Der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten», dem der Nationalrat bereits zugestimmt hat, findet auch in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates breite Unterstützung.

Mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung sprach sich die Kommission beim Eintreten und in der Gesamtabstimmung für den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» (20.090) aus, den der Bundesrat vorgelegt hatte.

Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies demnach neu festhalten müssen. Wurde dies nicht getan, sollen die nächsten Angehörigen entscheiden können. Diese erweiterte Widerspruchslösung könnte die Diskrepanz zwischen der allgemein hohen Unterstützung der Organspende und der tatsächlichen Spendequote verringern. Unter der geltenden Zustimmungslösung sei es trotz Informationskampagnen nicht gelungen, genügend Organspender zu finden, obschon sich in Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich für die Organspende ausgesprochen habe, argumentierte die Mehrheit der Kommission. Eine Minderheit beantragt, auf den indirekten Gegenvorschlag nicht einzutreten. Es dürfe nicht sein, dass der Staat grundsätzlich jeden zum Organspender mache, der nicht aktiv sein Recht auf körperliche Unversehrtheit einfordere, argumentierte sie.

In der Detailberatung wich die Kommission nur in einem Punkt materiell vom Beschluss des Nationalrates ab: Mit 7 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt sie, das Führen eines Organ- und Gewebespenderegisters nicht gleich von Gesetzes wegen an die nationale Zuteilungsstelle Swisstransplant zu übertragen. Sie will in diesem Punkt eine Differenz zum Nationalrat schaffen, um diese Frage noch vertieft prüfen zu können. 

Die Volksinitiative empfiehlt die Kommission zur Ablehnung, und zwar mit 10 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen.

AHV: Suche nach Kompromiss zu den Ausgleichsmassnahmen für Frauen

In der ersten Runde der Differenzbereinigung zur Stabilisierung der AHV (AHV 21; 19.050) beriet die Kommission eingehend über einen Kompromiss bei den Ausgleichsmassnahmen für jene Jahrgänge von Frauen, die als erste von der Erhöhung des Referenzalters auf 65 Jahre betroffen sein werden. Sie erteilte der Verwaltung den Auftrag, Varianten zu vertiefen, die sozial abgestufte Rentenzuschläge ausserhalb des Rentensystems und die Möglichkeit eines erleichterten Rentenvorbezugs vorsehen. Dabei soll der Akzent stärker auf dem Zuschlag als auf dem erleichterten Vorbezug liegen.

Beim Freibetrag für Rentnerinnen und Rentner, die erwerbstätig bleiben, beantragt die Kommission, sich dem Nationalrat anzuschliessen. Der Freibetrag soll nicht erhöht werden, und Rentnerinnen sowie Rentner, welche ihre Rente aufbessern wollen, sollen auf den Freibetrag verzichten können (9 zu 4 Stimmen; Art. 4 Abs. 2 Bst. b). Hingegen lehnt die Kommission die vom Nationalrat beschlossene Verkürzung der Wartefrist für Hilflosenentschädigung von einem Jahr auf 90 Tage ab (9 zu 4 Stimmen; Art. 43bis Abs. 2). Ohne Gegenstimme unterstützt die Kommission die vom Nationalrat beschlossene Motion «Auftrag für die nächste AHV-Reform» (21.3462).

Die Kommission wird die Beratung an ihrer nächsten Sitzung von Ende August weiterführen und dabei auch die Fragen der Finanzierung prüfen.

Lücke in der Familienpolitik schliessen mit zweiwöchigem Adoptionsurlaub

Personen, die ein weniger als vier Jahre altes Kind adoptieren, sollen Anspruch erhalten auf einen bezahlten Urlaub von zwei Wochen. Dies hat die Kommission im Rahmen der Beratung der Vorlage zur Pa. Iv. Romano. Einführung einer Adoptionsentschädigung (13.478 n) beschlossen, welche ihre Schwesterkommission ausgearbeitet hatte. Die Kommission folgte dem Beschluss des Nationalrates in allen Punkten und nahm die Vorlage mit 10 zu 1 Stimme bei 1 Enthaltung in der Gesamtabstimmung an. 

Weitere Geschäfte

Mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen stimmte die Kommission dem Beschluss ihrer Schwesterkommission zu, der Pa.Iv. Lohr. Entschädigung von Hilfeleistungen von Angehörigen im Rahmen des Assistenzbeitrages (12.409 n) Folge zu geben. Für die Kommission besteht grundsätzlich Handlungsbedarf für eine Weiterentwicklung des Assistenzbeitrages, dies vor allem mit Blick auf ein selbstbestimmtes Leben der betroffenen Personen. Bei der konkreten Umsetzung der Initiative stellen sich ihr aber verschiedene Fragen, die einer vertieften Abklärung bedürfen. So seien insbesondere die finanziellen Folgen des Anliegens für die Invalidenversicherung gründlich auszuleuchten. In einem nächsten Schritt wird nun die SGK-N einen Gesetzesentwurf ausarbeiten.

Im Weiteren beschloss die Kommission folgende Anträge:

- Mo. Nationalrat (Flach). IV-Verfügungen mit leichter Sprache ergänzen, um sie für die betroffenen Menschen verständlich zu machen (19.4320): Annahme (einstimmig);

- Mo. Nationalrat (Lohr). Automatische Ausstellung eines Ausweises für den Bezug einer Hilflosenentschädigung (20.3691): Annahme (einstimmig);

- Mo. Nationalrat (Vitali). Harmonisierung von AHV- und Steuerrecht (19.4453): Ablehnung, da Anliegen bereits erfüllt (ohne Gegenantrag);

- Mo. Nationalrat (Gmür Alois). Eine Abrechnungsstelle für Sozialversicherungen und Steuern (20.4552): Annahme (einstimmig);

- Kt. Iv. NE. Kantonale, regionale oder interkantonale Krankenversicherung. Allfällige Schaffung im Kompetenzbereich der Kantone (20.315): keine Folge geben (9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung);

- Kt. Iv. GE. Solidarität der OKP-Versicherer gegenüber der Schweizer Bevölkerung in Sachen Covid-19-Tests (20.318): keine Folge geben (einstimmig);

- Kt. Iv. GE. Solidarität der Krankenversicherungen (KVG) mit den Covid-19-Opfern (20.337): keine Folge geben (10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Die Kommission tagte am 9. und 10. August 2021 in Bern unter dem Vorsitz von Paul Rechsteiner (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.