Die Kommission hat sich im Rahmen der Vorprüfung von vier Standesinitiativen mit der Frage befasst, ob eine Elternzeit eingeführt werden soll. Mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung hat sie zwei Standesinitiativen der Kantone Genf bzw. Jura (24.301 und 24.310) Folge gegeben, welche die Einführung einer Elternzeit auf Bundesebene verlangen. In den Augen der Kommission sollte dieses Thema eingehend und sorgfältig geprüft werden, könnte die Einführung einer Elternzeit doch zur Gleichstellung von Frau und Mann sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Gleichzeitig würden junge Eltern, insbesondere Frauen, ermutigt, erwerbstätig zu bleiben, was wiederum dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken könnte.
Die Kommission begrüsst, dass die beiden Standesinitiativen offen formuliert sind und einer einheitlichen Lösung auf Bundesebene den Vorzug geben. Sie betont jedoch, dass eine pragmatische Lösung gefunden werden muss, die den verschiedenen Familienmodellen Rechnung trägt und finanziell tragbar ist. Der für die nächsten Wochen in Aussicht gestellte Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Po. SGK-N «Volkswirtschaftliches Gesamtmodell (Kosten-Nutzen) von Elternzeitmodellen» (21.3961) sollte wesentliche Elemente für die weitere Diskussion liefern. Beide Standesinitiativen werden nun von der nationalrätlichen Schwesterkommission vorgeprüft. Auch sie hat über den Gesetzgebungsbedarf in diesem Bereich zu befinden.
Mit 7 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission ihrem Rat hingegen, den zwei ähnlichen, vom Kanton Wallis bzw. Kanton Tessin eingereichten Standesinitiativen 24.305 und 24.311 keine Folge zu geben. Die Initiativen schreiben in den Augen der Kommission zu strenge und verbindliche Mindestbedingungen vor.
Kostendämpfungspaket 2 ohne Netzwerke zur koordinierten Versorgung
Die Kommission hat die Differenzen zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (22.062) beraten. Bei den umstrittenen Netzwerken zur koordinierten Versorgung schliesst sich die Kommission dem Nationalrat an: Sie beantragt, diesen neuen Leistungserbringer aus dem Paket zu streichen. Die Kommission ist weiterhin klar von der koordinierten Versorgung überzeugt. Angesichts der grossen Kritik will sie das Thema aber anderweitig weiterverfolgen, um so die bestehenden Initiativen besser zu unterstützen und möglichst vielen Patientinnen und Patienten zugänglich zu machen. Auch bei der weiteren wesentlichen Massnahme der Mengenrabatte für umsatzstarke Medikamente schliesst sich die Kommission dem Beschluss des Nationalrates an. Bei den Leistungen, die Hebammen zulasten der OKP erbringen können, folgt die Kommission ebenso dem Nationalrat. Zudem unterstützt sie die von ihm eingefügte Evaluationsklausel. Sie hat sämtliche Entscheide ohne Gegenantrag gefasst.
Bei den weiteren zwei Differenzen im Arzneimittelbereich hat die Kommission ohne Gegenantrag Kompromissvorschläge verabschiedet: Sie beantragt ihrem Rat, die Fassungen des Ständerates und des Nationalrates zur differenzierten Überprüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu kombinieren. Das soll ermöglichen, diese Kriterien in unterschiedlicher Tiefe zu prüfen, etwa wenn schon viel Evidenz zur Wirksamkeit eines Arzneimittels vorliegt. Gleichzeitig kann auch auf die Überprüfung eines Kriteriums verzichtet werden, etwa bei günstigen Arzneimitteln, die für die Versorgung wichtig sind. Auch bei der vorläufigen Vergütung von innovativen Arzneimitteln schlägt die Kommission eine Kombination vor. Demnach sollen Arzneimittel, die in einem beschleunigten Verfahren zugelassen werden, für die Vergütung ab dem Tag der Zulassung in Frage kommen. Da diese Arzneimittel einen grossen medizinischen Bedarf erfüllen müssen, soll die zuständige ausserparlamentarische Kommission vor dem Vergütungsentscheid angehört werden.
Bei den restlichen Differenzen hingegen beantragt die Kommission, an der Version des Ständerates festzuhalten. Demnach sollen Versicherer die Rechnungsdaten nur nutzen können, um ihre Versicherten – nicht aber die Leistungserbringer – gezielt über kostengünstigere Leistungen, besser geeignete Versicherungsmodelle oder präventive Massnahmen zu informieren (mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung). Weiter hält die Kommission daran fest, im Gesetz zu verankern, dass Effizienzgewinne in den Tarifverträgen zu berücksichtigen sind (ohne Gegenantrag). Ebenso soll der Bundesrat zusammen mit dem Kostendämpfungspaket beauftragt werden, bei den Einzelleistungstarifen eine Höchstgrenze für die pro Tag abrechenbaren Taxpunkte festzulegen (mit 10 zu 1 Stimme bei 1 Enthaltung). Auch wenn die neuen Tarifstrukturen Verbesserungen bringen, hält die Kommission die Regelungen in diesem Bereich für lückenhaft.
Die Vorlage ist damit bereit für die Differenzbereinigung in der Frühlingssession.
Fortsetzung der Beratungen zur Finanzierung der 13. AHV-Rente
Die Kommission hat ihre Beratungen zur Finanzierung der 13. AHV-Rente (24.073, Entwürfe 2 und 3) fortgesetzt und von den zusätzlichen Abklärungen, welche die Verwaltung in ihrem Auftrag vorgenommen hatte, Kenntnis genommen. Da die Kommission eine nachhaltige, umfassende und mehrheitsfähige Finanzierungslösung vorschlagen will, hat sie der Verwaltung neue Aufträge erteilt. Sie wird ihre Arbeiten im zweiten Quartal fortsetzen.
13. IV-Rente gezielt für EL-Beziehende
Die Kommission will IV-Rentenbeziehenden, welche Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) haben, in Analogie zur 13. AHV-Rente einen Zuschlag in der Höhe eines Zwölftels ihrer IV-Rente gewähren. Sie hat mit 6 zu 5 Stimmen eine entsprechende Mo.«13. IV-Rente für EL-Beziehende» (25.3014) eingereicht. Mit der vom Stimmvolk beschlossenen 13. AHV-Rente erhalten Altersrenten-Beziehende ab 2026 jeweils im Dezember einen substanziellen finanziellen Zuschuss. Da gemäss dem Initiativtext die 13. AHV-Rente keine Auswirkungen auf den Bezug von Ergänzungsleistungen haben darf, sind EL-Beziehende zur AHV-Rente (Altersrente) bessergestellt als EL-Beziehende zur IV-Rente. Die Mehrheit der Kommission will diese stossende Ungleichbehandlung über das EL-Gesetz gezielt beheben, zumal die Ergänzungsleistungen die Existenz sichern sollen. Die angestrebte Verbesserung hätte Ende 2023 rund 112 000 Personen betroffen und zu Mehrausgaben von mindestens 166 Millionen Franken geführt (99 Mio. für den Bund und 67 Mio. für die Kantone). Die Kommissionsmotion kommt in die Frühjahrssession.
Im Gegenzug verweigerte die Kommission mit 6 zu 0 Stimmen und 5 Enthaltungen die Zustimmung zur pa. Iv. «Auch IV-Rentenbeziehende müssen Anspruch auf eine 13. Rente haben» (24.424) ihrer Schwesterkommission. Diese sieht eine 13. IV-Rente für alle Personen vor, die IV beziehen. In den Augen der Kommission ist angesichts der angespannten Finanzlage der IV keine undifferenzierte zusätzliche Unterstützung angezeigt.
Intensive Frühintervention bei Autismus-Spektrum-Störungen unbestritten
Einstimmig hat die Kommission die Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung zur intensiven Frühintervention bei Autismus-Spektrum-Störungen (IFI; 24.066) in der Gesamtabstimmung angenommen. Eintreten auf das Geschäft war unbestritten. In der Detailberatung beantragt die Kommission, in allen Punkten beim Entwurf des Bundesrates zu bleiben. Die Vorlage ermöglicht es der Invalidenversicherung, die IFI auch nach Abschluss des laufenden Pilotversuchs mit Pauschalbeiträgen zu unterstützen. Die IFI ist wissenschaftlich breit anerkannt und erzielt gute Ergebnisse bei der Förderung von Kleinkindern mit einer schweren Form von Autismus-Spektrum-Störung. Für die Umsetzung der Massnahme erarbeiten die Kantone zusammen mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen schweizweit harmonisierte Grundsätze. Zum Einstieg hatte sie eine Vertretung der zuständigen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) angehört. Die Vorlage ist bereit für die Frühjahrssession.
Weitere Geschäfte
Mit 8 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission, die Mo. SGK-N «Versorgungssicherheit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie» (24.3398) anzunehmen. Diese nimmt das Anliegen der Kt. Iv. SO «Versorgungssicherheit der Kinder- und Jugendpsychiatrie» (23.309) auf, kostendeckende Tarife in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sicherzustellen. Daher beantragt die SGK-S mit 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen, der Standesinitiative keine Folge zu geben.
Die Kommission schlägt mehrere Massnahmen vor, um dem Ärztemangel in der Grundversorgung entgegenzuwirken. In ihren Augen müssen die Tarife in der Hausarztmedizin angehoben werden, weshalb sie ihrem Rat mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt, die Mo. Nicolet «KVG. Stärkung der Grundversorgung dank eines besseren Angebots an Hausärztinnen und Hausärzten» (22.4357) anzunehmen. Da die Kommission der Meinung ist, dass auch mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden müssen, spricht sie sich im Rahmen eines Mitberichts an die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) mit 10 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen für die Annahme der Mo. (Hurni) Crottaz «Mangel an Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz. Vorbeugen ist besser als Heilen!» (23.3854) aus.
Die Kommission hat sich erneut mit der Schweizer Spitallandschaft befasst. Sie wird die hängigen Vorstösse zur Anpassung der Tarife und zum Teuerungsausgleich in einem breiteren Kontext betrachten, da diverse Faktoren zur finanziell angespannten Lage der Spitäler beitragen. Unmittelbaren Handlungsbedarf identifiziert sie bei der Spitalplanung: Sie hat einstimmig die Mo. «Spitalplanung durch interkantonale Spitallisten stärken» (25.3017) eingereicht. Damit will sie den Bundesrat beauftragen, die gesetzlichen Grundlagen so zu ändern, dass die Kantone nicht nur wie heute ihre Spitalplanungen zu koordinieren haben, sondern auch Leistungsaufträge innerhalb von Versorgungsregionen aufeinander abstimmen und gemeinsam erteilen müssen.
Die Kommission liess sich über den Stand bei den neuen Ärztetarifen für ambulante Behandlungen informieren, die per 1. Januar des kommenden Jahres eingeführt werden sollen. Sie hält es wie der Bundesrat für zentral, dass es nach der Einführung zu keinen Kostensteigerungen kommt, die nur auf den Systemwechsel zurückzuführen sind. Deshalb beantragt sie einstimmig, die Mo. (Bircher) Graber «Kostenneutralität von neuen ambulanten Tarifstrukturen sicherstellen» (23.4527) anzunehmen.
Die Kommission hat sich zudem nach dem Stand der Tarifverhandlungen über die Übernahme der Kosten für Gebärdensprachdolmetschleistungen im Gesundheitsbereich erkundigt. Sie bedauert, dass sich die Tarifpartner immer noch nicht geeinigt haben, weshalb sie mit 6 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen die Kommissionsmotion 25.2013 beschlossen hat. Diese beauftragt den Bundesrat, einheitliche Kriterien für die Übernahme dieser Leistungen festzulegen.
Die Kommission liess sich von der Verwaltung über die möglichen Auswirkungen informieren, die eine Umsetzung der Mo. Dobler «Medikamentenpreise. Vergütung von im Ausland gekauften günstigen Medikamenten oder Hilfsmitteln durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach KVG, um die Preise und Kosten zu senken» (23.4177) hätte. Da die potenziellen Auswirkungen vielfältig sind, wird die Kommission in einem zweiten Schritt die betroffenen Kreise anhören.
Die Kommission wurde zu den Anpassungen an den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) konsultiert, die der Bundesrat am 13. November 2024 in die Vernehmlassung gegeben hat. Sie nimmt die Anpassungen zur Kenntnis und wird die Pandemiefolgeprozesse in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiter eng begleiten.
Die Kommission hat erfreut festgestellt, dass die Verhandlungen über neue Tarife für die ambulante Physiotherapie konstruktiv voranschreiten. Die Tarifpartner haben bis Ende Mai 2025 Zeit, dem Bundesrat einen neuen Tarifvertrag vorzulegen. Die Kommission wird sich daher im Sommer erneut über den aktuellen Stand informieren lassen.
Die Kommission hat sich ferner über das Urteil 9C_702/2023 des Bundesgerichts vom 15. Februar 2024 informieren lassen, das wichtige Fragen zur Beweislast für die Wirksamkeit einer Leistung im Sinne des KVG aufwirft. Sie wird weiterhin an diesem Thema dranbleiben.
Die Kommission tagte am 27. und 28. Januar 2025 in Bern unter der Leitung von Ständerat Damian Müller (FDP, LU) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.