannabis konsumiert, soll als fahrunfähig gelten.
Eine Minderheit lehnt die Vorlage prinzipiell ab. Eine Aufhebung des Verbots von Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken hätte aus ihrer Sicht eine völlig falsche Signalwirkung. Mit einer Regulierung würde die Bevölkerung – und gerade die Jugendlichen – Cannabis als normales Gut verstehen. Dies würde den Konsum begünstigen und einen effektiven Jugendschutz verunmöglichen. Diverse Minderheiten beantragen zudem, verschiedene Elemente des Vorentwurfs anders auszugestalten.
Als nächsten Schritt wird ein erläuternder Bericht zum Vorentwurf verfasst, damit die Kommission diese Unterlagen im Sommer prüfen kann. Die interessierten Kreise und die betroffenen Akteure sollen danach die Gelegenheit erhalten, in der Vernehmlassung Stellung zu nehmen.
Bessere Abgrenzung selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sozialversicherungsrecht
Mit 13 zu 12 Stimmen hat die Kommission ihren Entwurf zur Umsetzung der pa. Iv. Grossen Jürg «Selbstständigkeit ermöglichen, Parteiwillen berücksichtigen» (18.455) zuhanden des Rates verabschiedet. Mit der Vorlage sollen für die Unterscheidung zwischen Selbstständigerwerbenden und Arbeitnehmenden neben dem Mass der organisatorischen Unterordnung und dem unternehmerischen Risiko neu auch allfällige schriftliche Parteivereinbarungen berücksichtigt werden (Art. 12 Abs. 3 ATSG). Zudem sollen Dritte wie namentlich Plattformen die Sozialversicherungsbeiträge für Selbständigerwerbende entrichten können (Art. 14 Abs. 4bis AHVG).
Zum Einstieg nahm die Kommission die Ergebnisse der Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf zur Kenntnis. Da sie weiterhin Handlungsbedarf sieht, trat sie mit 13 zu 12 Stimmen erneut auf die Vorlage ein. Ebenfalls mit 13 zu 12 Stimmen beschloss sie aber, beim zentralen Punkt in Artikel 12 Absatz 3 ATSG der Minderheit Silberschmidt aus der Vernehmlassung den Vorzug zu geben. So sollen Parteivereinbarungen neu als gleichwertiges Kriterium berücksichtigt werden müssen. Eine Minderheit der Kommission beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie befürchtet eine Schwächung des sozialen Schutzes und verweist auf die mehrheitliche Ablehnung in der Vernehmlassung. Eine weitere Minderheit beantragt, bei der Mehrheitsvariante aus der Vernehmlassungsvorlage zu bleiben: Parteivereinbarungen sollen nur bei Grenzfällen als zusätzliches Kriterium für die selbstständige Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden. Die weiteren Anträge der Mehr- und Minderheiten aus der Vernehmlassung werden in den Rat weitergezogen. Als nächstes erhält nun der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Vorlage sollte für die Sommersession bereit sein.
Schutz von Familien und Kindern vor Armut durch höhere Familienzulagen
Die Kommission hat die Eckwerte für die Umsetzung der pa. Iv. Jost «Starke Familien durch angepasste Zulagen» (23.406) festgelegt. Mit 13 zu 12 Stimmen hat sie beschlossen, den Mindestsatz der Kinderzulage auf 250 Franken pro Monat und die Ausbildungszulage auf 300 Franken pro Monat anzuheben. Derzeit gewährt nur eine Minderheit der Kantone höhere Zulagen. Diese Erhöhung der Mindestsätze würde nach Schätzung der Verwaltung Mehrkosten von rund 361 Millionen Franken verursachen, die hauptsächlich von den Arbeitgebern finanziert würden. Mit dieser Massnahme will die Kommission die Kaufkraft der Familien stärken und so das Risiko reduzieren, dass Kinder in der Schweiz von Armut betroffen sind. Ein Teil der Kommission spricht sich gegen diese Erhöhung der Familienzulagen aus.
Eine erste Minderheit beantragt, den Teuerungsausgleich dahingehend zu ändern, dass die Mindestsätze regelmässiger angepasst werden (Ablehnung des Antrags mit 16 zu 9 Stimmen). Eine zweite Minderheit beantragt, eine paritätische Finanzierung der Zulagen im Gesetz zu verankern (Ablehnung des Antrags mit 13 zu 12 Stimmen).
Auf Basis dieser Eckwerte wird in den kommenden Monaten ein Vorentwurf ausgearbeitet.
Weitere Geschäfte
Mit 16 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen beantragt die Kommission, der Kt. Iv. VS «Ausnahmebewilligungen für ausländische Ärzte bei nachgewiesenem Bedarf» (24.300) keine Folge zu geben. Für die Kommission würden weitergehende Ausnahmen, wie sie die Standesinitiative verlangt, die 2022 eingeführte Zulassungssteuerung von Ärztinnen und Ärzten untergraben.
Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 17 zu 8 Stimmen, die Mo. Gapany «Für eine vereinfachte Auszahlung der Schlechtwetterentschädigung bei grosser Hitze» (24.3581) abzulehnen. Zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden gibt es ihrer Ansicht nach wirksamere Massnahmen wie das Einrichten von Schattenplätzen oder eine Anpassung der Arbeitszeiten. Mit einer Vereinfachung der Auszahlung dieser Entschädigungen würden unternehmerische Risiken auf den Staat übertragen.
Im Rahmen ihrer Arbeiten zur Umsetzung der pa. Iv. Lohr«Entschädigung von Hilfeleistungen von Angehörigen im Rahmen des Assistenzbeitrages» (12.409) hat sich die Kommission von der Verwaltung über die aktuellen Entwicklungen in der Behindertenpolitik und bei der Invalidenversicherung informieren lassen. Sie wird ihre Beratungen im dritten Quartal fortsetzen, nachdem die Vernehmlassung zum indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Inklusionsinitiative eröffnet wird.
Die Kommission hat ferner im Zusammenhang mit dem Projekt «Armut – Identität – Gesellschaft» eine Delegation der Bewegung «ATD Vierte Welt» angehört. Sie begrüsst diese innovative Initiative, die wertvolle Einblicke in die Realität der Armut in der heutigen Schweiz bietet.
Die Kommission liess sich zum Stand der Verhandlungen über neue Tarife für die ambulante Physiotherapie informieren. Die Tarifpartner haben bis Ende Mai 2025 Zeit, dem Bundesrat einen neuen Tarifvertrag vorzulegen. Die Kommission wird die Verhandlungen weiterverfolgen und sich im Sommer wieder damit befassen.
Die Kommission tagte am 13. und 14. Februar 2025 in Bern unter der Leitung von Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin.